# taz.de -- BAMF und die Technik: Digital, aber nicht besser
       
       > Das BAMF versucht mit Technik, die Herkunft Geflüchteter zu ermitteln.
       > Doch die Systeme sind teuer und fehleranfällig.
       
 (IMG) Bild: Geflüchteter trocknet auf einer Straße in Gibraltar sein Handy
       
       Eine Software, die anhand einer Sprachaufnahme ermitteln soll, wo jemand
       herkommt. Eine Software, die arabische Namen einheitlich ins lateinische
       Buchstaben überträgt und Hinweise geben soll, wo dieser Name üblich ist.
       Ein System, das Lichtbilder mit bereits bekannten Gesichtern abgleicht. Ein
       Gerät, das Handys auslesen kann und ermittelt, wohin ein Mensch telefoniert
       und in welcher Sprache er SMS schreibt. Das sind vier Systeme, die das
       Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) im Herbst 2017 mit großer
       Pressebegleitung vorstellte.
       
       Schon seit gut einem Jahr sind diese neuen Tools nun im Einsatz. Das BAMF
       ist stolz auf auf sie, die Dialekterkennung wurde bei einem
       eGovernment-Preis als „Bestes Digitalisierungsprojekt 2018“ ausgezeichnet.
       Und der damalige IT-Leiter Markus Richter stieg zum Vize-Chef der
       Asylbehörde auf. Über Probleme redet das BAMF nicht gern.
       
       Kommt jemand ohne Pass in Deutschland an, kann das BAMF die Daten auf
       seinem Handy auslesen. Aus Anruflisten, Textnachrichten, Ortsdaten und
       Nutzernamen erstellt ein Programm Statistiken, die die BAMF-Mitarbeiter,
       die über Asylanträge entscheiden, unterstützen sollen. Der Antragsteller
       hat zu 43 Prozent syrische Vorwahlen angerufen und sich in Thessaloniki
       aufgehalten, könnte dann da stehen. Diese Angaben sollen
       Behördenmitarbeiter bei der Einschätzung helfen: stimmt die Biografie, die
       die geflüchtete Person ihnen erzählt?
       
       Nun dürfen Handydaten nicht einfach so ausgewertet werden: es braucht dafür
       eine Genehmigung eines Juristen mit zweitem Staatsexamen. Doch auch so ist
       diese Maßnahme ein tiefer Eingriff in die Privatsphäre der Antragsteller.
       Man stelle sich nur den Widerstand vor, den es hervorrufen würde, wenn
       irgendeine andere Behörde zur Überprüfung eines Antrags Zugriff aufs
       Smartphone des Antragstellers verlangen würde.
       
       Und wie so oft bei Überwachungsmaßnahmen wachsen auch in diesem Fall die
       Begehrlichkeiten, wenn man erst einmal mit dem Zugriff auf Daten begonnen
       hat: Man prüfe die „technischen und rechtlichen Möglichkeiten“, die
       Handyauswertung auszuweiten, antwortete das Innenministerium Mitte Dezember
       auf eine Kleine Anfrage der Linkspartei im Bundestag. Schon die ehemalige
       BAMF-Chefin Jutta Cordt forderte in einem SWR-Interview im November 2017
       Zugriff auf die Fotos der Geflüchteten.
       
       ## Der Nutzen ist zweifelhaft
       
       Nun ist aber der Nutzen der Smartphoneanalyse zweifelhaft. Nur in 35
       Prozent der Fälle habe es verwertbare Informationen gegeben, in zwei
       Prozent der Fälle seien Widersprüche festgestellt worden: Auch das
       antwortet das Innenministeriums auf die Kleine Anfrage der Linkspartei. Und
       hinzu kommt: Wer fürchtet, sein Gerät könnte Informationen preisgeben, die
       sich negativ auf seinen Asylantrag auswirken, wird es kaum mitbringen. Das
       Innenministerium schreibt: Einzelfälle von eigens präparierten Telefonen
       seien bekannt.
       
