# taz.de -- Der Konflikt um die Krim: Die Macht auf Stelzen
       
       > Eine Brücke spannt sich über eine Meerenge zwischen Krim und Russland.
       > Viele Anwohner erfüllt der Bau mit Stolz – doch manche verlieren so ihren
       > Job.
       
 (IMG) Bild: Geopolitik oder Nächstenliebe? Die Krim-Brücke lässt Russland näher rücken
       
       Kertsch taz | Ein neunzehn Kilometer langes silbernes Band spannt sich über
       die Meerenge von Kertsch, massive Stahlträger bohren sich bis zu fünfzig
       Meter tief in den Meeresgrund. Die Krim-Brücke ist die Antwort des
       russischen Präsidenten Wladimir Putin auf die Krim-Frage: sie zementiert
       den neuen, international nicht anerkannten Status quo der Halbinsel unter
       russischer Führung.
       
       Getragen wird die Megakonstruktion aber nicht nur von Stahl und Beton. Erst
       das verworrene Konglomerat aus politischen Versprechen und den Hoffnungen
       der Menschen verleiht dem Brückenbild seinen ikonischen Glanz. Ohne diese
       diskursive Stütze wäre das stählerne Bauwerk vielleicht längst wieder
       vergessen Allein die Existenz der Brücke ist ein Politspektakel. Während
       man im Westen von der „Krim-Krise“ spricht, hat sich auf der Halbinsel der
       „Krim-Frühling“ im Alltagsjargon etabliert.
       
       Die Einreise auf das okkupierte Territorium der Krim über Russland ist nach
       ukrainischem Recht verboten. Jeder Besuch gilt als stillschweigende
       „Billigung der Russischen Föderation als Staatsaggressor“ und als
       „Missachtung der Souveränität und Integrität der Ukraine“.
       
       Der ukrainisch-russische Grenzübergang ist ein Hochsicherheitstrakt aus
       Stacheldraht und Metall – passieren kann man ihn nur zu Fuß. Ausländer
       müssen eine spezielle Erlaubnis vorlegen, und um diese zu bekommen, müssen
       sie einen bürokratischen Hürdenlauf absolvieren.
       
       ## Nächtliche Einreise auf die Krim
       
       Gegen drei Uhr nachts ist die Grenzanlage vor Armjansk erreicht. Hier stößt
       man auf eine Realität, in der der russische Machtanspruch nicht länger nur
       Abstraktion ist. Grelles Scheinwerferlicht blendet, aus dem Schatten des
       ersten Wachhäuschens tritt ein ukrainischer Grenzsoldat. Seine jugendlichen
       Gesichtszüge sind unter der gefütterten Kapuze nur zu erahnen. Ungeduldig
       tritt er auf der Stelle, das Gewehr lose über die Schulter geworfen.
       
       Zwischen beiden Kontrollzonen liegen einige hundert Meter unbeleuchteter
       Asphalt. In diesem politisch überhitzten Raum verschmelzen die Metallzäune
       mit mannshohem Gebüsch, Stacheldrahtspiralen lauern unscheinbar im Gras.
       
       Reisende mit leichtem Gepäck hasten über den grauen Streifen, kalte Böen
       peitschen über sie hinweg. „Wohin?“, schmatzt ein milchbubiger russischer
       Beamter. „Zu meiner Tochter“, sagt eine Frau um die fünfzig. „Freunde
       besuchen, eine Geburtstagsfeier“, murmelt ein älteres Ehepaar kleinlaut.
       Und ein Rentner bittet: „Ich will einfach nur nach Hause.“ Antworten, die
       sich der junge Mann in seiner geputzten Uniform gelangweilt anhört. Hier
       und da hakt er stirnrunzelnd nach, geht ins Detail – wer, wohin, warum –
       nur um die Befragten mit einem „Der Nächste!“, stempelnd in die Nacht zu
       entlassen.
       
