# taz.de -- Kommentar Nationaler Volkskongress: Mehr Demut täte China gut
       
       > Die Stimmung beim Nationalen Volkskongress ist schlecht. Zu Recht: Den
       > Handelsstreit mit den USA hat die Regierung in Peking selbst provoziert.
       
 (IMG) Bild: Beim Nationalen Volkskongress nicken die Delegierten stets nur ab, was ihnen die Führung vorlegt
       
       Peking taz | Eins fällt dieser Tage auf in Peking: Im Vergleich zu den
       Vorjahren ist es dieses Mal sehr viel ruhiger rund um den Nationalen
       Volkskongress, [1][Chinas einmal im Jahr tagendes Scheinparlament,] in
       dessen Rahmen die rund 3.000 Delegierten stets nur das abnicken, was ihnen
       die kommunistische Führung vorlegt. Nur wenige Propaganda-Banner sind auf
       Pekings Straßen zu sehen. Selbst die Blumenkübel am Straßenrand sind dieses
       Jahr rar.
       
       In den letzten Jahren hatte die Führung diese zweiwöchige Plenarsitzung
       noch dafür genutzt, mit Getöse Chinas Errungenschaften, vor allem aber sich
       selbst zu preisen. Der Höhepunkt dieses Allmachtstrebens war der
       „Krönungs“-Volkskongress vor einem Jahr. Mit einer Verfassungsänderung ließ
       Staats- und Parteichef Xi Jinping seine Amtszeit auf Lebenszeit verlängern
       – ein Coup in der ohnehin autoritär geführten Volksrepublik.
       
       Die Seidenstraßeninitiative, mit der unter chinesischer Leitung die ganze
       Welt mit einem Handelsnetz überspannt werden soll, das industriepolitische
       Programm „Made in China 2025“, mit der China binnen weniger Jahre zum
       Technologieführer aufsteigen will – beide Kampagnen, die auf den Rest der
       Welt geradezu bedrohlich wirkten, finden in den Staatsmedien bei diesem
       Volkskongress kaum noch Erwähnung.
       
       Dieses Mal sind die Töne sehr viel leiser. Zum Auftakt trägt der
       chinesische Premierminister Li Keqiang nüchtern die Gefahren und Probleme
       vor, denen sein Land gegenübersteht: Ein geringeres Wirtschaftswachstum,
       die Überschuldung der Staatsunternehmen, die wachsende Stimmung gegen China
       im Ausland. Vor allem der Handelskonflikt mit den USA setzt China mehr zu
       als noch bis vor Kurzem zugegeben. China sei bestens gewappnet für den
       Konflikt, man wolle sich sowieso stärker auf eine stabile Binnenkonjunktur
       besinnen, statt weiter für den Rest der Welt als Werkbank zu schuften, hieß
       es.
       
       ## Hausgemachte Probleme
       
       Doch US-Präsident Donald Trump droht mit Strafzöllen auf Waren aus China im
       Wert von einer halben Billion US-Dollar. [2][Dieser Streit hinterlässt
       bereits seine Spuren.] Unternehmer sind verunsichert, sie investieren sehr
       viel weniger. In der Exportindustrie werden bereits viele Wanderarbeiter
       entlassen.
       
       Der Handelskrieg kommt auch deswegen ungelegen, weil China eigentlich seine
       hausgemachten Probleme angehen wollte. Vor allem die massiv gestiegenen
       Schulden der Staatsunternehmen sind eine große Gefahr für Chinas
       Finanzsystem. Als Antwort auf die Weltwirtschaftskrise hatte die Führung
       2009 das größte Konjunkturpaket geschnürt, das es bis dahin gegeben hatte.
       Sie vergab großzügig Kredite und päppelte die Staatsunternehmen. Von denen
       haben nun viele hohe Schuldenberge aufgetürmt, Überkapazitäten geschaffen,
       worunter auch die Privatwirtschaft leidet.
       
       Chinas Führung ist sich dieser Risiken bewusst und hat auch schon versucht,
       sie in den Griff zu bekommen. Doch das wiederum drosselt das
       Wirtschaftswachstum – zumal Wachstum zu schaffen für das Land sehr viel
       schwieriger geworden ist. Solange die Löhne niedrig waren, war es ein
       leichtes, hohe Wachstumsraten zu erzielen. Doch nun wollen die Chinesen
       beim Pro-Kopf-Einkommen zu den reichen Industrieländern aufschließen. Dafür
       muss China Jobs schaffen, die höhere Löhne rechtfertigen. Die Wirtschaft
       muss produktiver werden, Innovationen sind gefragt, damit aber auch
       Investitionen in Bildung und Technik und eine Abkehr von der bisherigen
       Industriestruktur.
       
       Mit ihrer Technologieoffensive will Chinas Führung genau das erreichen.
       Sicherlich hätten Trump und auch viele Europäer darin weniger eine
       Bedrohung gesehen, hätte Peking dieses berechtige Anliegen nicht so sehr
       mit nationalistischer Propaganda aufgeladen.
       
       Chinas Führung tut gut daran, mehr Demut zu zeigen. Und wer weiß?
       Vielleicht gibt es schon beim nächsten Volkskongress Gründe, wieder mehr
       Blumenkübel auf Pekings Straßen zu stellen.
       
       9 Mar 2019
       
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