# taz.de -- Studierendenproteste haben Erfolg: Mehr Geld für Unis in Kolumbien
       
       > Nach monatelangen Protesten hat die kolumbianische Regierung zugestimmt,
       > die Ausgaben für die öffentlichen Universitäten zu erhöhen.
       
 (IMG) Bild: Farbe bekennen: Protest in der Hauptstadt Bogotá
       
       Bogotá taz | Sein Kopf liegt auf den Fliesen in einer Blutlache. Auf Höhe
       der Augen ist eine rote Masse. Esteban Mosquera, Musikstudent aus Popayán,
       hatte für die Rettung der chronisch unterfinanzierten öffentlichen Unis
       demonstriert. Wieder einmal reagierte der Esmad, die berüchtigte
       Antiaufstandseinheit der Polizei, auf friedliche Proteste mit Gewalt. Am
       Donnerstag kostete das Esteban das linke Auge.
       
       Die Bilder aus Popayán verbreiteten sich wie ein Lauffeuer. Wenige Stunden
       später lenkte die Regierung ein. Am Freitag unterzeichnete Präsident Iván
       Duque in Anwesenheit von Studierendenvertretern ein historisches Abkommen:
       5,8 Billionen Pesos (1,62 Milliarden Euro) wird Kolumbien in den kommenden
       vier Jahren in die Hochschulbildung investieren. So viel wie noch nie.
       
       Bis Freitag hatte sich Präsident Iván Duques strikt geweigert, mehr als 500
       Milliarden Pesos (140 Millionen Euro) zusätzlich für die Hochschulbildung
       auszugeben, von denen auch nur gut die Hälfte den öffentlichen
       Universitäten zugute gekommen wären.
       
       Die Studentenvereinigungen nennen die jetzige Vereinbarung einen ersten
       wichtigen, aber unzureichenden Schritt. Allein bei den Betriebskosten haben
       die öffentlichen Unis ein Defizit von 3,2 Billionen Pesos (896 Millionen
       Euro) angesammelt. Noch größer ist die „historische Schuld“: Seit 25 Jahren
       ist das Budget für die öffentlichen Unis gleich geblieben, während die
       Studentenzahlen sich fast vervierfacht haben.
       
       ## Einstürzende Bildungsbauten
       
       So fehlen 15 Billionen Pesos (4,2 Mrd. Euro), die sie hätten in
       Infrastruktur und Qualität der Bildung investieren müssen. Die Folge:
       Kolumbiens öffentliche Universitäten brechen zusammen. Wortwörtlich. Immer
       wieder stürzen Gebäude ein, weil sie baufällig sind. Allein an der
       Universidad Nacional in Bogotá sind 72 Prozent der Gebäude in einem
       desaströsen Zustand – in einer Stadt, in der regelmäßig die Erde bebt und
       es in der Regenzeit zu sintflutartigen Güssen kommt.
       
       Das Geld reicht nicht einmal, um die Gehälter zu bezahlen. Selbst ein
       Verwaltungsgericht hat daher den finanziellen Forderungen der Studenten
       Recht gegeben. Es verdonnerte im November die Regierung dazu, das Recht auf
       Bildung endlich zu gewährleisten und ausreichend Geld ins System zu stecken
       – und zwar ins öffentliche.
       
       Seit Oktober hatten Studierende, DozentInnen und RektorInnen von 27 der 32
       öffentlichen Universitäten gestreikt. Das Semester fiel praktisch aus.
       Hunderttausende gingen in zehn landesweiten Demonstrationen auf die Straße,
       um für die Rettung des Bildungssystems zu demonstrieren. Auch
       SchullehrerInnen, Eltern, Großeltern und Gewerkschaften schlossen sich den
       Protesten an, die mit Gesängen, Tanz und buntbemalten Plakaten bei allem
       Ernst durchaus kreativ waren.
       
       Nicht nur die Bildungsmisere machte die Demonstranten wütend. Die
       Korruption frisst immer noch das nötige Geld. Laut dem Think Tank
       Dejusticia verschwinden in Kolumbien so alljährlich 14 Milliarden Euro. Die
       Regierung, so die Kritik, setze außerdem falsche Prioritäten. Nach mehr als
       50 Jahren bewaffneten Konflikts zwischen Staat und Farc-Guerilla sei nun
       Bildung der wichtigste Schritt zu dauerhaftem Frieden. Stattdessen werden
       im Haushalt 2019 die Militärausgaben erhöht.
       
       ## Völlig unverhältnismäßige Polizeigewalt
       
       Mitglieder der Regierungspartei und Ex-Präsident Uribe verunglimpften die
       Studierenden. Präsident Duque weigerte sich, mit ihnen zu reden. Statt
       dessen fand er Zeit für Popstars. Zuletzt forderten die Demonstranten, ihr
       Recht auf friedlichen Protest zu respektieren.
       
       Denn obwohl selbst die Stadtverwaltungen mehrfach betonten, dass die
       Demonstrationen überwiegend friedlich verliefen, reagierte der Staat mit
       unverhältnismäßiger Gewalt. Der Esmad, die berüchtigte
       Antiaufstandseinheit, die die Polizei bei Demos einsetzt, ging mit
       Tränengas und Wurfgeschossen auf Demonstrierende los. Fotos und Videos
       belegen, dass es sich nicht um „Zusammenstöße“ handelte, wie viele Medien
       beschönigend sagten, sondern dass die Polizisten tatsächlich
       Demonstrationszüge angriffen.
       
       Zivilpolizisten mischten sich unter die Demonstrierenden, versuchten, diese
       anzustacheln, oder warfen Gegenstände auf Polizisten. Wohl um die
       Polizeigewalt als Reaktion zu rechtfertigen. Auch Journalisten wurden an
       der Arbeit gehindert. Wie viele zeitweise Festgenommene und Verletzte es
       insgesamt gab, lässt sich nicht genau sagen. SprecherInnen der
       Studentenorganisationen erhielten Morddrohungen und daher Personenschutz.
       
       Die landesweiten Proteste haben einiges verändert. Zum ersten Mal seit 1971
       saßen Regierung und Studierendenorganisationen an einem Verhandlungstisch.
       Obwohl Studentenvertreter noch vor einer Woche pessimistisch waren, haben
       sie Rekordinvestitionen erreicht. „Das zeigt, dass Kämpfen etwas bewirkt“,
       sagte Jennifer Pedraza, eins der prominentesten Gesichter der
       Studentenvertreter.
       
       Sie und ihre Mitstreiter kündigten an, dass damit längst nicht Schluss sei.
       Das Geld sei nicht ausreichend. Auch fehle eine wirkliche Bildungspolitik.
       Über zinsfreie Bildungskredite gibt es auch keine Vereinbarung. Diese sind
       eine Hauptforderung der Studierenden, weil wegen horrender Zinsen derzeit
       etwa 50.000 KolumbianerInnen hoffnungslos verschuldet sind.
       
       Außerdem müsse im kommenden Jahr weiter verhandelt und kontrolliert werden,
       wie das zugesagte Geld verteilt wird. Denn auch im Bildungssystem sind
       wegen Misswirtschaft und Korruption Ressourcen versickert. Auch die
       Polizeigewalt müsse Konsequenzen haben.
       
       17 Dec 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Katharina Wojczenko
       
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