# taz.de -- Ernie und Bert sind schwul: Die, die Liebe nicht sehen wollen
       
       > Endlich ist offiziell bestätigt: Ernie und Bert aus der „Sesamstraße“
       > waren immer ein Paar. Warum das bisher trotzdem nicht anerkannt wurde.
       
 (IMG) Bild: Ernie und Bert: Es ist Liebe
       
       Die Nachricht ist ungefähr so überraschend, als wäre berichtet worden, die
       Erde ist doch keine Scheibe. Oder, mehr ins praktische, vorstellbare Leben
       gebrochen: William Shakespeares Romeo und Julia seien ein heterosexuell
       orientiertes Paar gewesen, deren Liebesgeschichte tragisch endet. Tja, war
       das nicht sowieso bekannt?
       
       Überliefert ist also nun angeblich hochaktuell, Ernie und Bert, die beiden
       Jungs aus der Kinderserie „[1][Sesamstraße]“, seien vom Drehbuchautor Mark
       Saltzman immer schon als schwules Paar imaginiert worden.
       
       „So what?“, möchte man anfügen. Die [2][New York Times] hatte schon ewig
       diese Frage erörtert. Auf CSDs gab es immer Leute, die sich als „Bert and
       Ernie“ (so die englischsprachige Bezeichnung dieses Paares) auffummelten.
       2011 wurde eine [3][Petition initiiert, in der gefordert wurde, Ernie und
       Bert in der „Sesamstraße“] endlich heiraten zu lassen. 2000 erschien in der
       taz eine [4][Geschichte von Catharina Retzke zum Thema „Eingetragene
       Partnerschaft“, die mit einem Bild der beiden Puppen illustriert] war.
       Damals dachten CDU/CSU noch, die „Ehe für alle“ werde nie und wirklich
       niemals zum Gesetz – was der Text der Autorin gegen die herrschende Meinung
       der Juristerei als möglich entwickelte. Die Leser*innen dieser Zeitung
       reagierten damals freundlich, aber auch irritiert: „Müssen diese Figuren
       denn auch mit hineingezogen werden?“ Hineingezogen in die wirklich nicht
       nur sicht-, sondern auch sagbaren Liebes- und Ehedinge in aller Welt.
       
       Zu lesen stand es in [5][Queerty,] einem Online-Nachrichtendienst: Dort
       wurde diese Woche das ewige Gerücht in eine Nachricht verwandelt durch Mark
       Saltzman, in den achtziger Jahren einer der Drehbuchschreiber der
       „Sesamstraße“, zuständig für die Geschichten um die beiden Männer namens
       Ernie und Bert. Die zwei Figuren seien in seinen Drehbüchern an seine
       eigene Beziehung mit Cutter Arnold Glassman angelehnt gewesen. Die beiden
       waren mehr als 20 Jahre und bis zum Tod Glassmans im Jahr 2003 ein Paar.
       Saltzman bezeichnete Glassman in dem Interview als „Liebe meines Lebens“.
       
       ## Liebevoller Sinn, märchenhafter Unsinn
       
       Ernie und Bert teilten sich in der „Sesamstraße“ nicht nur Wohnung und
       Schlafzimmer, sondern baden auch gemeinsam, in viel Schaum und durchaus
       kommunikativ. Das ist schon ungewöhnlich genug. Am stärksten nimmt aber für
       den Umstand ein, die beiden können nur ein Paar sein, keine Kumpels – dass
       sie ein Bett teilen und sich, am Ende des Tages, Geschichten erzählen.
       
       Dass Ernie mit seinen Geschichten, beispielsweise von Fischen, die
       Eiswürfel zum Schmelzen bringen sollen, Bert immer wieder veräppelt und
       Bert sich immer auf die absurden Dialoge einlässt, zeigt ihren liebevollen
       Sinn bzw. märchenhaften Unsinn: Man erkennt die gute Ehestimmung auf
       Anhieb. Wer sich so liebevoll neckt und auf die Schippe nimmt, muss
       miteinander gut können, in guten wie in schlechten Zeiten. Ernie ist immer
       der Verspielte, der Bert mit seinen Erzählungen teils zum Wahnsinn treibt,
       andererseits aber auch – etwa mit seinem Quietscheentchen – Liebe
       signalisiert: Sie haben ein [6][gemeinsames Leben mit Hobbys und
       Verwandtschaften] draußen.
       
