# taz.de -- Porträt des russischen Duos Ic3peak: Geflochtene Zöpfe
       
       > Das russische Gothic-Electro-Duo Ic3peak findet für seine Songs
       > bedrohliche Klänge. Am Donnerstag tritt es beim Berliner Festival CTM
       > auf.
       
 (IMG) Bild: Fast wie im Märchen: Ic3peak
       
       Das Duo Ic3peak aus Moskau macht es einem nicht leicht. Im neuen Track
       „Smerti bolsche njet“ (Es gibt keinen Tod mehr) treffen russischer Rap,
       Geschrei und hoher Gesang auf heftige Trap-Beats und düstere elektronische
       Melodien. Dazu Textzeilen wie „Mit meinen Goldketten ertrinke ich in diesem
       Sumpf“ und „Du wirst mit den anderen auf dem Platz geknebelt“.
       
       Im Videoclip verspeisen die beiden leichenblassen MusikerInnen rohes
       Fleisch vor dem Leninmausoleum, trinken unweit des Kreml Blut und spielen
       vor der Zentrale des Geheimdienstes FSB ein Klatschspiel, auf den Schultern
       von Polizisten einer Spezialeinheit sitzend. Warum machen sie das bloß? Und
       was sollen wir davon halten?
       
       Für russische Autoritäten schien die Antwort eindeutig: Das geht zu weit!
       Zahlreiche Konzerte der Band wurden 2018 auf Druck lokaler Behörden verlegt
       oder gar verhindert. Damit katapultierten sie das Duo aber nur noch mehr in
       die mediale Öffentlichkeit – auch außerhalb Russlands.
       
       ## Im Schutz in der Öffentlichkeit
       
       Ic3peak, das sind Nastja Kreslina und Nikolaj Kostiljew. Gerade haben sie
       ihre China-Tour beendet und sind direkt nach Berlin gekommen, bereit für
       das [1][Elektronikfestival CTM], und bleiben gleich einige Wochen in der
       Stadt. Im Gespräch sind es höfliche junge Menschen Mitte zwanzig in
       Hoodies. Sie mit geflochtenen Zöpfen, er mit kurzen, blonden Haaren.
       
       „Wir haben explizit den Weg in die Öffentlichkeit gesucht, um in deren
       Schutz unsere Tour zu Ende bringen zu können, damit sie nicht im
       Verborgenen weiterhin vom Geheimdienst sabotiert wird“, erklärt Kostiljew.
       „Das war damals wichtig, aber wir wollen keine politisierten Künstler
       werden. Von uns soll man das nicht erwarten“, ergänzt Kreslina. Überhaupt
       ist ihr bisheriges musikalisches Schaffen von überraschenden Wandlungen
       geprägt.
       
       Seit 2013 machen sie gemeinsam Musik. Statt einer musikalischen Ausbildung
       haben sie ein abgebrochenes Übersetzerstudium. Kostiljew, dessen Vater
       Dirigent und dessen Mutter Pianistin war, produzierte rohe, elektronische
       Klanglandschaften aus verlangsamten Beats, Rauschen und geisterhaften
       Sounds, durchbrochen von mal ätherischen, mal hysterischen Gesängen
       Kreslinas, die mit dem Operngesang ihrer Mutter aufgewachsen ist.
       
       Anfangs sangen sie die Texte noch auf Englisch. Sie handelten von
       Identität, Liebe und Sex. Ein Sound, der auf Moskauer Raves angesagt war.
       Mit ihren experimentelleren Alben „Fallon“ (2016) und „Vacuum“ (2017)
       entwuchsen sie der lokalen Szene und fanden ein internationales Publikum
       auf Onlineportalen wie Tumblr und Soundcloud.
       
       ## Futuristische Opern
       
       Dort wurden auch Indielabels auf Ic3peak aufmerksam. „Aber wir stellten
       fest, dass wir Promotion von anderen nicht brauchen. Wir sind eben
       Kontrollfreaks“, erzählt Kreslina. Musik, Video, Merchandising,
       Distribution – sie machen alles selbst. Genauso wie Begriffe, die sie sich
       lieber selbst verpassen, bevor andere es tun. Von audiovisuellen
       Terroristen über futuristische Opern sind sie nun bei Charakteren aus einem
       gruseligen russischen Märchen angekommen.
       
       Erst auf Konzertreisen im Ausland erkannten sie das Russische ihrer
       Identität, besteht doch großes Interesse an ihrer Herkunft. Daraus entstand
       das Bedürfnis, mit den Menschen im eigenen Land in einen Dialog zu treten.
       Bereits ihr vorletztes Album „Sladkaja Schisn“ (Das süße Leben, 2017) ist
       fast komplett in russischer Sprache.
       
       Kreslinas Stimme ist nach vorne gemischt, und damit wird auch ihr klar
       artikuliertes Lebensgefühl in dieser Welt, in diesem Land hörbar. Die Beats
       klingen heftiger, düsterer und eingängiger. Dazu kommen Folk-Elemente, wie
       zum Beispiel Anlehnungen an den traditionellen Gesang der Klageweiber. So
       wird auch ZuhörerInnen ohne Russischkenntnisse klar, dass das Leben nicht
       ganz so süß ist.
       
       In ihrem aktuellen Album „Skaska“ (Märchen), einer gruseligen Allegorie auf
       die russische Realität, spitzt sich dieses Gefühl in drastischen Klängen
       und grotesken Bildern zu. Aber das sollte einen nicht am Tanzen hindern,
       wozu die Musik von Ic3peak einlädt.
       
       „Wir sehen unser Projekt als ein Kommunikationsmittel. Die Leute sollen
       nicht abgeschreckt werden von abstrakten, schwer zugänglichen Sounds“,
       erklärt Kreslina die musikalische Wandlung. Während man also, von einer
       Sirenenstimme angelockt, auf einer Industriebrache alle Beklemmungen und
       Ängste wegravet, erklingt plötzlich ein verzerrtes Lachen, eine Horde
       Horrorgestalten taucht auf und trägt einen auf den Roten Platz, wo einem
       zwei Vampire in Hoodies einen Shot Blut anbieten. Zu gemütlich soll man es
       sich bei Ic3peak nicht machen.
       
       31 Jan 2019
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ina Hildebrandt
       
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