# taz.de -- Diskussion um Reform von Hartz IV: Wo Sanktionen wirken
       
       > Funktioniert Hartz IV ohne Druck? Eine Studie zeigt, dass bestrafte
       > Arbeitslose eher einen Job annehmen. Doch es gibt auch andere
       > Erkenntnisse.
       
 (IMG) Bild: Manche Studien sagen, dass sich Hartz-IV-Empfänger zurückziehen, wenn ihnen die Leistung gekürzt wird, dass sie erst recht vereinsamen
       
       Die Grünen wollen mit ihrer [1][Idee einer neuen „Garantiesicherung“] für
       die Leistungsempfänger jede Verpflichtung abschaffen, sich eine Arbeit zu
       suchen, um den Leistungsbezug zu beenden. „Die Menschen sollen nicht
       gezwungen werden, Termine mit dem Jobcenter zu machen oder Arbeit zu
       suchen.“ Beratung und Weiterbildung sollen „freiwillig“ sein, heißt es in
       dem Papier.
       
       Aber kann das überhaupt funktionieren, oder führt das nur dazu, dass die
       „Garantieleistung“ dann in Anspruch genommen wird ohne jeden Versuch, aus
       dem Bezug herauszukommen? Eine Antwort darauf kann man den diversen Studien
       entnehmen, die sich mit der Wirkung der durch die Jobcenter verhängten
       Sanktionen beschäftigen.
       
       Bisher sehen die Sanktionen vor, dass bei Ablehnung einer zumutbaren Arbeit
       30 Prozent des Regelsatzes gekürzt werden können, zunächst für drei Monate.
       Den Hartz-IV-Empfängern unter 25 Jahren kann sogar beim ersten Mal schon
       der gesamte Regelsatz gestrichen werden, die Unterstützung für die Miete
       ausgenommen. Wer nicht zum Termin erscheint und auch nach einem Mahnbrief
       nicht kommt, dem können zehn Prozent des Regelsatzes für drei Monate
       gestrichen werden. Diese sogenannten Meldeversäumnisse machen etwa drei
       Viertel der Sanktionen aus, heißt es bei der Bundesagentur für Arbeit.
       
       ## Gefahr der Vereinsamung
       
       Ein in diesem Jahr veröffentlichter [2][Überblick] des Instituts für
       Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit über
       mehrere Studien ergab, dass die Sanktionierung „erhöhte
       Eingliederungschancen“ bewirkte. Die bestraften Hartz-IV-EmpfängerInnen
       nahmen also danach eher einen Job an. „Es konnte ein schnellerer Übergang
       in Beschäftigung aufgrund der Sanktionierung nachgewiesen werden“, heißt es
       in der Metastudie. Das galt jedoch nur für einen Teil der Sanktionierten.
       
       Die Metastudie ergab nämlich auch, dass sich manche Hartz-IV-Empfänger vom
       Jobcenter zurückziehen, wenn ihnen die Leistung gekürzt wird, dass sie erst
       recht vereinsamen und sich schlechter ernähren, wenn das Jobcenter ihnen
       das Geld streicht oder damit droht. Es kam „auch zu einem verstärkten
       Abgang aus Arbeitslosigkeit durch einen Rückzug vom Arbeitsmarkt“, heißt es
       in dem IAB-Papier. Sogar Kleinkriminalität und Schwarzarbeit könnten durch
       die Sanktionen der Jobcenter zunehmen.
       
       Eine von der Linkspartei in Auftrag gegebene Zusammenstellung der Studien
       über Sanktionierungswirkungen ergab, dass Betroffene durch die
       Leistungskürzungen oder deren Androhung eher gelähmt werden und sich eben
       nicht stärker an die Anforderungen des Jobcenters anpassen.
       
       Als vor einigen Jahren die verschärften Sanktionen für junge Leute unter
       25 Jahren eingeführt wurden, stellte man zum Beispiel im Jobcenter
       Berlin-Neukölln fest, dass viele der Betroffenen Sucht- und
       Drogenprobleme hatten und die verschärften Sanktionierungen oder
       deren Androhung nur dazu führten, dass sie überhaupt nicht mehr beim
       Jobcenter auftauchten, sondern an den U-Bahn-Stationen oder anderswo
       anfingen zu betteln.
       
       ## Keine Modelle für neuen Vorschlag
       
       Was allerdings passiert, wenn kein Hartz-IV-Empfänger überhaupt noch dazu
       verpflichtet wird, eine Eingliederungsvereinbarung zu unterschreiben und
       sich um einen Job zu bemühen – dafür gibt es keine Modelle. Möglicherweise
       könnten die alten Ressentiments der erwerbstätigen Steuerzahler,
       Hartz-IV-Empfänger lägen ja nur in einer „sozialen Hängematte“, rasant
       zunehmen.
       
       Eine [3][Befragung des IAB] unter allerdings nicht repräsentativ
       ausgewählten Personen ergab, dass die Mehrheit der Befragten
       Sanktionierungen als grundsätzlich sinnvoll erachtete, allerdings die
       schärferen Sanktionierungen für jüngere Leistungsbezieher eher ablehnte. In
       der Hälfte der Fälle würden die Befragten um nicht mehr als 20 Prozent
       kürzen.
       
       16 Nov 2018
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Kommentar-Arbeitslosengeld-II/!5548365
 (DIR) [2] https://www.iab.de/1969/section.aspx/Publikation/k180712301
 (DIR) [3] https://www.iab.de/de/informationsservice/presse/presseinformationen/kb1918.aspx
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Barbara Dribbusch
       
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