       Es ist also, wie es jede Bild- und Wahrnehmungstheorie sagt: Man muss
       erkennen wollen, um zu sehen, was die Sache ist. Im Schlechten erkennen
       Rassisten in ihnen fremdländisch aussehende Bürger*innen. Menschen, die
       nicht zu Deutschland zählen können – und alle Übel der Welt ihnen
       zuschreiben, bis hin zu Hatz und Hetze. Im Guten, falls man das so sagen
       darf, ist es so, dass es heteronormative Gewöhnung, ja, Tradition war (und
       meist noch ist), in Ernie und Bert, mit die populärsten Puppen der Welt,
       nur Kumpels, nicht aber Eheleute zu sehen: Man erkennt die Liebe vor lauter
       Schwules-nicht-zur-Kenntnis-nehmen-wollen nicht.
       
       Die [7][Produzenten der „Sesamstraße“] verweigern sich nun der
       Interpretation Saltzmans, des Drehbuchschreibers so vieler
       Ernie-und-Bert-Geschichten. Eine [8][„schwule“ Deutung des Paares sei nicht
       statthaft, denn es seien ja nur „Puppen“]. Das ist nicht zu bezweifeln: Es
       sind nur Figuren, aber sie sind wirkmächtig: Das Argument, die
       „Sesamstraßen“-Ehejungs würden immer nur oberhalb des Gesäßes gezeigt, da
       könne also nichts von Sex handeln, missversteht die Geschichten selbst. Bei
       Liebesgeschichten kommt es doch gerade nicht auf Sexuelles an, sondern auf
       die Intimität, die (auch häusliche ausgedrückte) Intimität zweier Menschen
       – in diesem Fall zweier Männer. Bei der Disneyverfilmung „Bambi“ geht es ja
       auch nicht um Trickfilmisches in erster Linie, sondern um die metaphorische
       Erzählung von Verlust und Trauer – und niemand käme auf die Idee, Bambi nur
       für einen verfilmten Comic-Strip, für ein inhaltliches Irgendwas zu halten.
       
       Insofern ist das Outing Saltzmans seiner Figuren keine Enthüllung, vielmehr
       ein Fingerzeig: Seht her, ihr habt sie erlebt – und ich sage euch, was ihr
       vielleicht nur übersehen wolltet.
       
       Kleine Korrektur des Autors: 
       
       Nach Videodurchsicht von etwa 50 Ernie-und-Bert-Geschichten im Internet ist
       die Information, beide teilten ein Bett, falsch. Sie teilen sich wie
       geschrieben ein Schlafzimmer – haben aber, nah beieinander, zwei
       Einzelbetten. Was der These, die beiden seien ein Paar, ja nicht
       widerspricht: Viele Liebesverbindungen kommen nicht immer unter einer Decke
       zum Schlaf, jedenfalls oft in verschiedenen Betten. Die Inkorrektheit im
       Detail sei bitte nachgesehen.
       
       19 Sep 2018
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Gleichberechtigung-in-Afghanistan/!5431306
 (DIR) [2] https://www.nytimes.com/2018/09/18/arts/television/bert-ernie-gay-sesame-street.html
 (DIR) [3] https://www.change.org/p/let-bert-ernie-get-married-on-sesame-street
 (DIR) [4] /Archiv-Suche/!1202596&s=CATHARINA+RETZKE&SuchRahmen=Print/
 (DIR) [5] https://www.queerty.com/exclusive-bert-ernie-couple-finally-answer-20180916
 (DIR) [6] https://de.wikipedia.org/wiki/Sesamstra%C3%9Fe#Ernie_und_Bert
 (DIR) [7] https://twitter.com/SesameWorkshop/status/1042117602678587395
 (DIR) [8] https://news.vice.com/en_us/article/nemn9q/experts-cant-agree-on-whether-bert-and-ernie-fuck-each-other-or-not
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jan Feddersen
       
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