# taz.de -- Kolumne Aufgeschreckte Couchpotatoes: Wo sich die Kulturen treffen
       
       > In Georgien treffen sich heute wieder Asien, Orient und Europa in der
       > Sauna. Das ist anstrengend. Brauchen wir neue Verhaltensregeln?
       
 (IMG) Bild: Blick auf den Kazbeg vom Hotel
       
       Sandy aus Leipzig ist überall tätowiert. Sie trägt auf dem Rücken ihre
       Katze, wie sie sich in ein Knäuel Wolle einspinnt, auf dem Herzen ihre
       Lieblingsblume, eine Lilie, und unter dem Knie einen riesigen Engelsflügel.
       Alles Hingucker. Und obendrein sieht Sandy aus wie eine germanische
       Brunhilde im Mini und mit löchrigen Netzstrümpfen.
       
       In Georgien, im Lopota Spa Ressort, zwei Stunden von Tiflis entfernt,
       wunderschön an einem künstlichen See gelegen, hätte sie fast einen Araber
       vermöbelt. Er starre sie ununterbrochen an. Sie fühle sich wie im
       Menschenzoo, schnaubte sie aufgeregt und fixiert böse den erschrockenen
       Familienvater. Er, sichtlich irritiert, verlässt den Pool im Gänsemarsch
       mit seiner schwarz verhüllten Frau und den zwei süßen Kindern.
       
       Die Frauen unserer Reisegruppe fühlen mit Sandy. Auch sie empfinden die
       männlichen Blicke der zahlreichen Gästen aus den Golfstaaten übergriffig.
       Diese kommen gern nach Georgien, sie lieben die Kühle im Sommer, das Grün,
       den europäischen Flair. Im georgischen Kazbegi, mitten im Kaukasus, sind es
       vor allem Chinesen, Südkoreaner und Inder, die Unmut in unserer Gruppe
       auslösen.
       
       Der Ort liegt am Fuße des Kazbek, jenes Bergs der griechischen Mythologie,
       an den Prometheus gekettet worden sein soll, weil er den Göttern das Licht
       stahl. Uns stehlen die Chinesen den Blick auf den Kazbek, weil sie die
       Fensterplätze okkupieren, das letzte Stück Wurst vom Frühstücksbuffet
       ergattern, die wenigen Liegeplätze im Spa sowieso.
       
       In Georgien treffen sich heute wieder Asien, Orient und Europa in der
       Sauna. Das ist anstrengend. Im österreichischen Zell am See, das die
       Touristen aus den Golfstaaten für sich entdeckt haben, hat man es 2013
       deshalb mit einem „Where culture meets“- Knigge versucht. Einige Tipps:
       sich bunt zu kleiden, keine Elektrokocher im Hotelzimmer nutzen, nicht vom
       Boden essen. Nach Protesten wurde der Knigge wieder eingestampft.
       
       Um ihre Landeskinder auf die Welt, die ihnen in immer größerer Zahl
       offensteht, vorzubereiten, hat man in China 2013 ein Tourismusgesetz
       erlassen: Ein zivilisierter Tourist zu sein ist jedes Bürgers Pflicht“, so
       ein Grundsatz. Das Gesetz verbietet chinesischen Touristen, sich auf
       Reisen, im Ausland, schlecht zu benehmen: nicht rülpsen, nicht spucken,
       keine Korallen abbrechen. Tourismuschef Li Jinzao verteidigte die
       Maßregelungen: Angesichts der touristischen Völkerwanderungen von Chinesen
       in alle Welt könne unzivilisiertes Benehmen nicht mehr als „Lappalie“
       behandelt werden. Es schade Chinas Image.
       
       Sandy aus Leipzig hat in Georgien jedenfalls beschlossen, sich die
       europäische Flagge aufs Handgelenk tätowieren zu lassen. Zum Glück ist es
       nicht die deutsche.
       
       7 Oct 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Edith Kresta
       
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