# taz.de -- Ausreisesperre überraschend aufgehoben: Mesale Tolu darf Türkei verlassen
       
       > Die deutsche Journalistin darf nach eigenen Angaben aus dem Land
       > ausreisen, wie sie auf Twitter schrieb. Der Prozess gegen sie in Istanbul
       > werde aber fortgesetzt.
       
 (IMG) Bild: Der Prozess gegen Mesale Tolu geht weiter. Ihr drohen dabei bis zu 20 Jahren Haft
       
       Istanbul/Frankfurt am Main dpa/epd | Die wegen Terrorvorwürfen in der
       Türkei angeklagte deutsche Journalistin Mesale Tolu darf die Türkei
       verlassen. Ein Gericht habe die Ausreisesperre gegen Tolu aufgehoben,
       teilte der Solidaritätskreis „Freiheit für Mesale Tolu“ am Montagmorgen
       mit. Der Prozess gehe aber weiter. Mesale Tolu selbst bestätigte die
       Mitteilung via Twitter: „Die Meldungen über die Aufhebung meiner
       Ausreisesperre sind richtig. Ich bedanke mich bei meinem Unterstützerkreis
       und bei allen, die mit mir mitgefühlt und an meiner Seite sich für meine
       Freiheit eingesetzt haben“, schrieb sie.
       
       Der Sprecher des Solidaritätskreises, Baki Selcuk, sagte der Deutschen
       Presse-Agentur (dpa), Tolu habe ihm von der Entscheidung des Gerichts schon
       am Freitag erzählt.
       
       Tolus Mann, Suat Corlu, der im selben Verfahren angeklagt ist, wird nach
       Angaben des Solidaritätskreises vorerst in der Türkei bleiben müssen. Seine
       Ausreisesperre bleibe bestehen, heißt es in der Erklärung. Tolu selbst und
       ihre Anwältin waren zunächst nicht erreichbar.
       
       Tolu werde schon in Kürze in Deutschland erwartet. „Wir, der
       Solidaritätskreis “Freiheit für Mesale Tolu“ freuen uns, Mesale [1][nach
       mehr als 17 Monaten], am 26. August, wieder in Deutschland begrüßen zu
       dürfen“, heißt es in der Mitteilung weiter. Zudem wurde darauf verwiesen,
       dass der Prozess gegen die Journalistin weitergeführt werde und ihr dabei
       bis zu 20 Jahre Haft drohten. „Von einem rechtsstaatlichen Verfahren kann
       weder für Mesale, noch für alle anderen zu unrecht inhaftierten Menschen
       keine Rede sein.“
       
       ## Überraschende Entscheidung
       
       Der Fall Tolu hatte, zusammen mit dem des Welt-Reporters Deniz Yücel und
       des Menschenrechtlers Peter Steudtner, die Beziehungen zu Deutschland
       schwer belastet.
       
       Die Entscheidung kam überraschend. Noch Ende April hatte das Istanbuler
       Gericht bei der Fortsetzung des Prozesses gegen Tolu entschieden, die
       Ausreisesperre gegen die 33-Jährige aufrechtzuerhalten. Am 18. Dezember war
       sie per Gerichtsbeschluss aus der Haft entlassen, aber mit einer
       Ausreisesperre belegt worden. Zuvor hatte sie mehr als sieben Monate in
       Istanbul in Untersuchungshaft gesessen. Zwischenzeitlich war ihr kleiner
       Sohn bei Tolu im Gefängnis. Die Verhandlung gegen Tolu, der Mitgliedschaft
       in einer Terrororganisation vorgeworfen wird – gemeint ist die linksextreme
       MLKP – soll am 16. Oktober fortgesetzt werden.
       
       Die Entscheidung des Gerichts kommt inmitten einer Serie von
       Annäherungsversuchen der Türkei an Europa und speziell Deutschland. Mit den
       USA hat die Türkei sich wegen des in der Türkei festgehaltenen US-Pastors
       Andrew Brunson schwer überworfen. US-Präsident Donald Trump hatte
       Sanktionen und Strafzölle gegen die Türkei verhängt, um Brunson
       freizubekommen. Ankara erwiderte die Sanktionen. Das befeuerte eine
       Währungskrise – die Landeswährung Lira brach auf historische Tiefstände
       ein.
       
       Am Mittwoch hatte Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan mit Bundeskanzlerin
       Angela Merkel telefoniert, sein Schwiegersohn und Finanzminister Berat
       Albayrak sprach am Donnerstag mit seinem deutschen Kollegen Olaf Scholz.
       
       ## Politisch motivierte Verfahren?
       
       Die Türkei hatte zudem schon am Dienstag zwei griechische Soldaten aus der
       Haft entlassen – ihre Festnahme hatte die Beziehungen zum Nachbarland
       Griechenland schwer belastet. Am Mittwoch kam dann überraschend auch Taner
       Kilic, Ehrenvorsitzende der in London ansässigen Menschenrechtsorganisation
       Amnesty International, aus der Untersuchungshaft frei. Kilic war vor mehr
       als einem Jahr ebenfalls wegen Terrorvorwürfen inhaftiert worden.
       
       Beide Fälle schienen zuvor festgefahren. Die Türkei betont immer wieder die
       Unabhängigkeit der türkischen Justiz – Beobachter werten die Verfahren
       jedoch als politisch motiviert.
       
       Finanzminister Albayrak hatte betont, dass eine Vertiefung der Beziehungen
       zu Europa und langfristige Zusammenarbeit die beste Antwort auf die
       Bedrohung durch die USA seien. Noch im vergangenen Jahr war das
       deutsch-türkische Verhältnis unter anderem wegen der Inhaftierung mehrerer
       Deutscher in der Türkei zerrüttet gewesen.
       
       Allerdings gehen die Festnahmen weiter. Am vergangenen Mittwoch war ein
       weiterer Deutscher inhaftiert worden. Ihm werde vorgeworfen, über soziale
       Medien Propaganda für die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK verbreitet
       zu haben, sagte sein Anwalt Ercan Yildirim der Deutschen Presse-Agentur.
       Sein Mandant Ilhami A. (46) sei am Mittwoch in der osttürkischen Provinz
       Elazig festgenommen worden. Kurz darauf habe ein Gericht entschieden, der
       Mann müsse in Untersuchungshaft. Zuerst hatte der NDR über den Fall
       berichtet.
       
       ## Sieben weitere Deutsche inhaftiert
       
       Nach offiziellen Angaben sind in der Türkei derzeit sieben weitere Deutsche
       aus „politischen Gründen“ in Haft. Darunter ist der 73-jährige Enver
       Altayli, der am 20. August ein Jahr lang ohne Anklageschrift in Einzelhaft
       sitzen wird, wie seine Familie der dpa sagte. Es gehe ihm gesundheitlich
       schlecht. Erst Ende Juli war der Deutsche Dennis E. im südtürkischen Hatay
       verhaftet worden. Auch ihm wird vorgeworfen, über soziale Medien Propaganda
       für die PKK verbreitet zu haben. Die PKK steht in der EU, den USA und der
       Türkei auf der Terrorliste.
       
       Gegen andere Deutsche, die aus der Haft entlassen wurden und ausreisen
       durften wie der Welt-Reporter Deniz Yücel, gehen die Prozesse ebenfalls in
       Abwesenheit weiter.
       
       20 Aug 2018
       
       ## LINKS
       
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