# taz.de -- Erdoğan-Besuch in Deutschland: Staatsbankett mit Özdemir
       
       > Die Kanzlerin und viele andere sagen ab. Doch der Grüne Cem Özdemir will
       > mit dem türkischen Autokraten dinieren – um ein Zeichen zu setzen.
       
 (IMG) Bild: Will nicht vor Recep Tayyip Erdoğan klein beigeben: der Grünen-Politiker Cem Özdemir
       
       Berlin taz | Darf man einem Despoten die Hand schütteln? Cem Özdemir hat
       die Frage für sich beantwortet. Ja, würde er. Der Grünen-Politiker Özdemir
       steht am Montag in einem Bundestagsgebäude in Berlin-Mitte, drückt den
       Rücken durch und sagt in die Mikrophone der Journalisten: „Das macht man
       glaube ich so in der Zivilisation.“ Schon bald wird Özdemir also einem
       seiner Erzfeinde die Hand geben.
       
       Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan wird von Donnerstag bis
       Samstag [1][zu Gast in Deutschland sein]. Eingeladen hat ihn
       Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Ein Treffen mit Kanzlerin Angela
       Merkel (CDU) ist geplant und, anders als bei früheren Arbeitsbesuchen, das
       ganz große Aufgebot. Erdoğan darf sich über einen Empfang mit militärischen
       Ehren freuen und über ein Staatsbankett, zu dem auch
       OppositionspolitikerInnen wie Özdemir ins Schloss Bellevue eingeladen
       wurden.
       
       Das Defilee zu Ehren des Mannes, der in seiner Heimat Journalisten
       einsperren und die Opposition unterdrücken lässt, sorgt für eine heftige
       Diskussionen. Ist diese Ehrung eines Autokraten angemessen?
       
       Führende Oppositionspolitiker haben angekündigt, auf die Teilnahme am
       Bankett zu verzichten – darunter FDP-Chef Christian Lindner. Er wolle nicht
       „Teil von Erdoğan-Propaganda“ sein. Auch Politiker von Linkspartei und AfD
       sagten ab – und die komplette Grünen-Spitze. Ein Staatsbankett sei nicht
       der Ort für die notwendigen Gespräche mit der Türkei, twitterte Grünen-Chef
       Robert Habeck. „Erdoğan ist kein Präsident einer funktionsfähigen
       Demokratie.“ Selbst die Kanzlerin wird nicht an dem Bankett teilnehmen,
       teilte das Bundespresseamt mit.
       
       Droht eine PR-Show für einen fragwürdigen Staatschef? Özdemir sieht es
       genau andersherum. Es sei schlimm genug, dass Erdoğan die Türkei in ein
       offenes Gefängnis verwandle, sagt er. „Aber hier in der Bundesrepublik
       Deutschland kann er dem Anblick der Opposition nicht entgehen.“ Er wolle
       durch seine Anwesenheit bei dem Bankett daran erinnern, dass die Türkei
       kein normales Land sei. Es gebe keine Presse- und keine Meinungsfreiheit.
       Hinter der Fassade eines Rechtsstaates verberge sich ein Willkürregime.
       „Jeder Richter in der Türkei weiß: Wenn er nicht so entscheidet, wie es
       Erdoğan wünscht, ist er die längste Zeit Richter gewesen.“
       
       Özdemir ist mit Erdoğan auf besondere Weise verbunden. Er hat dessen
       Politik, die Angriffe auf Menschenrechte, Journalisten und die Opposition
       in der Vergangenheit immer wieder scharf kritisiert. Deshalb wurde er
       umgekehrt zur Zielscheibe für türkische Angriffe.
       
       Auf der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar dieses Jahres musste
       [2][Özdemir unter Polizeischutz] gestellt werden: Er war in München in dem
       Hotel untergebracht, in dem auch die Delegation des damaligen türkischen
       Ministerpräsidenten Binali Yıldırım logierte. Der ehemalige AKP-Chef gilt
       als treuer Anhänger Erdoğans. Aus der Delegation heraus wurde Özdemir als
       „Terrorist“ beschimpft.
       
       Die islamische AKP unterstellte Özdemir zudem eine Nähe zu der verbotenen
       Arbeiterpartei Kurdistans, der PKK. Nachdem der Bundestag 2016 die
       Massaker, die das Osmanische Reich vor 100 Jahren an den Armeniern verübte,
       als Völkermord eingestuft hatte, beschimpfte Erdoğan den Grünen als
       „charakterlos“. Özdemir hatte sich für die Resolution eingesetzt.
       
       Özdemir betont, er habe vor seiner Entscheidung mit türkischen Kollegen,
       Abgeordneten, Leuten aus der Zivilgesellschaft und Menschen aus der
       türkischen Exilszene gesprochen. Sie seien sich einig gewesen, dass er
       nicht den Schwanz einziehen dürfe, sagt er. „Erdoğan bestimmt nicht die
       Gästeliste.“ Allerdings hätte er sich ein anderes Format gewünscht – eines,
       in dem man offen diskutieren könne. Denn der strenge Rahmen eines Banketts
       lässt keinen Raum für echte Kritik.
       
       24 Sep 2018
       
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