# taz.de -- Bundeswehr in Mali: Die Wüste lebt
       
       > „Es ist besser, wenn Sie nicht so lange bleiben“, warnt eine Bewohnerin.
       > Auf Patrouille mit dem deutschen UN-Kontingent in Gao.
       
 (IMG) Bild: Schwarz-Rot-Gold in der Wüste: Bundeswehr am Flughafen von Gao
       
       Gao taz | Marschieren, lächeln, winken – die Morgenpatrouille der
       Bundeswehr durch Gao erinnert an einen Faschingszug. Familien sammeln sich
       in den Eingängen der kleinen Gehöfte. Kinder lachen und winken. Die
       Deutschen defilieren mit ihren Waffen, winken freundlich zurück und machen
       Scherzchen. Ihre sechs gepanzerten Fahrzeuge rollen langsam nebenher.
       
       Doch während sie lächeln und winken, beobachten die 20 Männer die Umgebung:
       Wie schauen die, die im Hintergrund stehen? Wird irgendwo ein Stinkefinger
       gereckt? Lauert jemand auf einem der Flachdächer?
       
       „Aufklären und Präsenz zeigen“, lautet die Jobbeschreibung der deutschen
       Bundeswehr in Nord-Mali. Es gibt Patrouillen, Drohnenflüge und
       Fernspähermissionen in der Sahara.
       
       Drei Stunden nach dem Start der Patrouille – es ist jetzt neun Uhr – knallt
       die Sahara-Sonne schon mächtig herunter. Die Füße kochen, unter den
       Sicherheitswesten fließt der Schweiß und verpappt den allgegenwärtigen
       roten Bodenstaub auf der Haut zu einer Schmierschicht.
       
       Der Zug durchquert das „Quartier 4“ der 100.000-Einwohner-Stadt – das
       „arabische Viertel“. Auf der Stadtkarte der Soldaten prangen über diesem
       Viertel rote Sterne. Sie markieren Orte, an denen „terroristische
       Aktivitäten“ nachgewiesen wurden: Bombenwerkstätten, ausgehobene
       Al-Qaida-Stützpunkte, Waffenlager.
       
       „Dabei ist Gao eine Insel relativer Sicherheit“, sagt der deutsche
       Entwicklungshelfer und Mali-Kenner Henner Papendieck. „Alles darum herum
       ist wirklich Feindesland.“
       
       Denn während hier „nur“ Kriminalität grassiert, versinken der übrige Norden
       und die Mitte Malis im Blutvergießen. Die Gewalt breitet sich in Mali immer
       weiter aus, bis hinunter in das angrenzende Burkina Faso. Spätestens 2019
       [1][werde sie auch in der Hauptstadt Bamako Einzug halten, fürchten viele].
       
       ## Hier tummeln sich bewaffnete Gruppen
       
       In Gao ist es vergleichsweise friedlich. Hier treffen die regierungstreue
       Tuareg-Miliz „Gatia“, die arabisch geprägte Al-Qaida-Gruppe „Mourabitoun“
       sowie Ex-Rebellen aller Ethnien aufeinander. Sie organisieren in Gao ihre
       illegalen Einkünfte, sprechen sich ab und gehen Schmuggeldeals ein, während
       sie anderswo Krieg gegeneinander führen.
       
       Der Vorteil für die Bewohner: Anschläge sind selten. „Die verdienen hier
       ihr Geld und wollen in Gao nicht zu viel Wind machen“, erklärt
       Demokratieaktivist Ousmane Maiga.
       
       Der Nachteil: Die Untergebenen der Bosse bedienen sich rücksichtslos bei
       Auto- und Mopedbesitzern. Die Polizei ist gleichgültig, die UN-Mission
       (Minusma) machtlos.
       
       Ihre Blauhelme dürfen zwar eingreifen. „Aber wer begeht schon einen
       Überfall gerade dann, wenn wir hier mit großem Gefolge durchmarschieren“,
       sagt ein Offizier im [2][Bundeswehrcamp Castor].
       
       ## Wie schön ist es im Hinterhof
       
       Im arabischen „Quartier Vier“ führt ein Anwohner namens Abbas den Zugführer
       der deutschen Patrouille in einen Hinterhof. Die anderen Soldaten sichern
       draußen die Umgebung. Eine Freundin von Abbas’ Mutter leitet hier einen
       Kindergarten und eine kleine Grundschule. Sie freut sich über den Besuch.
       Ebenso wie die rund 30 kleinen Kinder, die laut johlen und im Chor
       „Bonjour“ rufen.
       
