# taz.de -- Druck auf Journalisten in Kroatien: „Prozess der Orbánisierung“
       
       > Seit Januar können Journalisten in Kroatien für die Zufügung „seelischer
       > Qualen“ belangt werden. Über 1.100 Verfahren sind bereits anhängig.
       
 (IMG) Bild: „Wir akzeptieren die Verfolgung nicht mehr“, erklärt der Vorsitzende des kroatischen Journalistenverbands, Hrvoje Savko
       
       Sarajevo taz | Da staunten die Kollegen in den Redaktionsräumen des
       kroatischen Nachrichtenportals [1][net.hr] nicht schlecht. Denn sie hatten
       Besuch von der Polizei. Die Polizisten fragten nach der renommierten
       Journalistin Đuđica Klancir und forderten sie auf, ihre Adresse
       preiszugeben. Stein des Anstoßes war ein Artikel über den Gespan Ivo
       Žinica. Im politischen System Kroatiens entspricht eine Gespanschaft einem
       österreichischen Bundesland. Žinica ist also ein Landeshauptmann.
       
       Und als solcher fühlte er sich durch den kritischen Artikel über ihn und
       seine Politik beleidigt. Er verlangte von der Polizei, gegen die
       Journalistin vorzugehen. Für den Verleger Nenad Popović liegt darin einer
       der Skandale, die in dem EU-Staat Kroatien um sich greifen. Eine
       Polizeiaktion könnte ja nur die Justiz veranlassen. Dass ein Politiker
       einfach seinen Anwalt zur Polizei schickt und die dann auch noch reagiert,
       hebele den Rechtsstaat aus.
       
       Seit Januar ist es Privatpersonen in Kroatien möglich, Journalisten wegen
       der Zufügung „seelischer Qualen“ zu belangen. Und davon wurde weitgehend
       Gebrauch gemacht. Jetzt sind schon 1.100 Verfahren anhängig. Für den
       kroatischen Journalistenverband HND ist so etwas wie der genannte Vorfall
       jetzt alltäglich Brot. Die 1.100 Journalisten wurden von Privatpersonen,
       meistens Politikern, oder von staatlichen Institutionen angezeigt und
       müssen jetzt mit Gerichtsverfahren rechne. Das kann empfindliche Strafen
       bis zu 3.000 Euro nach sich ziehen, die kaum einer der freien Journalisten
       in der nichtstaatlichen Medienlandschaft stemmen kann.
       
       Also rief der Journalistenverband am 2. März zu einer Aktion auf. Die
       Organisatoren rechneten mit 30 Mitstreitern, um der Regierung eine Petition
       mit Forderungen zu übergeben. Doch dann kamen 700 Journalisten und es
       entwickelte sich eine regelrechte Demonstration. So was hatte es in
       Kroatien bislang nicht gegeben. Journalisten hatten bislang in Bezug auf
       öffentliche Solidaritätsaktionen mit Kollegen eher zurückhaltend agiert,
       jeder hatte ja schon seit geraumer Zeit Angst um seinen Arbeitsplatz.
       Selbstzensur war die Folge. Öffentlich gegen die Missstände zu
       protestieren, kostet ZagrebÜberwindung. Doch offensichtlich ist das Maß
       jetzt voll.
       
       ## Stärker werdende Staatsnähe
       
       Nach dem Vorsitzenden des Journalistenverbandes, Hrvoje Savko, ist das
       juristische Konstrukt „seelischer Qualen“ weitgehend absurd, weil es keine
       klare Definition im Zusammenhang mit dem Journalismus gibt. Mit dieser
       Meinung steht er nicht allein. Sowohl die Internationale wie die
       Europäische Journalisten-Föderation riefen das staatliche Fernsehen HRT
       dazu auf, die Klagen gegen den kroatischen Journalistenverband und andere
       Journalisten fallen zu lassen.
       
       Hrvoje Savko war ehemals Redakteur beim staatlichen Fernsehen HRT und
       kritisiert die immer stärker werdende Staatsnähe der durch Gebühren
       finanzierten Institution. Er wurde nach einem kritischen Disput mit seiner
       Chefin Katarina Periša Čakarun entlassen. Dass das staatliche (nicht
       öffentlich-rechtliche) Radio und Fernsehen seit d[2][er 2016 erfolgten
       Machtübernahme der rechtspopulistischen Regierungspartei] Kroatische
       Demokratische Gemeinschaft HDZ unter Premierminister Andrej Plenković zu
       einem unkritischen Regierungssender geworden ist, hat andererseits den
       unabhängigen Portalen wie net.hr Auftrieb gegeben. Die sollen nach Meinung
       der unabhängigen Journalisten jetzt mit diesen Klagen ausgeschaltet werden,
       die zum Teil sogar durch HRT betrieben werden.
       
       „Wir akzeptieren die Verfolgung von Journalisten nicht mehr, das hat in
       diesem Land schon eine Tradition von Jahrzehnten“, erklärte Hrvoje Savko.
       Er spielt darauf an, wie das Regime unter Präsident Franjo Tudjman in den
       neunziger Jahren versuchte, die legendäre satirisch-kritische Wochenzeitung
       Feral Tribune mit Klagen zu überziehen und hohe Geldstrafen zu verhängen,
       was schließlich zum Aus für die Zeitung führte. „Wir leben in einem Land,
       in dem wir für die Verbreitung von Wahrheit bestraft werden können.“ Der
       Verleger und Autor Nenad Popović fügt hinzu: „Wir leben in einem Land, das
       sich im Prozess der Orbánisierung befindet.“
       
       7 Mar 2019
       
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