# taz.de -- Ausstellung über Grönland: Jäger, Missionare und Schamaninnen
       
       > Von der Forschung zur Graphic Novel: Eine kleine Kulturgeschichte
       > Grönlands wird in den Nordischen Botschaften in Berlin ausgestellt.
       
 (IMG) Bild: „Die ersten Schritte“ – die Sprechblase ist leer, weil der Druck mehrsprachig angelegt ist
       
       Das Bild gibt Rätsel auf: Eine Stammesversammlung beobachtet am
       Nachthimmel, wie einer von ihnen zum riesigen Vollmond schwebt, auf dem
       sich ein Bär bewegt. Beschwörung? Drogenrausch? Nein, Umimmak, ein alter
       Schamane, reist ins Geisterreich, um mit seinem Hilfsgeist, dem Grizzly, zu
       sprechen.
       
       Die aquarellierte Zeichnung ist Teil einer eindrucksvollen
       Comic-Ausstellung zur Geschichte Grönlands in den Nordischen Botschaften in
       Berlin. Als flächenmäßig größte Insel innerhalb der Arktis-Region gehört
       Grönland zu Dänemark. Und für die Menschen dort zu den klimatisch
       unbehaglichsten Flecken der Erde.
       
       Trotzdem siedeln sich dort seit nunmehr 4.500 Jahren Menschen an. Dass das
       geografisch zu Nordamerika gehörende Land politisch zu Dänemark gehört,
       wissen nicht alle. Dänische Pfarrer gründeten im 18. Jahrhundert auf
       Grönland Missionen, es war der Beginn einer Kolonisierung. Erst 1953 begann
       dann ein Modernisierungs- und Reformprozess. Durch eine Verfassungsänderung
       wurde die Insel ein regulärer dänischer Verwaltungsbezirk.
       Unabhängigkeitsbestrebungen folgten, sodass 1979 eine eingeschränkte
       Selbstverwaltung eingeführt wurde.
       
       2009 erreichte Grönland schließlich Autonomiestatus, als Teil des
       Königreichs Dänemark. In den letzten Jahren wurden verschiedene Landesteile
       zum Weltkulturerbe erklärt. Dazu zählen nun das Eisfjord Ilulissat, die
       Kujataa-Wikingersiedlungen und seit 2018 auch das Aasivissuit-Nipisat, das
       seit Jahrtausenden ein Jagdgebiet ist.
       
       ## Historische Kleidungsstücke und ausgesuchte Artefakte
       
       Die vielfältige Geschichte dieses Inselreichs wird nun in wesentlichen
       Zügen in der von der Königlich Dänischen Botschaft in Berlin konzipierten
       Ausstellung „Qanga – Oqaluttuat“ („Erzählungen von damals“) in dem
       Gemeinschaftsgebäude der Nordischen Botschaften präsentiert. Es sind
       Comicbilder, die die Besucher*innen von der Prähistorie Grönlands bis hin
       zur Neuzeit führen und ihnen vor allem das Alltagsleben der
       unterschiedlichen Kulturen nahebringen sollen, die sich dort niederließen.
       
       Neben farbigen Comicseiten, die gerahmt auf mehreren, in der Form an
       Kayak-Boote erinnernden Tischen zu betrachten sind, veranschaulichen große
       Landkarten, in welchem Gebiet der riesigen Insel die jeweiligen Erzählungen
       zu verorten sind. Fundierte Begleittexte sowie historische Kleidungsstücke
       und ausgesuchte Artefakte – etwa die Kopie einer „Wolfsmensch-Maske“ und
       mehrere kunstvolle Walrosszahn-Schnitzereien – ergänzen die Comicbilder.
       
       Für den 1970 im südgrönländischen Narsaq geborenen Inuit Konrad Nuka
       Godtfredsen war die Möglichkeit, eine Graphic Novel über die Geschichte
       Grönlands zu machen, ein „großes Glück“, wie er es selbst bei der
       Ausstellungseröffnung formuliert. Der Illustrator besuchte 2006 das
       Nationalmuseum in Kopenhagen, das viele Fundstücke aus Grönland ausstellt.
       „Ich saß an einer kleinen Zeichnung, die den Archäologen Martin Appelt auf
       mich aufmerksam machte.“
       