       Eigentlich dürfte es diese Grenze gar nicht geben. Denn: Die Annexion der
       Krim durch Russland gilt als völkerrechtswidrig. An den Außengrenzen der
       Krim materialisiert sich seitdem die Ausdehnung des russischen
       Machtbereichs. Die Grenzanlage mitten im Nirgendwo des spärlich besiedelten
       ostukrainischen Flachlands, sie ist nur eine Seite der Medaille.
       
       ## Auf der anderen Seite der Halbinsel: Die Brücke
       
       In der „Krim-Brücke“ auf der anderen Seite vereinen sich jene großen
       Versprechen, die Wladimir Putin seinen Wählern im Frühjahr 2014 gemacht hat
       – eine bessere infrastrukturelle Anbindung der Krim an Russland, wachsender
       Tourismus, Erleichterung des Warenaustauschs. Dass nicht alle von dem Bau
       profitieren, passt nicht zur Gewinnerrhetorik des Kreml.
       
       Deutlich wird das in Kertsch, traditionell kein Tourismusstandort, sondern
       eine Industriestadt. Die Brücke habe der wirtschaftlichen Entwicklung auf
       der Halbinsel einen „kräftigen Stimulus“ gegeben, heißt es aus dem
       Verkehrsministerium der „Republik Krim“. Bis vor Kurzem war der Fährhafen
       von Kertsch die einzige Möglichkeit, auf direktem Wege von Russland aus auf
       die Krim überzusetzen. Es ist der traditionelle Fährbetrieb, seit den
       Fünfzigern fester Bestandteil der Hafenstadt, unter den nun ein
       Schlussstrich gezogen werden soll.
       
       Vor Ort scheint es, als sei der Hafenbetrieb bereits eingestellt – die
       Sonne spiegelt sich auf blankem Asphalt statt auf den Windschutzscheiben
       wartender Fahrzeuge. Doch der Eindruck trügt: Ein Beamter schreitet
       bedächtig die Zaunreihen des Hafengeländes ab, einzelne Autos parken in der
       Nähe der Administration.
       
       Wenigstens das Kassenhäuschen ist besetzt, zwei routinierte Verkäuferinnen
       warten auf Kundschaft – vergeblich. „Heute wird die Brücke auch für den
       Lastwagenverkehr freigegeben. Momentan fährt bei uns gar nichts“, seufzt
       eine von ihnen. „Hier läuft die Liquidation. Der Besitzer wechselt, der
       Hafen wird vom Staat übernommen.“
       
       ## Die Brücke macht die Fährmänner arbeitslos
       
       Anna, die junge Pressesekretärin, führt noch einmal über das
       Betriebsgelände. „Im Sommer haben wir noch 18.000 Passagiere am Tag
       befördert“, sagt sie, ihr blondes Haar versucht sie vergeblich im
       Küstenwind zu bändigen. „Jetzt ist die Brücke die Hauptverbindung, um übers
       Wasser zu kommen. Nichts behindert die Brückenüberfahrt: Sie ist kostenlos,
       fahren kann man bei jedem Wetter.“
       
       Drei Fähren liegen am Anlegesteg, im Steuerhaus der „Protoporos“ steht
       Kapitän Alexei an seinem Platz. Er hat nichts zu tun – sein Schiff steht
       still. „Die Brücke wurde geöffnet und wir stehen auf Stand-by“, sagt er,
       den Blick sehnsüchtig in Richtung Port Kawkas an der russischen Küstenlinie
       gerichtet.
       
       Seit 2014 navigiert er hin und her zwischen den Häfen Kawkas, Krim und
       Kertsch, immer auf der Meerenge zwischen Russland und der Krim. „Schön war
       es im Sommer“, meint der Kapitän. Er weiß, wahrscheinlich ist das der
       letzte Sommer gewesen. „Das Schiff war voll, wir haben alle befördert –
       Belarussen, Ukrainer, Usbeken, Armenier, Deutsche und natürlich Russen. Wir
       haben gut gearbeitet.“ Gegen die stählerne Konkurrenz haben die Fähren
       keine Chance: 18,5 Millionen Passagiere wurden in den vier Jahren des
       Hafenbetriebs befördert und etwa 4 Millionen Pkws. Doch seit der Eröffnung
       Mitte August sind offiziellen Angaben zufolge bereits fast 2,3 Millionen
       Autos über die Brücke gefahren.
       
