# taz.de -- Kolumne Wir retten die Welt: Der Suchmaschinen-Klimazauber
       
       > Ein Google-Rivale will Bäume für Suchanfragen pflanzen. Doch die
       > Kompensation von Klimaschäden hat auch Tücken.
       
 (IMG) Bild: Eine grüne Suchmaschine aus Berlin will mit Werbegeldern Bäume pflanzen
       
       Liebe Leser*innen, noch nie war diese Kolumne so kurz davor, ihr
       Versprechen in die Tat umzusetzen. Wir retten die Welt. Das können wir
       jetzt erledigen, quasi nebenbei. Denn ich habe eine tolle Sache entdeckt.
       Die Alternativ-Internetsuchmaschine Ecosia sagt, sie würde pro Suchanfrage
       auf ihrer Seite durchschnittlich ein Kilogramm klimaschädliches
       Kohlendioxid aus der Erdatmosphäre ziehen. Das funktioniert so: Man tippt
       seine Suchbegriffe nicht bei Google ein, [1][sondern bei Ecosia].
       
       Unternehmen schalten dort Werbeanzeigen. Die Einnahmen investiert die Firma
       zum guten Teil in Neuanpflanzungen von Bäumen rund um den Globus. Die holen
       CO2 aus der Luft. So viel, dass nicht nur der Stromverbrauch der
       Suchmaschine und ihrer Server neutralisiert wird, sondern die Luft
       insgesamt sauberer wird.
       
       Faszinierend. Wenn ich mit meinem Wagen 10.000 Kilometer pro Jahr fahre,
       verursache ich beispielsweise 1.500 Kilogramm CO2-Ausstoß. Weil Ecosia ein
       Kilo pro Suchanfrage neutralisiert, brauche ich 1.500 Anfragen, und meine
       Abgase sind weg. Nach 30 Tagen mit jeweils 50 Anfragen sollte ich es
       geschafft haben.
       
       Demnächst will ich nach Accra in Ghana fliegen. 2.500 Kilogramm CO2 fügt
       dieser Flug meinem Klima-Sündenregister hinzu. Aber kein Problem: 50 Tage
       mit jeweils 50 Suchanfragen, und ich wasche meine Hände in Unschuld.
       
       Es klingt wie Zauberei. Man kann den Spritverbrauch seines Landrovers mit
       Allradantrieb neutralisieren, indem man sich im Netz ausgiebig über dieses
       Auto informiert und die nächste Alpenüberquerung plant. Geradezu elegant
       ist das. Das müsste ich dem [2][IPCC mitteilen], den Klima-Wissenschaftlern
       der Vereinten Nationen. Die fordern eine Politik, um nicht nur weniger
       Abgase in der Atmosphäre abzuladen, sondern auch welche rauszuholen.
       
       ## Kein „Ablasshandel“
       
       Diese Ecosia-Geschichte ist doch aber Quatsch, sagen Sie? Fachleute
       bestätigen, dass ich mich nicht verrechnet habe. Manche Probleme scheinen
       sich tatsächlich von alleine zu lösen. Plopp. Weg. Abends schlechte Laune.
       Morgens aufgewacht – gute Laune.
       
       Bald heißt es nicht mehr „googeln“, sondern „Ecosier das mal“. Wo ist der
       Fehler? Nachfrage bei Ecosia. Meine Rechnungen seien „korrekt“, antwortet
       die Firma. Dennoch wolle man „diese Denke“ nicht unterstützen. Man betreibe
       keinen „Ablasshandel“. Wer das Klima schützen möchte, solle Zug fahren,
       anstatt zu fliegen. Trotzdem rühmt die Firma sich ihrer
       Super-Duper-Klima-Leistung und schreibt: „Wäre Ecosia so groß wie Google,
       könnten wir genügend Bäume pflanzen, um 15 Prozent der weltweiten
       CO2-Emissionen zu binden!“
       
       Und das alles aus einem Hinterhof in Berlin-Neukölln. Das Problem steckt
       wahrscheinlich in den Bäumen. 38 Millionen Pflanzen weltweit kann man
       schwer im Blick behalten. Vielleicht sind viele schon als Brennholz
       geendet.
       
       Aus solchen Gründen pflanzt Atmosfair, eine andere Kompensier-Organisation,
       keine Bäume. Dort kann Geld einzahlen, wer Flüge neutralisieren möchte.
       Damit baut Atmosfair beispielsweise Solar- und Windkraftwerke. Ob die
       wirklich arbeiten, lässt sich einfacher überprüfen als Bäume.
       
       So oder so ist das Kompensieren von Klimaschäden eine merkwürdige Sache.
       Ich verursache hier ein Problem, das irgendjemand ganz woanders auf der
       Welt behebt. Der Weg dazwischen erscheint verdächtig theoretisch.
       
       14 Oct 2018
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.ecosia.org/
 (DIR) [2] /Neuer-Bericht-des-Weltklimarats/!5541911
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Hannes Koch
       
       ## TAGS
       
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