# taz.de -- Kommentar Antirassistischer Protest: Die Stunde der Zivilgesellschaft
       
       > Der Widerspruch, den der Rechtsruck auslöst, wird immer lauter. Die
       > allermeisten Menschen im Land wollen es weiter offen halten.
       
 (IMG) Bild: Die DemonstrantInnen in Hamburg wollten zeigen, wie viele Menschen sich darin einig sind, dass Rassismus nicht hinnehmbar ist
       
       Es ist ein Paradox: Die Solidaritätsbewegung ist stark wie nie. Wohl 25.000
       Menschen sind am Samstag einem Aufruf von Geflüchtetengruppen gefolgt und
       [1][haben gegen Abschottung und für ein Ja zur Migration demonstriert]. Es
       gab schon größere Aktionen gegen rechts in diesem Land – aber keine, die
       von Geflüchteten selber initiiert worden wären. Und ihre Aktion reiht sich
       ein in eine Serie von Großprotesten gegen eine radikale europäische
       Abschottungspolitik und rechte Hetze, die im Juni ihren Anfang nahm und nun
       am 13. Oktober mit der [2][#unteilbar-Demo] weitergehen soll. Diese Zeit
       der totalen Abschottung ist gleichzeitig eine große Stunde der
       Zivilgesellschaft.
       
       „Migration ist die Mutter aller Gesellschaften“, stand am Samstag auf dem
       Haupttransparent von We’ll Come United. Prägnanter kann man Innenminister
       Horst Seehofers unsäglichem Ausspruch, Migration sei die „Mutter aller
       Probleme“, nicht kontern.
       
       Hinter We’ll Come United steht auch kritnet, ein Netzwerk linker
       MigrationsforscherInnen. Immer wieder hatten diese in sich in der
       Vergangenheit gegen xenophobe Stimmungen zur Wort gemeldet. Ihre Aufrufe
       trugen dabei Titel wie „Solidarität statt Heimat“ oder „Demokratie statt
       Integration“. Sie zielten damit immer auf einen Konservatismus, der
       Zuwanderung zwar mit Skepsis gegenüberstand, diese an sich aber nicht
       komplett ablehnte. Doch diese Haltung erodiert. Der Konservatismus alten
       Schlages verstand Integration als bedingungslose Anpassung an die
       Leitkultur. Heute paktiert er zunehmend offener mit Rechtspopulisten, die
       mit Migration ganz und gar aufräumen wollen.
       
       Die DemonstrantInnen in Hamburg wollten zeigen, wie viele Menschen sich
       darin einig sind, dass dies nicht hinnehmbar ist. Es sind viele. Doch die
       Polarisierung in der Gesellschaft entlang der Migrationsfrage nimmt zu. Der
       Widerspruch, den der Rechtsruck auslöst, wird immer lauter. Gleichzeitig
       wird die AfD laut Umfragen mittlerweile als zweitstärkste Partei gehandelt,
       was ihren Aufwärtstrend vermutlich noch weiter befeuern wird.
       
       Aktionen wie in Hamburg sind der beste Weg, um sich davon nicht beirren zu
       lassen: Die allermeisten Menschen im Land wollen dieses weiter offen
       halten. Für sie ist klar, dass eine Gesellschaft ohne Zuwanderung
       schlechterdings nicht möglich ist. Darauf zu beharren ist nicht leichter
       geworden und wird weiterhin Kraft kosten. Doch richtig ist zugleich: Auch
       die zweitstärkste Partei ist eine Minderheit.
       
       30 Sep 2018
       
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