       Geeint in ihrer Liebe zum Meer, stehen Anna und Alexei am Panoramafenster
       und suchen die Wellen nach Delfinen ab. „Da ist wieder einer“, ruft sie. Im
       Sommer habe man die Delfine direkt neben dem Schiffsbauch beobachten
       können. Mittlerweile, einen Monat nach dem Gespräch, hat die Hafendirektion
       gewechselt. So wie die meisten anderen Hafenbeschäftigten sind auch
       Pressefrau und Kapitän erst einmal arbeitslos.
       
       ## Ein Symbol für die Verbundenheit mit Russland
       
       Arbeitsplatz hin oder her – an der Brücke haben die beiden trotzdem nichts
       auszusetzen. Scheinbar bereitwillig ergeben sie sich ihrem Schicksal. Schön
       sei sie, schnell gebaut. Der Glanz der Brücke ist greller als das Funkeln
       des Meeres. „Vielleicht ist es an der Zeit, zu gehen, nach Indien, Vietnam
       oder China“, sagt der Schiffsführer. „So ist es eben, unser Arbeitsplatz
       sind die Meere der Welt.“
       
       Für diejenigen Krim-Bewohner, die sich Russland zugehörig fühlen, ist die
       Brücke zu einem Symbol avanciert – an ihr können sie sich festhalten, ihre
       Errichtung konnten sie im Onlinelivestream oder auch auf dem zentralen
       Lenin-Platz in Kertsch verfolgen. An dem plakatgroßen Screen auf massiver
       Stehle bleiben trotzdem nur wenige Blicke hängen – an die Bilder, die auch
       ein halbes Jahr nach der Brückeneröffnung noch von ihrem Bau erzählen,
       haben sich die Menschen längst gewöhnt.
       
       Ein Rentnerpaar lädt ein in sein Haus am Asowschen Meer, zwanzig
       Autominuten vom Zentrum entfernt. Hühner begrüßen die Besucher, Weinreben
       umranken die liebevoll zusammengebauten Mauern. Nina Galkina und Aljoscha
       Galkin sind Anhänger von Präsident Putin, so viel wird schnell klar. Jeden
       Abend schauen sie das propagandagetränkte Staatsfernsehen, hängen an den
       Lippen ihres Präsidenten, dessen Abbild tagein, tagaus über die Mattscheibe
       des alten Röhrenfernsehers flimmert.
       
       ## „Jetzt sind wir wieder zu Hause“
       
       „Mit dem Brückenbau wird Putin in die Geschichtsbücher eingehen“, sagt Nina
       Galkin, während ihr Mann Aljoscha den Gästen hausgemachten Wein einschenkt,
       den Ertrag der letzten Ernte. Auf dem Etikett stehen zwei Wörter: „Krim
       Nasch“, Russisch für „Unsere Krim“.
       
       Auf dem Fenstersims im Durchgangszimmer, vor weißer Spitze, steht eine
       feingliedrige Porzellanfigur in ukrainischer Tracht. „Die wurden überall
       hingestellt damals, das war modern“, sagt die Hauswirtin. Anders als ihr
       Ehemann kommt Nina Galkina, die Leiterin einer Kolchose und
       Schiffsbauingenieurin war, aus der Westukraine – was sie nicht daran
       hindert, eine glühende russische Patriotin zu sein: „Als die Krim der
       Ukraine geschenkt wurde, war das, als hätte man Russland einen Arm
       abgeschnitten – jetzt sind wir wieder zu Hause.“
       
       Geht man an den Stränden von Kertsch spazieren, kann man Fischerboote
       beobachten und Dutzende Frachtschiffe. Bewegungslos treiben sie im Wasser,
       als seien sie auf der Horizontlinie aufgereiht. Außerdem im Sichtfeld:
       schwarze Militärschiffe, die sich wie Fremdkörper in die Idylle schieben.
       
