# taz.de -- Masern in Niedersachsen: Hurra, nicht geimpft!
       
       > An einer Schule in Niedersachsen tauchen die Masern auf. Wer nicht
       > geimpft ist, soll nun vorerst zu Hause bleiben. Die Entscheidung wirft
       > Fragen auf.
       
 (IMG) Bild: Der Piks ist in Deutschland nicht verpflichtend
       
       Den allermeisten Jugendlichen dürfte die Schule derzeit richtig Spaß
       machen. Denn selten standen die Chancen auf Unterrichtsausfall so gut wie
       in diesem Schuljahr. Und das liegt nicht nur an den fiesen
       Influenza-A-Viren, die diesen Winter besonders viele Lehrkräfte ins Bett
       schicken.
       
       Tausende LehrerInnenstellen sind derzeit noch nicht einmal besetzt. Manche
       Bundesländer wie Thüringen sprechen offen von einer „Extremsituation“. In
       Nordrhein-Westfalen ist der Ausfall so alltäglich, dass Eltern bereits die
       offizielle Statistik aus dem Kultusministerium (5,1 Prozent ausgefallener
       Unterricht) anzweifeln. Für weitere schulfreie Tage sorgt wahlweise der
       Klimawandel – Schneechaos im Süden, Stürme überall – oder der Protest
       dagegen.
       
       Für SchülerInnen klingt das nach paradiesischen Zuständen: Für die
       Ferienverlängerung müssen sie noch nicht mal aktiv werden. Und selbst wenn:
       Für das Schulschwänzen im Namen des Klimaschutzes gibt es momentan
       reichlich Verständnis. Gerade erst hat Bundestagspräsident Frank-Walter
       Steinmeier (SPD) den streikenden Jugendlichen sein Wohlwollen
       ausgesprochen. Mit so viel Verständnis dürfen nicht alle rechnen, die
       Fehlzeiten in der Schule provozieren.
       
       Allen voran ImpfgegnerInnen. Das Unverständnis gegen sie wallt regelmäßig
       auf, wenn hoch ansteckende Krankheiten wie die Masern auftauchen – so wie
       nun an einer niedersächsischen Schule, in deren Landkreis seit Jahresbeginn
       ungewöhnlich viele Krankheitsfälle aufgetreten sind. Die
       Oskar-Schindler-Gesamtschule in Hildesheim hat deshalb zu einer
       drastischen Maßnahme gegriffen: Alle SchülerInnen (und auch alle
       Erwachsenen an der Schule), die keine gültige Impfung gegen Masern
       nachweisen können, sollen zwei Wochen lang nicht mehr den Unterricht
       besuchen dürfen. Und das wären nach einer ersten Prüfung durch das
       Gesundheitsamt am Freitag sage und schreibe 190 Personen – über ein Viertel
       der Schulbelegschaft.
       
       ## Fehlende Impfpflicht
       
       Zwar dürfte sich die Zahl derer, die die Impfung doch noch nachweisen
       können oder sie – wie der Landkreis dringend rät – nachholen, noch erhöhen.
       Doch selbst wenn es nur 5 Prozent der SchülerInnen sein werden, die zwei
       Wochen nicht am Unterricht teilnehmen, wirft die Entscheidung der Schule
       Fragen auf, die über Fehlzeiten und Schulstoff hinausgehen.
       
       Allen voran die der Impfpflicht. Die gibt es nicht in Deutschland, weder
       für Masern noch für Röteln oder Mumps. Auch wenn ÄrztInnen und
       PolitikerInnen dies regelmäßig fordern. Was also, wenn eine Schule wie im
       vorliegenden Fall zwischen Schulpflicht und Schutzpflicht der Kinder
       entscheiden muss und für ihre Entscheidung verklagt wird? Es ist
       vorstellbar, dass Personen, die die Existenz von Masernviren leugnen – ja,
       diese Leute gibt es und ja, sie beschäftigen heute schon die Gerichte – die
       Kindeswohlgefährdung nicht als Begründung für den Unterrichtsausschluss
       anerkennen.
       
       Selbst wenn nicht alle ImpfskeptikerInnen so weit gehen würden: Sie sind
       mit schuld daran, dass die EU gerade ihr Ziel, die Masern bis 2020 in
       Europa auszurotten, zurücknehmen musste. Die Zahl der Masernfälle hat sich
       von 2016 auf 2017 sogar fast vervierfacht. Die Weltgesundheitsorganisation
       warnt vor der Rückkehr „vermeidbarer Krankheiten“.
       
       Der Politik bleibt da nur das Bitten und Betteln. Mehr als hilflose Appelle
       können Gesundheitsministerin Reimann und Kultusminister Tonne (beide SPD)
       in Niedersachsen aber nicht machen. So macht Schule keinen Spaß. Außer den
       SchülerInnen vielleicht.
       
       11 Mar 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Pauli
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Niedersachsen
 (DIR) Masern
 (DIR) Impfung
 (DIR) WHO
 (DIR) WHO
 (DIR) Schule
 (DIR) WHO
 (DIR) WHO
 (DIR) Italien
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Kommentar Impfpflicht in Deutschland: Wer nicht hören will, braucht Zwang!
       
       Mit fast religiösem Eifer wehren sich ImpfgegnerInnen gegen die
       Masernimpfung. Die Bundesregierung sollte endlich die Impflicht einführen.
       
 (DIR) Kommentar Masernimpfung: Her mit der Impfpflicht!
       
       Weltweit ist die Zahl der Masernfälle um 30 Prozent angestiegen. Jeder
       aufgeklärte Mensch sollte die Pläne zur Impfpflicht unterstützen.
       
 (DIR) Masern-Ausbruch im Kreis Hildesheim: Keine Schule ohne Masern-Impfung?
       
       In einer Schule müssen Kinder der Schule fernbleiben, die nicht gegen
       Masern geimpft sind. Notwendige Prävention – oder die Tyrannei der Masse?
       Ein Pro und Contra.
       
 (DIR) WHO rät zum Impfen: Umstrittener Piks
       
       Die WHO warnt vor Impfmüdigkeit – gerade im Fall von Masern. In Deutschland
       aber ist die Zahl der Infektionen zuletzt wieder gesunken.
       
 (DIR) WHO stellt Gefahrenbericht vor: Impfgegner sind die Pest
       
       Neben Luftverschmutzung, Diabetes und Pandemien hält die
       Weltgesundheitsorganisation Impfmüdigkeit für eine große weltweite
       Gesundheitsgefahr.
       
 (DIR) Impfpflicht in Italien: Keine Macht den Masern
       
       Seit Mitte 2017 herrscht in Italien Impfpflicht. Der Widerstand der Gegner
       war groß, jetzt wird eine erste Bilanz gezogen.