# taz.de -- ZDF-Doku über das Leben in Postlow: Rechte passen nicht ins Bild
       
       > Das ZDF porträtiert ein Örtchen in Mecklenburg-Vorpommern. Dass es dort
       > ungewöhnlich viele Rechtswähler gibt, bleibt unerwähnt.
       
 (IMG) Bild: In diesem Dorf dreht sich vieles um Deutschland
       
       Seit 14 Jahren betreiben Marlis und Hartmut ihre Obstmosterei inklusive
       angeschlossenem Hofladen. Das Geschäft mit regionalen Produkten läuft gut,
       aber ein schlechtes Erntejahr könnte sie schnell in existenzielle Nöte
       bringen. Doch statt zu jammern, wollen sie ihr Schicksal selbst in die Hand
       nehmen und planen die Eröffnung eines Hofcafés.
       
       Auch der 28-jährige Oliver engagiert sich in seiner Gemeinde. Als
       Wehrführer der Freiwilligen Feuerwehr – dem einzigen Verein der Gegend –
       trainiert er den Nachwuchs. Für das Event des jährlichen
       Weihnachtsbaumverbrennens hat er sogar einen Fahrdienst eingerichtet, damit
       mehr Leute kommen können.
       
       Die ZDF-Reihe „37 Grad“ widmet sich in der Folge „Hier ist noch lange nicht
       Schluss“ dem Dorfsterben in Deutschland. Dafür begleitete Filmemacherin
       Daniela Agostini ein Jahr lang vier Protagonisten aus Postlow, einer
       kleinen Gemeinde im Nordosten von Mecklenburg-Vorpommern, in der
       mittlerweile weniger als 300 Einwohner leben, die Hälfte davon über 50
       Jahre alt. „Postlow ist eine Gemeinde wie viele in den entlegenen Regionen
       Deutschlands: Häuser verfallen, junge Menschen ziehen weg“, heißt es dazu
       im Off-Kommentar.
       
       Allerdings ist es nicht das erste Mal, dass Postlow in den Medien vorkommt.
       Bei der Landtagswahl 2006 konnte die NPD hier gut 38 Prozent der
       abgegebenen Stimmen für sich gewinnen. Die rechtsextreme Partei stellte
       damit nicht nur die stärkste politische Kraft im Ort, sondern erhielt ihr
       bestes Ergebnis im Bundesland [1][(die taz berichtete)].
       
       ## (K)ein Rechtsrocker als Wehrführer
       
       Auch die [2][fragwürdige Haltung des parteilosen Bürgermeisters Norbert
       Mielke] ist damals hervorgehoben worden, der sich weniger von den
       Rechtsextremen zu distanzieren schien, als lieber über „etablierte
       Parteien“, „Scheinwahlen“ und das Versagen der Demokratie herzuziehen, die
       er mit einer Diktatur verglich.
       
       2014 wollten die Gemeindevertreter den Rechtsrocker und Neonazi Ralf
       Städing zum Wehrführer in Postlow ernennen. [3][2015 entschied das
       Verwaltungsgericht Greifswald, dass dieser aufgrund seiner rechtsextremen
       Aktivitäten die beamtenrechtlichen Voraussetzungen nicht erfülle]. Städing
       musste gehen.
       
       Von all dem erfahren die ZDF-Zuschauer nichts. Stattdessen sehen sie
       heimelige Bilder aus einer zurückgelassenen Region und liebenswürdige
       Protagonisten, wie die 74-jährige Ursula, die sich nach einem halben
       Jahrhundert in ihrer Plattenbauwohnung schweren Herzens dazu entscheidet,
       in eine Seniorenresidenz zu ziehen.
       
       Die politische Dimension des gesellschaftlichen Problems taucht erst nach
       zwei Dritteln Sendezeit und nur ganz nebenbei auf: „Doch Frust und
       Unzufriedenheit sind in der Region verbreitet und schlagen sich nieder in
       Wahlergebnissen. Die AfD erzielte bei der letzten Bundestagswahl in
       Mecklenburg-Vorpommern überdurchschnittliche Erfolge.“ Dass Postlow mit
       42,2 Prozent AfD-Stimmen auch innerhalb des Bundeslands hervorsticht,
       bleibt unerwähnt.
       
       ## Einzelschicksale im Fokus
       
       „Wir haben in unserer Sendung Menschen begleitet, die sich mit dem Sterben
       ihres Dorfes nicht abfinden wollen“, äußert sich die ZDF-Redaktion auf
       Nachfrage. „Der Anteil rechter Wähler in der Gemeinde Postlow ist groß,
       aber nicht alle Menschen, die dort leben, teilen diese Einstellungen. ‚37
       Grad‘ ist ein Format, in dem es um bezeichnende Einzelschicksale geht, eine
       Aufarbeitung des Wahlverhaltens der 300-Seelen-Gemeinde war in diesem
       Zusammenhang nicht vorgesehen.“
       
       Doch eben weil es sich um kein unbekanntes Örtchen handelt, muss diese
       Lücke im 30-minütigen Dokumentarfilm stutzig machen. Mag sein, dass man die
       Einwohner Postlows unberechtigterweise unter Generalverdacht stellt,
       genauso wäre es aber auch möglich, dass man beim Schnitt des Films darauf
       geachtet hat, problematische politische Ansichten und Aussagen außen
       vorzulassen. Als wären Politik und Alltag eben zweierlei und leicht zu
       trennen.
       
       Die intransparente Entscheidung, die unrühmlichen Fakten über die Gemeinde
       totzuschweigen, befeuert jedenfalls das Misstrauen gegenüber dem Gezeigten.
       Vielleicht ja auch zu Unrecht, aber wie soll man das als Zuschauer
       beurteilen?
       
       7 Aug 2018
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /!t5043702/
 (DIR) [2] /NPD-Hochburg/!5195335
 (DIR) [3] /Rechtsextreme-bei-der-Feuerwehr/!5200915
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jens Mayer
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Postlow
 (DIR) ZDF
 (DIR) Dokumentation
 (DIR) Dorf
 (DIR) Fernsehen
 (DIR) Postlow
 (DIR) Postlow
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) TV-Reihe für Schicksalsgeschichten: Rentnerglück im ZDF
       
       Die ZDF-Reportagereihe „37°“ feiert Geburtstag. Früher waren die Filme der
       Reihe politischer. Heute setzt man auf vorstrukturierte Alltagsgeschichten.
       
 (DIR) Rechtsextreme bei der Feuerwehr: Neonazi darf kein Wehrführer sein
       
       Die Gemeinde Postlow wollte einen bekannten Neonazi zum Feuerwehrchef
       machen. Darf sie aber nicht, sagt die zuständige Verwaltungsbehörde.
       
 (DIR) Rechtsextreme in Postlow: Viel Rückhalt für Neonazi
       
       Die NPD-Hochburg Postlow macht einen Rechtsrocker zum Feuerwehrchef –
       obwohl ein Erlass des Innenministeriums genau dies verhindern soll.