# taz.de -- Eurovision Song Contest: Ein verdammt gutes Jahr
       
       > Mit „You let me walk alone“ ersang Michael Schulte beim ESC im Mai 2018
       > Deutschland einen vierten Platz. Das brachte ihm Ruhm und Ehre.
       
 (IMG) Bild: Der 4. Platz für Deutschland beim ESC brachte ihm ein gutes Jahr: Michael Schulte
       
       Vor genau einem Jahr, am 22. Februar 2018, sang er beim deutschen
       Vorentscheid zum [1][Eurovision Song Contest (ESC) „You Let Me Walk
       Alone“,] ein haarscharf an Übersüße vorbeischrammendes Lied über seinen vor
       Jahren verstorbenen, immer noch vermissten Vater, der seinen Sohn nun
       allein durchs Leben gehen ließe: Michael Schulte hatte das autobiografisch
       gehaltene Stück selbst mitkomponiert. Und wusste es in Lissabon, beim ESC
       im vorigen Mai, auch mit einer starken Performance auf den vierten Platz zu
       bringen. Er, 1990 in Eckernförde an der Ostsee geboren, war damals der
       erfolgreichste deutsche ESC-Act seit [2][Lena Meyer-Landrut 2010 –] und
       erntete viele Preise, darunter den „Bambi“.
       
       Er kam nicht als Newcomer in die ARD zu den ESC-Castings, danach in die
       Vorentscheidung und schließlich zum ESC. Der Musiker hat an der
       Musikindustrie vorbei seine Popularität per YouTube organisiert – und wie.
       Zunächst hatte er Coverversionen vertont, die sich gut klickten. Inzwischen
       lanciert er Selbstkomponiertes: Schulte, eine Independent-Marke aus
       Norddeutschland.
       
       Für viele seiner Popgenre-Kolleg*innen war allenfalls verstörend, dass er
       nicht allein zum ESC-Festival fuhr, um einen lästigen, aber
       karriereförderlichen Gig zu absolvieren. Er mag dieses Event, er sieht
       darin keinen Widerspruch zum Selbstverständnis, ein Musiker zu sein. Und
       das irgendwo im ästhetisch-zeitgenössischen Hier & Jetzt zwischen Ed
       Sheeran und dem Coffeeshop-Hipster next door.
       
       Schulte, seit vergangenem Sommer verheiratet und Vater eines Sohnes, hat
       ein bewegtes Jahr hinter sich. Der ESC-Boost brachte ihm Auszeichnungen für
       erfolgreiche Verkäufe in den Niederlanden, Tourneeauftritte in Dänemark –
       und jede Menge Sympathie bei jenen Radiowellen, die Mainstream spielen.
       
       ## Kein One-Hit-Wonder
       
       Schulte, der in Buxtehude bei Hamburg lebt, ist von freundlicher Art, die
       sich nicht hinter Starallüren grell versteckt, ebenso kann er sich gut
       abgrenzen. Er wirkt, als wollte er nicht um jeden Preis gefallen:
       Vereinnahmungen durch Fans und Medien, wenn diese ihm allzu nah kommen,
       weist er mit einem Lächeln zurück, hart. Sein Ding ist sein Ding, so mag
       man dies verstehen. Er ist ein Kumpel, aber nicht rund um die Uhr. Er muss
       ohnedies nicht fürchten, ein One-Hit-Wonder zu bleiben, er kann sich,
       stimmlich wie kompositorisch, auf Fähigkeiten verlassen, die nicht auf
       Sternschnuppenhaftigkeit ausgelegt sind.
       
       Voriges Jahr war er auch am Hörspiel „Die Kinder der toten Stadt“
       beteiligt, ein „Musikdrama gegen das Vergessen“, das von den gefangenen
       Kindern im Ghetto Theresienstadt und ihrer Ermordung in NS-Todeslagern
       erzählt. Schulte singt und spricht die männliche Hauptrolle: eine bewegende
       Arbeit.
       
       Heute wird sein deutscher ESC-Nachfolger gewählt, Viertel nach acht in der
       ARD. Schulte, den man sich als ökologisch und sozial bewussten, historisch
       versierten Deutschen vorstellen muss, hatte ein famoses Jahr. Er weiß das
       selbst am besten. Jan Feddersen
       
       22 Feb 2019
       
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