# taz.de -- Rechtsextreme in der Ukraine: Neonazis bekommen Staatsgeld
       
       > In der Ukraine bekommen Rechtsextreme finanzielle Unterstützung aus
       > Steuergeldern. Eine der Gruppen hat ein Roma-Lager zerstört.
       
 (IMG) Bild: Die Großmutter eines Jugendlichen, der im Juni bei einem Angriff auf ein Roma-Lager in der Westukraine getötet wurde
       
       Die militante rechtsextremistische Gruppe S 14 bekommt in der Ukraine
       staatliche Gelder. Das bestätigte der stellvertretende Minister für Jugend
       und Sport, Mykola Danevych, [1][in einem Schreiben an die taz]. Er sieht
       kein Fehlverhalten bei seiner Behörde. Sein Ministerium finanziere keine
       Organisationen. Es würden ausschließlich „Realisierungen von Projekten
       zivilgesellschaftlicher Organisationen gefördert.“
       
       Weiter schreibt Danevych, das Ministerium lasse sich von „zivilisierten
       europäischen Prinzipien und der Verfassung der Ukraine“ leiten.
       
       Ukrainische Medien wie [2][Hromadske] und später auch die [3][Ukrainska
       Prawda] hatten bereits im Juni berichtet, dass die gewaltbereiten
       Rechtsextremen fast 440.000 Griwna (mehr als 14.000 Euro) bei einem vom
       Ministerium für Jugend und Sport verantworteten Wettbewerb bekommen haben.
       Zum Vergleich: Der durchschnittliche Nettolohn in der Ukraine beträgt etwa
       210 Euro.
       
       An dem Wettbewerb nahmen die Gruppe S 14 selbst teil, aber auch die Gruppe
       „Bildungsversammlung“, zu deren Gründern laut Hromadske auch Ewgenij Karas,
       der Anführer von S 14 zählt. S 14 behauptet unter anderem von sich, am 20.
       April dieses Jahres ein [4][Roma]-Lager in der ukrainischen Hauptstadt Kyiv
       zerstört zu haben. Außerdem haben sie Veranstaltungen von LGBT attackiert.
       In sozialen Netzwerken hatte S 14 auch dieses Jahr zu Maßnahmen gegen die
       KyivPride aufgerufen.
       
       Auf dem [5][kurzen Video, das die Zerstörung des Roma-Lagers am 20. April
       dieses Jahres zeigt], sind Männer, Frauen und Kinder zu sehen, die vor
       teilweise maskierten Männern davonlaufen. Einer der Maskierten wirft einen
       Gegenstand, andere sprühen eine Substanz in Richtung der Fliehenden.
       
       Der Angriff steht in einer [6][Reihe von Überfällen auf Roma-Lager in der
       Ukraine], vor kurzem töteten Maskierte [7][nahe der westukrainischen Stadt
       Lwiw einen Rom].
       
       Bei dem Wettbewerb wählte eine Kommission, so heißt es im Schreiben des
       Ministeriums, „national-patriotische Erziehungsprojekte“ aus, die mit
       staatlichen Geldern gefördert werden. Die Ideen für diese Projekte kamen
       von zivilgesellschaftlichen Organisationen. Die Gruppe S 14 will mit dem
       Geld ein Erziehungszentrum finanzieren. So steht es jedenfalls in der
       Auswahlliste, die das Ministerium dem Schreiben seines stellvertretenden
       Ministers begefügt hat.
       
       Am 21. April hat ein Führungsmitglied von S 14 die Zerstörung [8][des
       Roma-Lagers auf seinem Facebook-Account beschrieben] und mit Fotos
       dokumentiert. Dennoch sieht der stellvertretende Minister für Jugend und
       Sport die Verwicklung von S 14 in den Angriff auf das Lager als nicht
       bewiesen an. Die taz hatte gefragt, ob man im Ministerium von diesem
       Angriff wusste. Danevych schreibt: „Solange die Schuld einer Person an
       einem Verbrechen nicht rechtmäßig bewiesen ist und sie vor Gericht keinen
       Schuldspruch erteilt bekommt, gilt diese Person als schuldlos und kann
       nicht strafrechtlich belangt werden.“
       
