# taz.de -- Der Gelbe-Westen-Aufstand in Frankreich: Nächste Kraftprobe in Paris
       
       > Die Bewegung „Gilets jaunes“ ruft abermals zu Protesten gegen
       > Preiserhöhungen für Treibstoff auf. Die Regierung antwortet mit
       > Repression.
       
 (IMG) Bild: Ein-Mann-Demo gegen eine Erhöhung der Treibstoffpreise am Donnerstag in La Mede bei Fos-sur-Mer
       
       Paris taz | An den Straßensperren und Blockaden der „Gilets jaunes“ vor
       Tankstellen oder Einkaufszentren wird heftig diskutiert: Wie soll die
       Bewegung gegen die von der französischen Regierung geplante
       Treibstoffpreiserhöhung weitergehen? Am Samstag soll eine Kundgebung in der
       Hauptstadt Paris stattfinden.
       
       Über die Frage, ob das eine gute Idee sei oder man nicht das ungünstigste
       Terrain für eine Kraftprobe gewählt habe, gehen die Meinungen auseinander.
       Der Mehrheit dieser Leute, die sich seit dem 17. November an den Aktionen
       beteiligen, fehlt das Geld dafür. Ihre Proteste richten sich insbesondere
       gegen die zusätzlichen Treibstoffabgaben ab dem 1. Januar: plus 7 Cent für
       Diesel, 3 pro Liter Benzin.
       
       An einer Sperre der „Gelben“ bei Toulouse verwirft ein etwa 50-Jähriger die
       Idee, nach Paris zu fahren: „Was sollen wir dort? In der Regierung sitzen
       lauter Autisten, die ohnehin nicht zuhören“, sagt er einem Fernsehreporter.
       Der Mann ist überzeugt, dass die lokalen Blockaden viel wirksamer seien,
       denn die Auswirkungen auf das Wirtschaftsleben würden spürbar.
       
       Seit Wochenbeginn bleiben die Laster mit ihren Warenlieferungen in Staus
       vor Sperren der „Gelben Westen“ immer wieder stecken, der Nachschub in den
       Verkaufsregalen wird mancherorts knapp. Vor allem aber fürchten die großen
       Einkaufszentren in der Provinz, die schon vor einer Woche bis zu 70 Prozent
       Verkaufseinbußen beklagt hatten, dass wegen Barrikaden vor ihren Toren die
       für den „Black Friday“ sehr zahlreich erwarteten Kunden ausbleiben.
       
       ## Zwei Tote und rund 500 Verletzte
       
       Die Regierung ist deswegen besorgt, will aber an ihrer
       Treibstoffpreispolitik grundsätzlich festhalten und droht mit Repression.
       Vereinzelte Demonstranten wurden bereits wegen Gewalt gegen Staatsbeamte zu
       Haftstrafen verurteilt. Die Staatsführung hofft, dass sich die öffentliche
       Meinung wegen der zahlreichen Zwischenfälle, die rund 500 Verletzte und
       [1][zwei Todesopfer gefordert] haben, gegen die Protestierenden wendet.
       
       Besonders gespannt ist die Lage auf La Réunion. Die französische Insel im
       Indischen Ozean ist seit sechs Tagen praktisch lahmgelegt. Die Aktionen von
       Bewohnern in gelben Warnwesten gegen die hohen Lebenskosten werden von
       einer gewaltsamen Revolte von Jugendlichen verschärft, bei der laut
       Innenministerium dreißig Polizisten verletzt wurden. Die Behörden haben
       deswegen eine nächtliche Ausgangssperre verordnet und zusätzliche
       Ordnungstruppen entsandt.
       
       Ihnen sagte Präsident Emmanuel Macron, es werde für solche Randale „keine
       Nachsicht“ geben. Im europäischen Mutterland aber möchte er einen „Dialog“
       suchen. Er hat dazu 2000 Bürgermeister eingeladen und hofft, dass sie seine
       Botschaft an ihre BürgerInnen weiterreichen. Beim jährlichen Treffen der
       „Maires“ aus den 36.000 Kommunen in dieser Woche wurde der Präsident wegen
       der zu knappen und weiter reduzierten Finanztransfers des Zentralstaats
       scharf kritisiert.
       
       Das Problem der Basisbewegung sind [2][fehlende Strukturen für eine
       nationale Koordination und repräsentative Gesprächspartner] für die
       Behörden. Französische und ausländische Medien haben einige Köpfe
       herausgepickt und so ihre „Wortführer“ erkoren.
       
       ## Vom Echo überrascht
       
       Die 33-jährige Priscilla Ludosky, die im Mai eine tausendfach
       unterzeichnete Petition gegen die Treibstoffpreise publiziert hat, kann als
       Initiatorin gelten. Die ehemalige Bankangestellte, die im Departement
       Seine-et-Marne im Osten von Paris ihren Lebensunterhalt mit dem
       Onlineverkauf von Kosmetik verdient und auf ihr Auto angewiesen ist, wollte
       gegen ihre laufend steigenden Ausgaben protestieren. Sie ist selbst
       überrascht von dem enormen Echo.
       
       Als Kopf der Bewegung wird von den Medien auch eine Hypnosetherapeutin in
       der Bretagne porträtiert. Sieben Millionen Internetnutzer haben sich
       bereits das Video angeschaut, in dem sich die 51-jährige Jacline Mouraud
       direkt an Präsident Macron richtet und ihn beschuldigt, mit den Abgaben
       klaue er „die Knete der Franzosen“.
       
       Ein gewisses Charisma hat auch der selbständige Schmied Christophe
       Chalençon mit seiner imposanten Statur und Stimme. Er ist der Sprecher der
       „Gelben“ im südfranzösischen Vaucluse und fordert eine nationale
       Organisation der Bewegung.gegen die „Oligarchie der Spitzenbeamten“. Ein
       unbeschriebenes Blatt ist er nicht in der Politik. Er hatte bei den
       Abgeordnetenwahlen von 2017 für eine rechte Splittergruppe kandidiert,
       danach aber die Macron-Liste unterstützt.
       
       Zur Kundgebung in Paris hat Eric Drouet, ein Lkw-Fahrer aus Melun bei
       Paris, aufgerufen. Er möchte, dass die „Gilets jaunes“ damit der
       unnachgiebigen Staatsführung den „Gnadenstoß“ geben.
       
       23 Nov 2018
       
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