       Die Analysetools des BAMF sind extrem teuer: Für die Handyauswertung
       [1][rechnet das Innenministerium] bis Ende des Jahres 2019 mit insgesamt
       11,2 Millionen Euro, für die Dialekterkennung mit 2,1 Millionen. Für
       Transliteration und Analyse von arabischen Namen sollen weitere 3,1
       Millionen Euro fällig werden.
       
       Die Transliteration soll verhindern, dass Namen nicht einheitlich in
       lateinische Buchstaben übertragen werden. In der Vergangenheit sind so
       Doppeldeutigkeiten entstanden, Antragsteller tauchten mehrmals im System
       auf. Zusätzlich gibt es den Entscheidern Hinweise wie „Der angegebene Name
       kommt im angegebenen Land Syrien selten vor. Im Land Ägypten kommt er
       häufiger vor“.
       
       Brauchbar sind die Ergebnisse oft nicht. Bei Ländern wie Syrien oder dem
       Irak erreiche das BAMF Erfolgsquoten von 85 bis 90 Prozent, sagt das
       Innenministerium. Bei Maghreb-Staaten seien es jedoch nur 35 Prozent,
       vermutlich wegen der „historisch entstandenen Vermischung mit der
       französischen und italienischen Sprache“. Anders ausgedrückt: In 65 Prozent
       der Fälle liegt die Software bei der Transliteration schlicht falsch.
       
       ## Gefährliche Fehler
       
       Wenn die IT-Tools falsch liegen, bringt das Menschen in Gefahr. Entweder
       jemand lügt und es wird nicht erkannt oder jemand sagt die Wahrheit und
       dennoch entstehen Zweifel. Das ist besonders gefährlich, weil die
       Prozentangaben auf den Auswertungsbögen der IT-Systeme Objektivität und
       Sicherheit vorgaukeln. Doch was genau sollen die BAMF-Mitarbeiter mit den
       Prozentzahlen anfangen, die die Systeme ihnen ausspucken?
       
       Als Ergebnis der Dialektanalyse zum Beispiel könnte BAMF-Mitarbeitern
       angezeigt werden, dass eine Sprachprobe zu 76,2 Prozent Wahrscheinlichkeit
       auf Golf-Arabisch hindeutet, zu 21,3 Prozent auf Levantinisches Arabisch
       und zu 2,5 Prozent auf Hebräisch. Eindeutige Ergebnisse sehen anders aus.
       Die Zahlen klingen exakt und wissenschaftlich. Aber das BAMF weiß, dass die
       Software nicht perfekt ist. In 15 Prozent der Fälle liege sie falsch, sagt
       die Behörde selbst.
       
       Wer viele Entscheidungen in kurzer Zeit treffen muss, wird schnell
       verleitet, sich auf die maschinell erstellten Ergebnisse zu verlassen. Das
       BAMF gibt seinen Mitarbeitern zwar vor, Entscheidungen seien immer in
       Anbetracht aller vorliegenden Hinweise zu treffen – doch [2][Vice
       Motherboard hat bei Recherchen] Menschen getroffen, deren Asylanträge in
       Gefahr gerieten, obwohl andere Hinweise dafür sprachen, dass ihre
       Herkunftsangaben stimmten. Obwohl sie in Grundrechte eingreifen, teuer und
       fehleranfällig sind, hält das BAMF an seinen IT-Systemen fest. Es legt so
       das Schicksal Geflüchteter in die Hände undurchsichtiger Algorithmen und
       Datengrundlagen von Software.
       
       29 Dec 2018
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://motherboard.vice.com/de/article/kzv5v3/sprachanalyse-handyauswertung-bamf-it-fluechtlinge-herkunft
 (DIR) [2] https://motherboard.vice.com/de/article/a3q8wj/fluechtlinge-bamf-sprachanalyse-software-entscheidet-asyl
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anna Biselli
       
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