# taz.de -- Präsident des EU-Parlaments über „Duce“: Viel Positives
       
       > Antonio Tajani, der Präsident des EU-Parlaments, rühmt die Wohltaten
       > Benito Mussolinis. Er stößt in Brüssel auf Kritik.
       
 (IMG) Bild: Unter Benito Mussolini war seiner Ansicht nach nicht alles schlecht: EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani
       
       Rom/Brüssel taz | Eigentlich war der Duce so schlecht auch wieder nicht.
       Benito Mussolini kann zwar leider nicht wie Adolf Hitler in Anspruch
       nehmen, seinem Land Autobahnen beschert zu haben, aber „positive Dinge“
       noch und nöcher hat er durchaus für Italien getan.
       
       Das jedenfalls meint Antonio Tajani, Präsident des Europäischen Parlaments
       aus den Reihen von Silvio Berlusconis Forza Italia, die genauso wie CDU und
       CSU zur christlich-konservativen EVP zählt.
       
       Ein ganzer Strauß „positiver Dinge“ fiel Tajani ein, als er am Mittwoch in
       einem Radioprogramm des Staatssenders RAI interviewt wurde. „Ich bin kein
       Faschist“, schickte Tajani erst einmal voraus, man müsse mit Mussolinis
       Methoden ja auch keineswegs einverstanden sein, und „sein politisches
       Denken teile ich nicht“.
       
       Dann aber geriet er ins Schwärmen, „schließlich muss man ehrlich sein“, „er
       hat Straßen, Brücken, Gebäude, Sportanlagen errichtet, er hat die Sümpfe in
       vielen Teilen Italiens trockengelegt, er hat das Institut für den
       industriellen Wiederaufbau (Italiens großen Industrie- und
       Banken-Staatskonzern) geschaffen“.
       
       ## Einige unschöne Dinge
       
       Gewiss, eine paar unschöne Dinge sind dem Duce nebenher auch noch
       unterlaufen, hat er doch „im Gefolge Hitlers der ganzen Welt den Krieg
       erklärt“, hat er doch auch die Rassegesetze verabschieden lassen.
       
       Doch vor 1938 – dem Jahr der Rassegesetze gegen die Juden – fällt Tajani
       als einzige weitere Missetat nur „der dramatische Fall Matteotti“ ein. Im
       Jahr 1924, zwei Jahre nach dem „Marsch auf Rom“ hatte Mussolini
       höchstpersönlich seine faschistischen Schergen mit der Entführung und
       Ermordung des sozialistischen Politikers Giacomo Matteotti beauftragt.
       
       Ein Ausrutscher, wenn man Tajani glauben darf. Dem EP-Präsidenten
       allerdings ist entgangen, dass der Weg der Faschisten an die Macht durch
       eine lange Spur der Gewalt und des Blutes gezeichnet war, dass hunderte
       Aktivisten der Arbeiterbewegung dem faschistischen Terror zum Opfer fielen.
       Und: Dass Sitze der linken Parteien und der Gewerkschaften quer durchs Land
       zerstört und gebrandschatzt wurden.
       
       Von seinem Chef Sylvio Berlusconi muss er jedoch kaum einen Ordnungsruf
       erwarten. Schließlich war der selbst immer mal wieder durch die
       Verniedlichung des Faschismus aufgefallen – zum Beispiel als er behauptete,
       Mussolini habe seine politischen Gegner doch bloß in die „Sommerfrische“
       geschickt, wenn er sie auf Inseln wie Ventotene verbannen ließ.
       
       ## Absolut inakzeptabel
       
       Die Äußerungen Tajanis lösten im Europaparlament einen Proteststurm aus.
       „Die Äußerungen sind eines Präsidenten des Europäischen Parlaments unwürdig
       und absolut inakzeptabel. Antonio Tajani muss die unsägliche Verharmlosung
       des Faschismus zurücknehmen oder als Präsident des Europäischen Parlaments
       zurücktreten“, sagte die Spitzenkandidatin der Grünen, Ska Keller.
       
       Für einen Rücktritt sprach sich auch die Linke aus. „Ich bin absolut
       fassungslos über die wohlwollenden Äußerungen von Antonio Tajani über den
       italienischen Massenmörder Mussolini“, sagte Gabi Zimmer, Vorsitzende der
       Linksfraktion GUE/NGL. Der Faschismus dürfe niemals relativiert werden.
       „Deshalb fordern wir als Linksfraktion den sofortigen Rücktritt von Antonio
       Tajani als Präsident des Europäischen Parlaments.“
       
       Der Chef der Sozialdemokraten, Udo Bullmann, verlangte eine Erklärung.
       „Unglaubliche Zitate von Tajani über Mussolini: Wie kann der Präsident des
       Europäischen Parlaments den Charakter des Faschismus so verleugnen?“,
       schrieb er am Mittwoch auf Twitter.
       
       Tajani retournierte umgehend auf Bullmann. „Die, die meine Worte über den
       Faschismus für ihre Zwecke instrumentalisieren, sollen sich schämen!“,
       twitterte er voller Zorn. „Wenn jemand ein historisches Urteil fällt, muss
       er objektiv bleiben. Ganz „unparteiisch“ habe er, „seit je überzeugter
       Antifaschist“, sich schließlich geäußert. Und natürlich sei der Faschismus
       „das dunkelste Kapitel der italienischen Geschichte.“
       
       ## „Nationalistischer Diskurs“
       
       Der Mussolini-Skandal ist nicht die erste Entgleisung des Italieners. Erst
       im Februar hatte Tajani mit Äußerungen über slowenische und kroatische
       Gebiete an der Adria-Küste den Zorn dortiger Politiker auf sich gezogen. Er
       erweckte damals den Eindruck, diese Gebiete „heim ins Reich“ nach Italien
       holen zu wollen. Sozialdemokraten, Grüne und Linke im EU-Parlament warfen
       ihm daraufhin einen „nationalistischen Diskurs“ vor.
       
       Tajani wurde vor zwei Jahren als Nachfolger von Martin Schulz (SPD) an die
       Spitze des Europaparlaments gewählt – mit Unterstützung der Abgeordneten
       von CDU und CSU. Den Ausschlag für seine Wahl gab Manfred Weber (CSU), der
       heute als Spitzenkandidat der konservativen Europäischen Volkspartei bei
       der Europawahl antritt. Weber und Tajani gelten als enge Vertraute. Sie
       ließen sich auch gemeinsam mit dem früheren italienischen Regierungschef
       Silvio Berlusconi ablichten.
       
       14 Mar 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Michael Braun
 (DIR) Eric Bonse
       
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