# taz.de -- Pro und Contra Habeck und das Internet: Habeck schießt den Vogel ab
       
       > Erst Thüringen beleidigt, dann bei Twitter und Facebook ausgetreten. Muss
       > sich Grünen-Chef Habeck besser unter Kontrolle haben?
       
 (IMG) Bild: Grinsebacke: Robert Habeck
       
       Ja: Der Anspruch, den wir an PolitikerInnen haben, hat etwas Bigottes. Sie
       sollen anregend und mitreißend sprechen, also bitte keine Stanzenroboter
       sein. Gleichzeitig wird jeder verbale Ausrutscher in den sozialen
       Netzwerken und den Medien böse bestraft, Halbsätze werden aus dem Kontext
       gerissen und hämisch skandalisiert.
       
       Das kann man beklagen, aber so tickt der polit-mediale Betrieb nun mal. Wer
       sich in dieses Spiel begibt, muss die Spielregeln beherrschen. Auch Robert
       Habeck. Der Grünen-Chef ist ein grandioser Redner, der seine Gedanken
       manchmal erst beim Sprechen entwickelt. Nur neigt er dazu, über das Ziel
       hinauszuschießen. Seine größte Stärke ist auch seine größte Schwäche.
       
       Habeck stieß im Oktober die Bayern vor den Kopf. In einem auf Twitter
       veröffentlichten Video sagte er, dass die CSU-Alleinherrschaft beendet
       werden müsse, damit es in Bayern endlich wieder Demokratie gebe. Auch seine
       [1][aktuellen Sätze über Thüringen] erwecken den Eindruck, dass er einem
       Bundesland die Demokratie abspreche. Natürlich würde kein vernünftiger
       Mensch Habeck unterstellen, dass er wirklich meinte, was er sagte. Es waren
       Versprecher, mehr nicht. Doch diese Versprecher richteten Schaden an. Auch
       gut gemeinter Unfug bleibt Unfug.
       
       Ohne Not lieferte Habeck den Konservativen und Rechten Munition, die den
       Grünen Überheblichkeit unterstellen. Ein Profi muss beides können:
       leidenschaftlich reden – und präzise bleiben. Als Minister einer
       Bundesregierung würde von Habeck zu Recht erwartet, dass er sein
       Sprachbesteck beherrscht.
       
       Ein Abschied von Twitter löst das Problem übrigens nicht. Jeder ist selbst
       für das verantwortlich, was er kommuniziert. Und verquatschen kann man sich
       auch vor einer Fernsehkamera. Habeck müsste trotz oder gerade wegen seines
       Sprachtalents daran arbeiten, präziser zu werden – und er müsste sein Team
       anweisen, ihn im Zweifel zu bremsen. (Ulrich Schulte)
       
       *** 
       
       Nein: Es stimmt, Robert Habeck hat Fehler gemacht. Der Grünen-Chef ist im
       Eifer des Wahlkampfgefechts mehrfach übers Ziel hinausgeschossen. Aber
       sollte er deshalb kontrollierter auftreten und sich stärker kontrollieren
       lassen von seinen Mitarbeiter*innen? Um Himmels willen, nein!
       
       Wenn die Republik eines ganz bestimmt nicht braucht, dann einen weiteren
       Politiker, der die Menschen mit Politsprech und PR-seichten Satzbausteinen
       in die Politikverdrossenheit treibt. Schon jetzt sorgt eine Armada von
       Pressesprecher*innen dafür, dass Spitzenpolitikern alles Spontane und
       Authentische ausgetrieben wird. Im Ergebnis machen so manche Politiker
       viele Worte, mit denen wenig bis nichts gesagt wird. Habecks große Stärke
       ist, dass er immer echt wirkt und sich den Phrasensprech auch nach zehn
       Jahren als Politiker nicht wie eine zweite Haut übergestreift hat. Er ist
       das Gegenteil der Bundeskanzlerin oder auch des Finanzministers Olaf Scholz
       – der früher zu Recht „Scholzomat“ genannt wurde.
       
       Beide haben die Kunst des Formulierens inhaltsloser Sätze perfektioniert.
       Habeck ist einer, der auf Fragen tatsächlich antwortet. Wenn man solche
       Politiker will, dann darf nicht aus jedem verbalen Fehltritt ein Popanz
       gemacht werden. Es kann doch niemand ernsthaft annehmen, dass Habeck
       Thüringen oder Bayern als undemokratisch ansieht. Es waren Aussetzer,
       Versprecher, die jedem, der ein so hohes Arbeitspensum zu bewältigen hat
       und auch noch Familienvater ist, passieren können.
       
       Sich von Twitter abzuwenden und den Account zu löschen, wie Habeck es nun
       tut, ist die falsche Entscheidung. Sie wirkt panisch. Versprecher können
       auch auf anderen Kanälen passieren, bei ei- nem TV-Auftritt oder in einer
       ganz altmodischen Livediskussion im Radio. Die Öffentlichkeit sollte
       vielmehr lernen, mit Fehlern von Politikern wie Habeck etwas gnädiger und
       gemäßigter umzugehen. Politiker, die Fehler machen, sind allemal besser als
       solche, die nichts sagen. (Silke Mertins)
       
       7 Jan 2019
       
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