# taz.de -- Kolumne Minority Report: Seehofers Treibstoff
       
       > Was der Attentäter von Bottrop an Silvester getan hat, hat auch zu tun
       > mit der Rhetorik des Innenministers. Der kennt die Macht der Propaganda.
       
 (IMG) Bild: Neujahr in Bottrop: Absperrband der Polizei an einem Teil der Osterfelder Straße
       
       Wer am vergangenen Mittwoch die Tagesschau [1][gesehen] hat, bekam eine
       Ahnung davon, was uns in diesem noch jungen Jahr erwartet: Handyvideos von
       Augenzeug_innen zeigten, wie Andreas N. in der Silvesternacht in Bottrop
       und Essen mit seinem Auto in Menschenmengen fuhr, mit der klaren Absicht,
       „Ausländer zu töten“ – wie er selbst gleich nach der Tat zu Protokoll gab.
       
       Die nächste Nachricht: „Bundesinnenminister Seehofer fordert schärfere
       Abschieberegeln.“ Ist das Zufall? Ich behaupte: nein. Was Andreas N. getan
       hat – ob wir es nun Terror, Amok oder Attentat nennen –, ist schwer zu
       trennen von der Rhetorik des Innenministers seit Minute eins seiner
       Amtszeit: Flüchtlinge abschieben, Flüchtlinge nicht reinlassen, jedes akute
       Problem auf Flüchtlinge zurückführen.
       
       Natürlich war es nicht Seehofer, der in der Silvesternacht am Steuer des
       silbernen Mercedes saß. Aber wer kann noch leugnen, dass Seehofers Worte
       sich ausgezeichnet als Treibstoff für rechtsextreme Anschläge eignen?
       
       Oder sind Parolen wie „Migration ist die Mutter aller Probleme“ oder
       [2][„Ich wäre in Chemnitz auch auf die Straße gegangen“] etwa als
       Schlichtungsversuche zu deuten? Der Innenminister ist nicht der Einzige in
       diesem Land, der solche Hetze betreibt. Nur ist er derjenige, der auf einem
       Posten sitzt, von wo aus jeder Fussel von einem Gedanken zur Nachricht
       wird. Er weiß es, er nutzt es. Wir alle kennen die Macht von Propaganda,
       wir haben von ihr in der Schule gelernt. Wie sollte er sie nicht kennen?
       
       ## Omnipräsenter Gefährder-Diskurs
       
       Und während sich nun Stimmen häufen, die Andreas N.s Tat als Einzelfall
       eines psychisch Kranken erklären wollen, legt der Täter in seiner
       Vernehmung nach: Er habe gezielt Jagd auf „Kanaken“ und „Schwarzfüße“
       gemacht, die sich auf Kosten des Staats bereicherten und für ihn keine
       Menschen seien. Er habe Anschlägen durch syrische und afghanische
       Flüchtlinge zuvorkommen wollen. Was soll man sagen? Der omnipräsente
       Gefährder-Diskurs scheint Früchte zu tragen. Auch wenn
       demokratiegefährdende Tendenzen offensichtlich viel mehr vom
       Innenministerium ausgehen als von Asylsuchenden.
       
       So wichtig es nämlich ist, dass Andreas N.s Schuldfähigkeit untersucht wird
       wie bei jedem anderen Täter auch, sollte jetzt keiner so tun, als sei das,
       was er in Vernehmungen sagte, irgendwie „krude“ oder „paranoid“ oder auch
       nur einzigartig. Was der Mann sagt, deckt sich inhaltlich eins zu eins mit
       Aussagen, die auch im Bundestag gemacht werden, oder in Pressekonferenzen
       des Innenministers.
       
       Es ist nicht erst dann rassistisch, wenn jemand „Kanake“ sagt. Rassistisch
       ist die gesamte Migrationsdebatte der letzten Jahre, die Panikmache vor den
       „Anderen“, das Runterspielen von rechtsextremen Übergriffen. Rassismus hat
       Andreas N. angetrieben, mit dem Auto Menschen anzufahren. Rassismus ist die
       einzige Basis, auf der Seehofer Politik betreibt.
       
       7 Jan 2019
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-489379.html
 (DIR) [2] https://www.general-anzeiger-bonn.de/news/politik/deutschland/Seehofer-W%C3%A4re-in-Chemnitz-auch-auf-Stra%C3%9Fe-gegangen1-article3935904.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Fatma Aydemir
       
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