# taz.de -- Ungeklärter Tod auf der „Gorch Fock“: Doch kein Unfall?
       
       > Die Ermittlungen waren eingestellt, nun spricht ein neuer Zeuge von Mord:
       > Im Todesfall der „Gorch Fock“-Kadettin Jenny Böken gibt es offene Fragen.
       
 (IMG) Bild: Vielleicht doch ein Tatort: Das Marine-Ausbildungsschiff „Gorch Fock“
       
       Bremen taz | Der Fall der 2008 unter ungeklärten Umständen gestorbenen
       Bundeswehrkadettin Jenny Böken geht weiter. Ein neuer Zeuge spricht nun von
       Mord an der jungen Offiziersanwärterin. Vor zehn Jahren war die damals
       18-Jährige Böken bei einer Nachtwache auf dem Segelschulschiff „Gorch Fock“
       nördlich von Norderney über Bord gegangen. Elf Tage später wurde ihre
       Leiche bei Helgoland geborgen. Die Kieler Staatsanwaltschaft [1][beendete]
       wenige Monate nach dem Unglück die Untersuchung und schloss eine Straftat
       ebenso wie Suizid aus – trotz vieler Ungereimtheiten.
       
       Der Zeuge, der nun eine eidesstattliche Aussage gemacht hat, spricht
       dagegen von Mord. Das [2][berichtete der WDR] am Montag. Nach Angaben von
       Rainer Dietz, dem Anwalt der Familie Böken, hatte sich der Zeuge bei den
       Eltern der Toten gemeldet. „Die Aussage begründet den Verdacht von
       mindestens Totschlag – der Zeuge nimmt das Wort Mord in den Mund“,
       bestätigt Dietz. Die Vorwürfe seien so eklatant, dass die
       Staatsanwaltschaft reagieren müsse.
       
       Böken war im Juli 2008 der Marine beigetreten, um bei der Bundeswehr
       Medizin zu studieren. Zur Vorgeschichte des Todesfalls gehört laut Dietz
       eine Party vor der Abfahrt des Schiffes. An der hatten neben Jenny Böken
       weitere Soldat*innen teilgenommen. Der Zeuge, ein damaliger
       Bundeswehrsoldat, hatte Böken zunächst privat kennengelernt. Bei der
       besagten Feier soll es zu sexuellen Handlungen zwischen ihm und Böken
       gekommen sein.
       
       Diese seien „mutmaßlich einvernehmlich“ gewesen, erzählt Dietz der taz.
       „Beide waren sehr betrunken und der Zeuge weiß nicht mehr, von wem die
       Initiative ausging.“ Der Vater der Toten, Uwe Böken, spricht im
       WDR-Interview dagegen von einer Vergewaltigung. Der Geschlechtsverkehr sei
       gefilmt worden, das Video kursierte daraufhin an Bord des Schiffes. Böken
       habe schließlich gedroht, den Übergriff zur Anzeige zu bringen. Der
       Verdacht des neuen Zeugen: deswegen sei die junge Frau umgebracht worden –
       erdrosselt.
       
       ## Indizien sprechen gegen Ertrinken
       
       Der Zeuge gehörte nicht selbst zur „Gorch Fock“-Besatzung. Nach Bökens Tod
       sei er in seiner Kaserne von drei Personen aufgesucht worden, berichtet
       Dietz der taz. Man habe ihm erzählt, dass er sich jetzt keine Sorgen mehr
       machen müsste, das Thema sei „erledigt“, so der Anwalt. „Dem Zeugen wurde
       von Selbstmord berichtet, obwohl er stark daran gezweifelt hat, dass Böken
       so etwas tun könnte.“
       
       Dann sei ihm noch gedroht worden: Wenn er weiter Fragen stelle, würde er
       enden wie Böken. Der Vorwurf der Erdrosselung würde auch zu der Tatsache
       passen, dass in den Lungen der Toten bei der Obduktion kein Wasser gefunden
       worden war – ein Indiz, das gegen ein Ertrinken spricht.
       
       Trotz der Zweifel und der etwaigen Mitschuld an einer Selbsttötung habe der
       Zeuge an diese Theorie glauben wollen, erklärt Dietz. Das sei auch ein
       Grund, warum er mit der Aussage so lange gewartet habe. Ein weiterer sei
       aber auch sein Ausscheiden aus der Bundeswehr gewesen.
       
       „Das ist öfters ein Anlass, warum jemand anfängt zu reden“, so Dietz. Aber
       auch fragwürdige Polizeiarbeit hat wohl zu der späten Aussage geführt. So
       habe sich nun herausgestellt, dass derselbe Zeuge bereits [3][vor zwei
       Jahren] eine Aussage hatte machen wollen, die damals von der Polizei aber
       als irrelevant eingestuft worden war.
       
       Der Zeuge berichtet in seiner Aussage auch von einer möglichen
       Schwangerschaft der Toten, so Dietz. Sie habe mit ihm in Kontakt gestanden
       und ihm vorgeworfen, kein Kondom benutzt zu haben. E-Mails an ihre Eltern,
       mit dem dringenden Wunsch, nach ihrer Rückkehr eine Gynäkologin
       aufzusuchen, bestätigen den Verdacht. „Das ist ein weiteres
       Mosaiksteinchen, das durchaus zu dem Rest passen würde“, stellt Uwe Böken
       fest.
       
       Die mutmaßliche Straftat des Zeugen wäre inzwischen verjährt – Totschlag in
       schweren Fällen sowie Mord allerdings nicht. Diese Diskussion ist für Dietz
       aber müßig: „Es gibt keinen Tatverdächtigen.“ Aber den Eltern gehe es auch
       erst mal nur um eine Wiederaufnahme des Strafverfolgungsverfahrens: Es gebe
       so viele Ungereimtheiten, mit denen sich auch die Staatsanwaltschaft nicht
       zufrieden geben sollte.
       
       „Es gab ja nie richtige Ermittlungen“, sagt Dietz. Widersprüchen sei nicht
       nachgegangen worden. „Wer Krimis guckt, weiß, dass etwas nicht stimmt, wenn
       sie kein Wasser in der Lunge hat und keine Schuhe trägt.“ Das sei aber
       nicht alles. Laut Aussagen von Kolleg*innen hatte Böken wegen
       Schlafstörungen mehrfach den Schiffsarzt aufgesucht – der bestritt das.
       Einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens habe er gestellt, so Dietz.
       
       5 Sep 2018
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Archiv-Suche/!740225&s=jenny+b%C3%B6ken&SuchRahmen=Print/
 (DIR) [2] https://www1.wdr.de/nachrichten/rheinland/jenny-boeken-mordvorwurf-100.html
 (DIR) [3] /Archiv-Suche/!5340340&s=jenny+b%C3%B6ken/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Alina Götz
       
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