# taz.de -- Publikation zur Identitären Bewegung: Identitäre als Pfadfinder verharmlost
       
       > Ein Professor der sächsischen Berufsakademie beschreibt die Identitäre
       > Bewegung als „aktionistische Jugendbewegung“. Das sorgt für Kritik.
       
 (IMG) Bild: Die Polizei räumt eine Sitzblockade der Identitären Bewegung vor der CDU-Zentrale
       
       Die Berufsakademie (BA) Sachsen ist eine staatliche Hochschuleinrichtung,
       die eine praxisnahe Ausbildung in verschiedenen Studienfächern anbietet.
       Seit dem letzten Jahr gibt die Bildungsakademie die wissenschaftliche
       Schriftenreihe „Wissen im Markt“ heraus. In der aktuellen Ausgabe ist ein
       Text über [1][die rechtsextreme Identitäre Bewegung (IB)] erschienen, der
       im Internet für Aufruhr sorgt.
       
       Unter dem Titel „Die Identitäre Bewegung als politischer Entrepreneur“
       beschreibt der Autor Falk Tennert die IB als „aktionistische
       Jugendbewegung“, die „politische und kulturelle Angebote für jene Europäer“
       schaffe, „die vom politischen Establishment vergessen worden“ seien: „die
       Jugend ohne Migrationshintergrund.“ Die Akteure würden sich „um
       Überfremdung sorgen“.
       
       Tennert ist Professor für Empirische Forschungsmethoden an der BA Sachsen.
       Das primäre Themenfeld der IB, so schreibt Tennert, sei die „Gefährdung der
       kulturellen Identität Europas“, Ausgangspunkt seien „kulturelle
       Nivellierungsbestrebungen in Europa“. Eine kritische Einordnung sucht man
       vergebens.
       
       Die IB-Aktivisten würden „Antimigrationskampagnen“ nutzen, um „das
       Nichthandeln respektive rechtswidrige Handeln der deutschen wie
       österreichischen Regierung zu kritisieren“, erläutert Tennert stattdessen.
       Im Kern handele es sich „um eine neo-nationale, alternative Weltanschauung
       als Korrektiv zu einer linker werdenden gesellschaftlichen Mitte.“
       Klassische Elemente für Rechtsextremismus würden sich dabei „explizit
       nicht“ finden.
       
       Verbreitet wurde der Text in der vergangenen Woche durch die sächsische
       Landtagsabgeordnete Juliane Nagel (Die Linke). „Sachsen, wo in einer
       Publikation der staatlichen Berufsakademie die neonazistische Identitäre
       Bewegung als ‚aktionistische Jugend- und Studentenbewegung‘ verharmlost
       wird“, [2][schrieb sie auf Twitter.]
       
       ## Rechtsorientierte Position war nicht erkennbar
       
       Der Direktor der Bildungsstätte Anne Frank – Zentrum für politische Bildung
       und Beratung Hessen, Meron Mendel, [3][schloss sich dieser Kritik an.] Die
       IB-Mitglieder würden in dem Text als „überengagierte Pfadfinder“
       dargestellt werden.
       
       Die sächsische Berufsakademie reagierte inzwischen auf die Kritik und
       löschte die Publikation von ihrer Homepage. „Bei der Entscheidung zur
       Veröffentlichung des Beitrags war aus Sicht des zuständigen Herausgebers
       nicht erkennbar, dass eine rechtsorientierte Position vertreten wird“,
       erklärt der Präsident der BA, Andreas Hänsel gegenüber der taz. Eine
       Verharmlosung der IB sei seitens der Herausgeber nicht gesehen worden, da
       die problematischen Positionen lediglich referiert und sozialpsychologisch
       analysiert worden seien.
       
       „Offensichtlich war diese Einschätzung jedoch nicht umfassend genug, was
       wir mit Bedauern zur Kenntnis genommen haben“, so Hänsel. Auch innerhalb
       der BA habe es nach der Veröffentlichung kritische Stimmen gegeben. In den
       nächsten beiden Ausgaben der „Wissen im Markt“ solle deshalb anderen
       Sichtweisen zur IB Raum gegeben werden.
       
       ## Autor beruft sich auf Wissenschaftsfreiheit
       
       In Tennerts Artikel fehlt beispielsweise die zur Einordnung wichtige
       Information, dass die Identitäre Bewegung seit 2016 [4][vom Bundesamt für
       Verfassungsschutz überwacht wird.] „Wir sehen Anhaltspunkte für
       Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung“,
       begründete Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen damals diesen Schritt.
       Muslimische Zuwanderer würden von der IB „in extremistischer Weise
       diffamiert“. Auch der österreichische Verfassungsschutz teilt diese
       Einschätzung: Die IB versuche, „auf einer pseudo-intellektuellen Grundlage,
       das eigene rassistisch/nationalistisch geprägte Weltbild zu verschleiern“,
       heißt es im Verfassungsschutzbericht 2014.
       
       Der Autor Falk Tennert zeigt sich in einem Statement gegenüber der taz
       „etwas erstaunt über die vorwiegend allgemeinpolitische Beurteilung“ seines
       Beitrags, „da dieser rein wissenschaftliche Fachartikel eine politische
       Aussage oder Beurteilung weder enthält noch beabsichtigt.“ Sein Beitrag
       hätte „nicht die Absicht, irgendwelche Sympathiebekundungen gegenüber der
       IB auszudrücken, sondern ist ein reiner Fachbeitrag im Rahmen der
       grundgesetzlich garantierten Freiheit der Wissenschaft“, so Tennert weiter.
       „Ich verwahre mich deshalb ausdrücklich dagegen, politisch in der Nähe der
       ‚Neuen Rechten‘ verortet zu werden.“
       
       Dass die IB eindeutig xenophobe Ziele verfolge, sei zwar korrekt.
       Gegenstand des Artikels sei jedoch lediglich „die anwendungsorientierte,
       soziologische und sozialpsychologische Diskussion zur öffentlichen
       Identitätskonstruktion. Der Beitrag ist damit ausschließlich auf diesen
       fachlichen Themenbereich konzentriert und verzichtet – entsprechend des
       Neutralitätsgebotes in der Wissenschaft – auf eine gesellschaftspolitische
       Einordnung und Bewertung.“ Eine Beurteilung sei „weder Aufgabe noch Absicht
       eines Beitrags in einer Fachzeitschrift.“
       
       Ein wertungsfreier Fachbeitrag? Das sieht wohl auch die Leitung der
       Berufsakademie anders und hat organisatorische Konsequenzen gezogen. „Um
       das wissenschaftliche Niveau der Beiträge unter Einbeziehung externen
       Knowhows zu sichern“, so Präsident Hänsel, werde bis zum Ende des Jahres
       ein Beirat für die Zeitschrift etabliert, dem Wissenschaftler aus
       Universitäten, Fachhochschulen und Forschungsinstituten angehören sollen.
       Die Fachleute sollen Artikel künftig vor Abdruck noch einmal kritisch
       überprüfen. Eine Abberufung Tennerts steht nicht zur Debatte.
       
       26 Sep 2018
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Frederik Schindler
       
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