# taz.de -- Kolumne Habibitus: Was für persönliche Betroffenheit?
       
       > Rassismus ist kein Racheakt. Wer den Anschlag von Bottrop mit
       > persönlichen Problemen des Täters begründet, legitimiert Rassismus.
       
 (IMG) Bild: Aus rassistischen Motiven fuhr der Täter in der Silvesternacht gezielt in eine Fußgängergruppe und verletzte vier Menschen schwer
       
       Ein 50-jähriger weißer Deutscher will an Silvester mal was anderes als nur
       Böller knallen lassen, pumpt noch mal ein paar rassistische Fantasien und
       steigt in seinen Benz. In Bottrop und Essen checkt er Menschen nach ihrem
       Aussehen aus und fährt gezielt jene an, die er als „Ausländer“ markiert.
       Acht Menschen verletzt er, einen davon schwer.
       
       Was für manche nach dem perfekten Blockbuster für ihren reaktionären Onkel
       Detlef klingt, ist ein rassistischer Terroranschlag, der sich vor einigen
       Tagen tatsächlich so abgespielt hat. Obwohl sich der Täter Andreas N.
       selbst dazu bekennt, aus rassistischen Motiven heraus gehandelt zu haben,
       sprechen Journalist_innen in ihrer Berichterstattung von
       „Fremdenfeindlichkeit“ – als ob es genauso gut einen weißen US-Amerikaner
       oder eine weiße Dänin hätte treffen können.
       
       2019 klingelt Sturm und man muss Journalist_innen immer noch erklären, dass
       nicht alle, die nicht wie sie aussehen, „fremd“ sind. Silvester in NRW, als
       wäre Karneval nicht schon belastend genug. Schafft Deutschland es diesmal,
       nicht in [1][rassistische Debatten] zu schlittern? Für Wünsche nach einem
       guten Rutsch ist es zu spät.
       
       ## Nicht nur Nazis sind gewaltbereit
       
       Während selbst die Behörden die Amokfahrt als Terroranschlag einstufen (und
       trotzdem nach pathologischen Ursachen suchen), hat für den
       NRW-Innenminister Herbert Reul nichts mit nichts zu tun. Da bisher nicht
       bekannt ist, ob der Täter in der Neonazi-Community ein- und ausging – als
       ob nur Nazis gewaltbereite Rassist_innen sein könnten –, betrachtet er die
       Tat nicht als politisch motiviert, sondern eher als „allgemein-kriminell“.
       Der Mann habe eher „aus einer persönlichen Betroffenheit und Unmut heraus
       dann Hass auf Fremde entwickelt“.
       
       Was für persönliche Betroffenheit? Selbst, wenn ihm eine nicht-weiße Person
       alle möglichen Arten der Gewalt angetan hätte, wäre es keine Rechtfertigung
       für einen rassistischen Terroranschlag – und auch die Formulierung
       „persönliche Betroffenheit“ wäre weiterhin ein unpassender Move. Sein Hass
       auf „Fremde“ – da wo ich herkomme, nennt man das übrigens Rassismus – ist
       kein Racheakt.
       
       Das würde bedeuten, dass die Existenz von Personen of Color in Deutschland
       – egal ob hier geboren oder her migriert – schon an sich eine Form der
       Gewalt an weißen Deutschen sei. Jedoch wird weißen Deutschen durch Schwarze
       Menschen, People of Color, Geflüchteten und Migrant_innen weder etwas
       weggenommen, noch angetan.
       
       Wenn überhaupt, verdankt Deutschland ihnen sein „Wirtschaftswunder“, die
       Entwicklungsarbeit in kulinarischen Angelegenheiten und eine Menge mehr.
       All das ist aber auch wenig relevant, denn selbst, wenn wir Deutschland
       keinen Profit beschert hätten, besäße trotzdem kein einziger Deutscher das
       Recht, uns ohne unsere Erlaubnis auch nur mit dem Finger anzurühren. Würden
       wir der Person, die es trotzdem tut, den Finger brechen, sprechen wir
       tatsächlich von einer Tat aus persönlicher Betroffenheit – nämlich unserer.
       
       3 Jan 2019
       
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