       Stellvertretender Minister sitzt in Auswahlkommission 
       
       In seiner Antwort schreibt der stellvertretende Minister für Jugend und
       Sport außerdem, die Kommission sei unabhängig. Jegliche Einmischung in ihre
       Entscheidung sei daher „eine gravierende Verletzung des Menschenrechts auf
       freie Meinungsäußerung und öffentliche Tätigkeit.“
       
       Tatsächlich sitzt Mykola Danevych selbst in der Kommission. Das zeigt
       [9][eine Mitgliederliste]. Wie Hromadske berichtet, ist er der Vorsitzende
       des Gremiums. Außerdem war der Abteilungsleiter für national-patriotische
       Erziehung im Ministerium für Jugend und Sport ebenfalls in der Kommission.
       
       „Formal hat das Ministerium mit seiner Antwort recht“, sagt Hanna
       Hrytsenko, eine Soziologin aus Kyiv, die zu Rechtsextremen forscht. In der
       Ukraine entscheiden oft unabhängige Kommissionen über die Vergabe von
       Staatsgeldern, zum Beispiel auch bei der Filmförderung. „Aber das hier ist
       ein ethisches Problem“, sagt Hrytsenko, „das hat nichts mit der
       Gesetzeslage zu tun.“
       
       Für Hrytsenko ist S 14 eine [10][Neonazi-Gruppe]. „Sie verüben
       Hasskrimininalität und sie benutzen Neonazi-Symbole“, sagt Hrytsenko. Die
       Zahl 14 im Namen verweise auf die 14 words, [11][ein bekannter
       Neonazi-Code].
       
       Auch Anton Shekhovtsov, der sich [12][mit rechtsextremen Bewegungen in ganz
       Europa] beschäftigt, sagt: „S 14 kann gegenwärtig wegen der Attacken auf
       Roma und Drohungen gegen die KyivPride als Neo-Nazi-Gruppe eingeordnet
       werden.“
       
       Die Gruppe selbst lehnt die Bezeichnung ab. S 14 hat Hromadske dafür
       verklagt, [13][sie in einem anderen Fall als Neonazis bezeichnet zu haben.]
       
       Andere Rechtsradikale bekommen ebenfalls Geld 
       
       Auch andere von Rechtsradikalen gegründete Organisationen bekamen von der
       Auswahlkommission Staatsgelder zugesprochen. 760.000 Griwna (knapp 25.000
       Euro) gingen an die Organisation „Holosiivska Kryivka“, die laut Hromadske
       von Mitgliedern der rechtsradikalen Partei „Swoboda“ gegründet wurde.
       
       [14][Holosiivska] ist der Bezirk von Kyiv in dem am 20. April das
       Roma-Lager zerstört wurde. Mykola Danevych war selbst einmal Teil der
       Bezirksverwaltung. Der Bezirk hat laut seiner [15][Facebook-Seite] im
       Dezember 2017 auch eine Vereinbarung über die Zusammenarbeit der Polizei
       mit einer Miliztruppe getroffen, [16][die von einem S 14-Mitglied angeführt
       wird].
       
       Es sei im Übrigen nicht ausgeschlossen, dass rechtsradikalen Organisationen
       die Gelder auch wieder entzogen werden könnten, das schreibt Mykola
       Danevych auch. Im „Falle einer gerichtlichen Verbotsverfügung“, so der
       stellvertretende Minister, könne die Entscheidung der Auswahlkommission
       wieder rückgängig gemacht werden.
       
       Am Dienstag [17][durchsuchte die Polizei die Wohnung des Mannes aus dem
       Führungskader von S14], der auf Facebook geschrieben hatte, seine
       Organisation habe das Roma-Lager in Kyiv zerstört. Ob die Beamten jetzt,
       zweieinhalb Monate nach der Tat, noch etwas Verwertbares gefunden haben,
       ist noch nicht bekannt.
       
       13 Jul 2018
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) [12] https://www.routledge.com/Russia-and-the-Western-Far-Right-Tango-Noir/Shekhovtsov/p/book/9781138658646
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