# taz.de -- Wirtschaft in der Türkei: Ende des Booms
       
       > Erstmals seit 2009 steckt die Türkei in einer Rezession. Cem Özdemir
       > fordert, für Geschäfte mit dem Land keine Hermesbürgschaften mehr zu
       > erteilen.
       
 (IMG) Bild: Is' nich viel los vor Ismir
       
       Istanbul taz | Nach dem Rauswurf von zwei Journalisten aus der Türkei hat
       der Grüne Bundestagsabgeordnete Cem Özdemir die Bundesregierung
       aufgefordert, ökonomischen Druck auf die türkische Regierung auszuüben. Der
       frühere Bundesaußenminister Siegmar Gabriel (SPD) habe nach der Verhaftung
       des deutschen Journalisten Deniz Yücel angeordnet, Hermesbürgschaften für
       die Türkei zu deckeln. Dies habe mit dazu beigetragen, dass Yücel nach
       einem Jahr Untersuchungshaft freigelassen wurde.
       
       Hermesbürgschaften sind Sicherheiten, die der Staat deutschen Unternehmen
       anbietet, die im Ausland investieren und damit ihre Risiken reduzieren
       können. Ohne Hermesbürgschaften würden sich wesentlich weniger deutsche
       Unternehmen in der Türkei engagieren. Nach Aussagen der deutsch-türkischen
       Industrie- und Handelskammer gehen die Investitionen deutscher Unternehmen
       in der Türkei allerdings schon jetzt zurück. Es gibt kaum noch neue
       deutsche Firmen, die in dem Land investieren, erklärte kürzlich ein
       Sprecher der Kammer. Selbst Firmen die schon lange im Land seien, hielten
       zusätzliche Investitionen zurück.
       
       Der Grund für diese Zurückhaltung sei die mangelnde Rechtssicherheit, nicht
       nur für Privatpersonen, sondern auch für Unternehmen. Dazu komme die
       derzeitige schlechte wirtschaftliche Entwicklung in der Türkei. Im letzten
       Quartal 2018 rutschte die Wirtschaft mit einem Wachstumsminus von drei
       Prozent gegenüber dem Vorjahr in die Rezession. Es war das zweite Quartal
       in Folge, dass die Wirtschaft schrumpfte. Damit ist die Türkei nun erstmals
       seit 2009 in eine Rezession gerutscht. Der Wirtschaftsboom mit hohen
       Wachstumsraten ist schon seit Mitte letzten Jahres vorbei. Seit dem
       Frühjahr 2018 verlor die türkische Währung gegenüber Dollar und Euro rund
       ein Drittel ihres Wertes. Die Inflation stieg auf zwischenzeitlich 25
       Prozent und soll nach offiziellen Angaben jetzt knapp 20 Prozent betragen.
       
       ## Ärger droht der Türkei auch aus Brüssel
       
       Präsident Recep Tayyip Erdogan, der Ende März wichtige Kommunalwahlen zu
       bestreiten hat, ist unter Druck, weil insbesondere die Lebensmittelpreise
       teilweise bis zu 60 Prozent und mehr gestiegen sind. Die Regierung versucht
       dies zu kompensieren, indem sie Grundnahrungsmittel von den Kommunen direkt
       zu Vorzugspreisen an die Endverbraucher abgibt. Dass hat zwar einige
       potentielle WählerInnen glücklich gemacht, konnte aber die
       Preissteigerungen nicht wirklich begrenzen.
       
       In dieser Situation wären Wirtschaftssanktionen ein starkes Druckmittel.
       Zusätzlicher Ärger droht der Türkei aus Brüssel. Seit längerem hofft die
       Regierung auf die Aufnahme von Verhandlungen, um die Zollunion auszuweiten.
       Als Reaktion auf die Verletzung der Pressefreiheit könnte dieses Projekt
       erst einmal auf Eis gelegt werden. Für kommenden Freitag ist in Brüssel ein
       hochrangig besetztes EU-Türkei Treffen zu Wirtschaftsfragen angesetzt. Die
       EU-Kommission hat angekündigt, dass sie die Behinderung ausländischer
       Medien in der Türkei dort zur Sprache bringen will.
       
       11 Mar 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jürgen Gottschlich
       
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