       ## Geopolitik unter der Brücke
       
       Denn der ruhige Meerblick trügt: Auf dem Wasser spielt sich Geopolitik ab –
       live. Das Binnenmeer, dessen einzige Anrainerstaaten Russland und die
       Ukraine sind, ist zu einem heißen Konfliktherd avanciert. Zu einem
       Spielfeld, auf dem Russland der Weltöffentlichkeit seine militärische
       Dominanz über die Ukraine vorführt.
       
       Seit Juli kontrolliert der russische Grenzschutz verstärkt ukrainische
       Frachter – nach Angaben des Verkehrsministeriums der Ukraine waren am 16.
       Juli 148 Schiffe festgesetzt worden. Aktuell warten die Besatzungen oft
       mehrere Tage darauf, die neuen Brückenbögen passieren zu dürfen.
       
       Die Frachter verschiffen Waren aus den und in die ukrainischen Hafenstädte
       Berdjansk, Mariupol sowie in das russische Rostow am Don. Sie alle liegen
       an den Ufern des kleinen, salzwasserarmen Meeres – genauso wie das
       Fischerdorf Jurkinje auf der Halbinsel Kertsch.
       
       Sieben Fischer der dörflichen Brigade sind am Strand mit dem Ausbessern
       ihrer Netze beschäftigt. Gestern waren sie auf dem Wasser, doch heute ist
       es dafür zu windig. „Die großen Fischerboote der Ukraine haben das Asowsche
       Meer leer gefischt“, sagt Wassili. Außerdem leide die Wasserqualität unter
       der Schwerindustrie der nahegelegenen Hafenstädte – bis zur ukrainischen
       Uferseite seien es etwa 80 Kilometer.
       
       Auch Kertsch hatte früher eine starke Industrie – Schiffbau, Konserven,
       Nudelfabriken. Davon und auch von der Fischindustrie, sei nicht viel
       geblieben. „Der Fischerhafen von Kertsch verfügt zwar noch über Schiffe für
       den industriellen Fischfang, aber die großen Linien wurden verkauft“, meint
       der Fischer Wassili. Die russische Fischeraufsicht kontrolliert nun das
       Gewerbe: Jeder Fischfang muss angemeldet werden.
       
       ## Aljoscha Galkins erste Reise über die Brücke
       
       Zu Sowjetzeiten war der Klub der Fischer auf der Ulitsa Kirowa die
       wichtigste Fischkolchose der Stadt. Jetzt ist sie eine Ruine. „Alles wird
       von Russland aufgekauft, die Ufergrundstücke, der Hafen“, meint ein kleiner
       Herr, der das Grundstück bewacht. Ein Petersburger Investor habe das Land
       erworben, Wohnhäuser seien geplant. „Direkt am Ufer, Blick auf die neue
       Brücke, krasota – eine Schönheit“, kommentiert der Wächter zynisch.
       
       Was hat Wassili, der Fischer, zu der neuen Brücke zu sagen? „Sila!“, ruft
       er kämpferisch – das russische Wort für Kraft und Stärke – und reißt eine
       geballte Faust in die Luft. Er strahlt. Ein zweites „Sila“ auf die Frage,
       ob sich sein Leben nach der Krim-Annexion verändert habe.
       
       Wassili greift zur Nadel, mit der er gerade ein ausgeblichenes Netz mit
       einem neuen verbindet. Teuer war es, tausend Rubel pro Meter – gekauft in
       Krasnodar, auf der anderen Seite. „Bald fahren wir dem Brot hinterher“,
       sagt er lachend, den Sarkasmus in seiner Stimme versucht er gar nicht erst
       zu verstecken.
       
       Der Rentner Aljoscha Galkin lenkt seinen weißen Wolga aus Kertsch heraus
       durch steppenartige Felder – der Brücke entgegen. „Hier wurden Häuser
       abgerissen, und dort“ – er deutet auf zwei gelbe Häuserblöcke – „hat man
       den Anwohnern neue Wohnungen bereitgestellt.“
       
       Die Straße wird zur Brücke, wenige Autos schießen vorbei. Wolga – das sei
       ein robustes Auto für Kenner, erklärt der Rentner. Wir fahren gemächlich,
       gleiten geschmeidig über den Asphalt. Wie schnell er fahren dürfe, was auf
       den Schildern stehe? Aljoscha Galkin möchte alles richtig machen: Er fährt
       zum ersten Mal über die Brücke, die Putin ihm geschenkt hat. „Siebzig Jahre
       haben wir darauf gewartet“, sagt er leise. 19 Kilometer sind es
       einschließlich der Zufahrten von der einen zur anderen Seite, über
       unzählige Pfeiler und zwei gewaltige Bögen, die sich in 35 Meter Höhe über
       das Meer spannen.
       