       Abbas, der Leutnant und die Frau lassen sich auf Hockern in einer Hofecke
       nieder. Während sie die Teekanne über dem Feuer schwenkt, erzählt die Frau,
       wie schön es hier im Hinterhof-Kindergarten ist – und wie hässlich draußen
       auf der Straße.
       
       „Wenn es dunkel wird, gehen wir überhaupt nicht mehr raus“, sagt sie.
       
       Täglich zwingen Bewaffnete in Gao Autofahrer aus ihren Autos, zerren
       Mopedfahrer von ihren Zweirädern oder schießen sie einfach herunter und
       nehmen die Fahrzeuge mit. Leute werden ausgeraubt oder entführt. Händler
       werden erschossen.
       
       „Manche von den Tätern kennen wir mittlerweile“, sagt die
       Kindergartenleiterin. „Aber keiner wagt es, sie anzuzeigen.“ Die Polizei
       werde ja ohnehin nicht aktiv.
       
       Wer in Gao ein Problem hat, sucht sich jemanden, der jemanden kennt, der
       jemanden kennt. So etwas wie einen Staat gibt es im ganzen riesigen Norden
       Malis, der doppelt so groß ist wie Deutschland, aber nur eineinhalb
       Millionen Einwohner hat, nur in der Theorie.
       
       Das Terrain tut ein Übriges: Die unkontrollierbare Saharawüste biete jedem
       Terroristen und Schmuggler Verstecke ohne Ende, sagt der Tuareg und
       Ex-Minister Yehia Ag Mohamed Ali.
       
       Zudem ist Gao ein Durchgangslager für den Kokainhandel. Nicht weit vom
       Bundeswehr-Camp Castor liegt rechts und links der Zufahrtsstraße zum
       Flughafen das Viertel „Kokain Bougou“. Der Stoff, der hier verschoben wird,
       kommt aus Südamerika.
       
       Arabische Händler organisierten das Geschäft, sagt ein Landeskenner der
       Minusma. Tuareg, die in der Sahara die „Raumkontrolle“ ausüben, wie die
       Militärs sagen, transportierten es von Nord-Mali aus über die
       Tanezrouft-Route nach Nordafrika.
       
       ## Dschihadisten-Bekämpfer sind heute verbittert
       
       Und auch in Gao sind die Ethnien zerstritten: Neben den „Weißen“ – Arabern
       und Tuareg – leben in der Provinzmetropole vor allem dunkelhäutige Songhai
       wie Abbas und seine Verwandten. Gao ist eigentlich „ihre“ Stadt.
       
       Ihre Vorfahren gründeten die weitläufige Lehmsiedlung am trägen Niger-Fluss
       vor über 1.000 Jahren. Später wurden Songhai zur Beute der Sklavenjäger der
       Tuareg und der Araber.
       
       Heute sind die Songhai verbittert. Als 2012 Dschihadisten die Kontrolle in
       Gao übernahmen, mobilisierten Gruppen junger Songhai-Aktivisten die
       Bevölkerung. Sie versteckten Verfolgte, verhinderten mit einem
       spektakulären Volksauflauf eine Steinigung und schützten die
       jahrhundertealte Askari-Moschee mit einer Menschenkette vor der Zerstörung.
       
       Als dann die Franzosen 2013 mit der Operation „Serval“ die Dschihadisten
       aus Nord-Mali vertrieben, halfen sie mit Rat und Tat. Anschließend gaben
       sie auch noch brav ihre Waffen ab.
       
       Die Folge: Die Songhai galten nicht mehr als Problem – und bekamen nichts
       ab, als die UN-Mission zur Besänftigung der Gewaltbereiten begann, in den
       neuen gemischten Einheiten aller ehemaligen bewaffneten Gruppen Posten zu
       verteilen.
       
       ## „Die Blauhelme kontrollieren doch gar nichts“
       
       Die UN-Mission Minusma nennt Aktivist Maiga spöttisch „Amusma“, nach dem
       französischen Wort „Amusement“. „Die Blauhelme aus Tschad oder Bangladesch
       kontrollieren doch gar nichts“, sagt er. Die Bundeswehr wolle er von der
       Kritik ausnehmen. Sie sei aber eben nur ein Teil der UN-Mission.
       
       „Es ist besser, wenn Sie nicht so lange bleiben“, sagt die
       Kindergartenleiterin in Gao nach zehn Minuten zum Zugführer. „Sonst wird es
       für mich gefährlich.“ Sie fürchtet, dass jemand sie „besucht“, weil sie
       hier mit den Deutschen spricht.
       
       14 Nov 2018
       
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 (DIR) Christian Kreutzer
       
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