# taz.de -- Betreuer in der Not I: Die Unsichtbaren
       
       > Gesetzliche Betreuung soll Menschen mit Einschränkung ein
       > selbstbestimmtes Leben ermöglichen. Doch die Betreuer schlagen schon
       > lange Alarm.
       
 (IMG) Bild: Die gesetzliche Betreuerin Juliane Friedrich zu Gast bei einem Klienten in Berlin-Marzahn
       
       Zu wenig Geld für zu viel Arbeit: Die Lage der Betreuungsvereine ist so
       dramatisch, dass einige bereits schließen mussten. So gingen etwa im
       Betreuungsverein des Sozialverbands VdK in Reinickendorf Ende Dezember die
       Lichter aus. Die Vorsitzende ihrer Interessengemeinschaft in Berlin, Wencke
       Pohle, kennt die jahrelange finanzielle Schieflage: „Viele
       Betreuungsvereine überleben nur durch die Querfinanzierung in großen
       Trägern.“ Das Problem: Die Vergütung für BetreuerInnen wurde seit 14 Jahren
       nicht angepasst. Eine Betreuung, in deren Mittelpunkt die Selbstbestimmung
       der Klienten steht, sei mit den gesetzlich festgelegten Stunden nicht zu
       machen. „Für viele Vereine ist das existenzbedrohend“, so Pohle. Eine
       Reform der Vergütung soll nun Abhilfe schaffen.
       
       Gesetzliche Betreuung ersetzt seit über 25 Jahren die Entmündigung und soll
       Menschen mit psychischer oder geistiger Behinderung zu ihren Rechten
       verhelfen. Betreuer sollen Ansprüche gegenüber Behörden, Renten- und
       Krankenkasse wahrnehmen und Betroffenen ein selbstbestimmtes Leben
       ermöglichen.
       
       Ihre schlechte Situation ist kein Berliner Phänomen, aber die Großstadt
       trifft es besonders. Eigentlich sieht das Bundesgesetz eine ehrenamtliche
       Betreuung vor – in der Regel durch Verwandte. „Im Stadtstaat Berlin mit
       seinen vielen Zugezogenen ist das aber gar nicht möglich“, so Pohle. Die
       Zahl der gesetzlichen Betreuungen durch Familienangehörige geht seit Jahren
       zurück. Insgesamt laufen in Berlin laut Justizverwaltung rund 55.000
       Verfahren. Doch während im Bundesschnitt über die Hälfte ehrenamtlich
       begleitet werden, sind es in Berlin nur ein Drittel.
       
       Den größten Teil übernehmen selbstständige Berufsbetreuer. Auch sie klagen
       seit Jahren über die Vergütung: Ihr Bundesverband hat ausgerechnet, dass
       ihnen nach Abzug aller Ausgaben rund 1.500 Euro zum Leben bleiben. Und das
       in einem Job, der neben umfassenden juristischen Kenntnissen auch
       pädagogische Fertigkeiten erfordert. Viele würden den relativ geringen
       Verdienst durch Abstriche bei der Rentenvorsorge und Arbeitszeitausweitung
       ausgleichen, sagt Walter Klitschka, Berliner Beauftragter im Bundesverband
       freier Berufsbetreuer. Nicht selten nähmen freie Berufsbetreuer mehr als
       die branchenüblichen 40 Klienten an.
       
       ## 14 Jahre ohne Erhöhung
       
       Die 18 Berliner Betreuungsvereine übernehmen auch die Schulung und Beratung
       von Ehrenamtlichen. Weil sie diese Aufgabe zum Teil selbst finanzieren
       müssen, ist ihr Spielraum noch geringer. Die Arbeit werde außerdem immer
       komplexer, sagen die Interessenvertreter mit Blick auf die
       Sozialgesetzgebung der vergangenen zwanzig Jahre. Zwischen zwei und
       viereinhalb Stunden monatlich seien für langjährige Klienten vorgesehen –
       zu wenig angesichts der Vielzahl von Anträgen und Behördengängen.
       Gleichzeitig verlange der Wandel in der Betreuungskultur, mehr auf den
       Klienten einzugehen und partizipativ zu arbeiten. „Das ist sehr zu
       begrüßen, dafür brauchen wir aber auch Zeit“, sagt Wencke Pohle.
       
       Nach 14 Jahren soll es nun die erste Anpassung der Vergütung geben. Ein
       Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht statt der bisherigen
       Stundenvorgaben Fallpauschalen und eine rund 17 Prozent höhere Vergütung
       vor. So sollen „die Finanzierung der unverzichtbaren Arbeit der
       Betreuungsvereine in Zusammenarbeit mit den Ländern gestärkt und für eine
       angemessene Vergütung der Berufsbetreuerinnen und -betreuer Sorge getragen
       werden.“
       
       Denen geht die Reform nicht weit genug. Der geänderte Aufwand sei nicht
       ausreichend berücksichtigt, heißt es etwa von der Interessengemeinschaft
       der Berliner Betreuungsvereine. Insbesondere langjährige Klienten und
       Menschen in ambulanter Unterbringung seien mit den neuen Fallpauschalen
       schlechter gestellt.
       
       Auch hinter den Erwartungen der freien BerufsbetreuerInnen bleibt die
       Reform weit zurück: Deren Berechnung hatte einen Erhöhungsbedarf von mehr
       als 50 Prozent ergeben. Die anvisierten 17 Prozent, so heißt es vom
       Bundesverband der BerufsbetreuerInnen, würden den Sterbeprozess der
       Betreuungsvereine nur verzögern und könnten nicht verhindern, dass sich
       selbstständige Betreuer in lukrativere Jobs zurückziehen.
       
       „Wir betreuen die Menschen, für die zwar Inklusion gefordert wird, die aber
       trotzdem am liebsten unsichtbar bleiben sollen“, resümiert Berufsbetreuer
       Walter Klitschka. „Deshalb wird auch unsere Arbeit einfach nicht gesehen.“
       
       Anmerkung: Wir hatten zunächst geschrieben, dass für den Beruf des
       gesetzlichen Betreuers ein Hochschulstudium erforderlich sei. Das ist nicht
       richtig. Allerdings dürfen Betreuer laut Vormünder- und
       Betreuervergütungsgesetz nur mit abgeschlossenem Studium den höchsten
       Stundensatz abrechnen.
       
       25 Mar 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Manuela Heim
       
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