       ## Die Verlierer von Taman
       
       Kaum am anderen Ende angelangt, hätte der Rentner am liebsten wieder
       kehrtgemacht. Weinberge vor dampfenden Fabrikgebäuden, morbide
       Häuserlandschaften: das ist das südrussische Taman. Im Café des Hotels
       Kapitän auf der Karl-Marx-Straße sitzen drei Mädchen am Tisch, über ihre
       Smartphones gebeugt.
       
       „Was sich mit der Brücke geändert hat? Nichts zum Besseren, im Gegenteil“,
       sagt die Tochter der Hotelbesitzerin. „Die Leute fahren vorbei, und niemand
       hält an, wir haben kaum noch Gäste. Taman ist eine Industriestadt, sie hat
       nichts zu bieten – kein Kino, keine Cafés. Die Leute wollen auf die Krim,
       wo es schöne Strände gibt.“In der Fußgängerzone von Kertsch gibt es eine
       kleine Bierstube. Sechs Jungs, Marinestudenten, sitzen auf zwei Sofas,
       trinken gezapftes Bier aus Plastikflaschen.
       
       „Die Brücke? Die wird bald zusammenbrechen“, sagt einer von ihnen. Man habe
       zu schnell gebaut, zu billig. „Ach Quatsch“, sagen die anderen. Die, die
       aufs Meer wollen, können nichts Gutes an der Brücke finden. Schließlich
       sehe die Situation an den Häfen schlecht aus – Kertsch als Umschlagplatz
       verliere weiter an Bedeutung.
       
       „Seit die Krim mit Sanktionen belegt ist, kooperieren immer weniger
       Reedereien mit uns“, meint Sascha. 2014 wurden die Krim-Bewohner
       automatisch zu russischen Staatsbürgern, nur wenige lehnten den russischen
       Pass ab. Gleichzeitig behielten die meisten ihren ukrainischen Pass. So
       auch Sascha: „Meinen ukrainischen Pass gebe ich nicht ab, die meisten von
       uns haben zwei Pässe.“
       
       Ihre Heimat ist zu ihrem Schicksal geworden – und mit einem Fluch belegt,
       der Reisebeschränkung heißt: „Für uns ist es schwierig, nach Europa zu
       kommen, nicht nur wegen des Gelds.“ Wenn man sich mit russischem Pass bei
       den Behörden vorstelle, werde der Visumantrag meist abgelehnt.
       
       Es wird dunkel, man trinkt an gegen die Kälte – mittlerweile auf einem
       schlecht beleuchteten Spielplatz in einer Plattensiedlung. Plötzlich kippt
       die Stimmung, als sich zwei Jungs einen verbalen Schlagabtausch liefern –
       linke und rechte Gesinnungen knallen aufeinander. Um ihre Freundschaft
       nicht aufs Spiel zu setzen, reden die beiden eigentlich nicht über Politik,
       die sei es nicht wert.
       
       „Hier gibt es nicht viel, fahrt lieber in den Süden – oder besucht das
       Dirka.“ Blicke werden gewechselt, als das Codewort fällt – die Jungs sind
       jetzt weit weg, jenseits von Weltpolitik und Brückenrealität. Sie
       unterhalten sich über einen inoffiziellen Treffpunkt der Kertscher Jugend,
       benannt nach einer Figur der griechischen Mythologie. Aus
       Handylautsprechern schallt nostalgischer Neunziger-Trash, sie wiegen sich
       zur Musik – gekämpft wird nur noch um das Passwort für den Internethotspot.
       
       21 Nov 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Elisabeth bauer
       
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