       Die Zeichnung stellt einen Eisbären dar. „Wir kamen ins Gespräch und
       Appelt, selbst Comicfan, schlug mir vor, eine Graphic Novel über die
       Geschichte Grönlands zu machen. Ich hatte bisher noch keinen Comic gemacht,
       war aber durch die Lektüre von Hergés ,Tim und Struppi' und insbesondere
       Jean Girauds Western ,Leutnant Blueberry‘ geprägt, also begeisterte mich
       die Idee.“ Appelt, Forscher am Zentrum für Grönlandforschung, wird in der
       Ausstellung zitiert: „Die Idee zu den Comics entstand ausgerechnet bei
       Ausgrabungen an einem Dorset-Siedlungsplatz in Nordgrönland, als sich die
       neuen Erkenntnisse und Theorien nicht in traditionelle wissenschaftliche
       Vermittlungsformate fassen ließen.“
       
       ## Von Ackerbauern zu Fischfängern
       
       Dass aus der Kooperation nicht nur ein Buch, sondern gleich ein Zyklus von
       vier Bänden hervorgehen sollte, das hätte sich Godtfredsen zunächst nicht
       träumen lassen. Jedes der vier Comic-Alben spielt in einem anderen
       Landstrich und in einer bestimmten Epoche Grönlands. „Die ersten Schritte“
       behandelt die frühesten Einwanderungen aus Nordamerika vor 4.500 Jahren
       durch Paläo-Eskimos. „Hermelin“ handelt von einer Frau des Tunit-Volks um
       1100, die zur Schamanin ausgebildet wird. Die Tunit gelten seit dem 13.
       Jahrhundert als verschwunden und stellen deshalb für viele Inuit etwas
       Mystisches dar.
       
       In „Das Geschenk“ geht es um das Leben der Inuit im 18. Jahrhundert, die
       als geschickte Walfänger seit dem 16. Jahrhundert rege Handelsbeziehungen
       mit Europäern betrieben. Dann betritt der erste dänische Missionar, Hans
       Egede, Westgrönland, die Kolonisierung beginnt. „Die Narbe“ schließlich
       handelt von skandinavischen Wikinger-Siedlern zwischen dem 10. und 14.
       Jahrhundert, die sich den Klimaveränderungen anpassen, von Ackerbauern zu
       Fischfängern werden.
       
       Die Graphic Novels entstanden in Zusammenarbeit mit dem Dänischen
       Nationalmuseum und dem Schulbuchverlag Illinniusiorfik und richten sich vor
       allem an Schulkinder und Jugendliche, die so viel wie möglich über ihr Land
       erfahren sollen. Konrad Nuka Godtfredsen bezog für seine Arbeit ein Atelier
       im Museumsgebäude, wo er sich in ständigem Austausch mit Archäologen und
       Forschern jeder Epoche befand. Eine fruchtbare Zusammenarbeit: Reale
       Fundstücke wurden in die Handlungen verwoben, der neueste Forschungsstand
       wurde berücksichtigt.
       
       Godtfredsens naturalistische Zeichnungen sind von großer Genauigkeit, jedes
       Detail bis hin zur Namensgebung, jedes Kleidungsstück, jedes Jagdinstrument
       sollte authentisch aussehen. Eine Episode spielt im Kopenhagen des 18.
       Jahrhunderts. Die Zeichnungen entstanden weitgehend ohne digitale Mittel
       mit Tusche und Aquarellfarben und sind manchmal fast fotorealistisch und
       doch stets stimmungsvoll. Besonders beeindruckend sind seine nordischen
       Landschaften, aber auch intime zwischenmenschliche Szenen sowie mythische
       Sequenzen in der Erzählung von der Schamanin Ukaliatsiaq.
       
       ## Keine eigene Geschichtsschreibung
       
       Zwölf Jahre hat Godtfredsen an den vier Alben gezeichnet. Die Szenarios zu
       den letzten beiden Büchern hat Godtfredsens dänische Ehefrau Lisbeth
       Valgreen verfasst, die ihren Mann 2002 während ihres Studiums der „Arctic
       Studies“ in Nuuk auf Grönland kennengelernt hat. „Die Arbeit an der Graphic
       Novel war spannend. Aber manchmal auch anstrengend, da wirklich jedes
       Detail von den Experten noch mal überprüft wurde.“
       
       Besondere Bedeutung kommt dem Graphic-Novel-Geschichtsbuch vor allem
       deswegen zu, weil es in Grönland lange keine eigene Geschichtsschreibung
       gab. Die vier Bände sind auf Grönländisch, Dänisch und Englisch erhältlich.
       Auch deutsche Verlage sind schon an Godtfredsen und Valgreen
       herangetreten. Das macht auch in anderer Hinsicht Sinn: Zu Beginn der
       dänischen Kolonisation gab es auch eine deutsche Mission in Grönland.
       
       20 Feb 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralph Trommer
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Grönland
 (DIR) Graphic Novel
 (DIR) Kriegsgefangene
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