# taz.de -- Neues Arbeitszeitgesetz in Österreich: Zehntausende gegen 12-Stunden-Tag
       
       > Fast 100.000 Menschen haben am Samstag in Wien gegen das neue
       > Arbeitsflexibilitätsgesetz demonstriert. Es soll am Donnerstag
       > verabschiedet werden.
       
 (IMG) Bild: 12-Stunden-Tag, 60-Stunden-Woche? Diese Vorstellung hat am Samstag viele mobilisiert
       
       Wien taz | Österreichs Gewerkschaftsbewegung lebt. Das bewies sie
       Samstagnachmittag mit einem mächtigen Marsch durch die Wiener Innenstadt,
       als zwischen 80.000 und 100.000 Menschen gegen die Einführung des
       12-Stunden-Tages demonstrierten.
       
       Lange hatte man nicht mehr so kämpferische Töne gehört. „Wenn sie den
       Arbeitskampf wollen, dann sollen sie ihn kriegen“, drohte Josef Muchitsch,
       Chef der Gewerkschaft Bau-Holz. „Wir lassen uns nicht auf den Schädel
       scheißen!“ tönte Susanne Hofer, die Chefin der Gewerkschaftsjugend. Weniger
       drastisch lautete der offizielle Sprechchor: „Wir sind hier, wir sind laut,
       weil man uns die Freizeit klaut“.
       
       Seit Wochen tobt eine heftige Debatte über das Arbeitsflexibilitätsgesetz,
       das den Zwölfstundentag bei einer Gesamtarbeitszeit von maximal 60 Stunden
       die Woche erlauben soll. Das ist eine alte Forderung der
       Arbeitgeberverbände Wirtschaftskammer Österreich (WKO) und
       Industriellenvereinigung (IV).
       
       Die Gewerkschafter sehen einen klaren Zusammenhang zwischen
       Millionenspenden führender Industrieller für den Wahlkampf von Sebastian
       Kurz (ÖVP) und den Reformplänen der konservativen Regierung. Ein skurriles
       Video der WKO, das unter dem Titel [1][„Willkommen in der neuen Welt der
       Arbeit“] die zukünftige Arbeitswelt als Freizeitparadies für Arbeitnehmer
       darstellt, erregte Heiterkeit und Ärger, da es als offensichtliche
       Verhöhnung der arbeitenden Bevölkerung wahrgenommen wurde.
       
       ## Strache muss das Gesetz nun verteidigen
       
       Völlig unberührt von den Protesten blieb Bundeskanzler Kurz, der auf 1900
       Meter Seehöhe im steirischen Schladming die Übernahme des EU-Ratsvorsitzes
       feierte. Während er sich im internationalen Rampenlicht sonnt, überlässt er
       die Verteidigung der unpopulären Reformpläne lieber dem Vizekanzler
       Heinz-Christian Strache (FPÖ), der noch vor wenigen Monaten als
       Oppositionsführer gegen Pläne einer Arbeitszeitverlängerung gewettert
       hatte.
       
       Besonders schlechte Figur machte Sozialministerin Beate Hartinger-Klein
       (FPÖ), die anfangs erklärt hatte, sie habe volles Vertrauen in die
       Unternehmer, dass sie vom geplanten Gesetz nur maßvoll Gebrauch machen
       würden. Aber im Prinzip habe der Arbeitnehmer zu spuren, wenn Mehrarbeit
       gefordert werde.
       
       Strache sah sich dann gezwungen, einen halben Rückzieher zu machen. Im
       Gesetz soll jetzt festgeschrieben werden, dass Überstunden nicht
       angeordnet, sondern auf freiwilliger Basis vereinbart werden müssen.
       Allerdings soll das nur in den erläuternden Bemerkungen verankert werden.
       Bisher ist es so, dass maximal zehn Stunden gearbeitet werden darf und der
       Betriebsrat beizuziehen ist.
       
       Für den vor wenigen Wochen angetretenen neuen Chef des Österreichischen
       Gewerkschaftsbundes (ÖGB), den Sozialdemokraten Wolfgang Katzian, ist das
       Gesetzesvorhaben ein Einstandsgeschenk. Es erlaubt eine Mobilisierung gegen
       eine Regierung, die sonst hohe Popularitätswerte genießt. „Wir werden
       Widerstand leisten mit allen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen“, so
       Katzian in seiner Rede auf dem Heldenplatz.
       
       1 Jul 2018
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.youtube.com/watch?v=hAdMSQA9_XQ
       
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 (DIR) Ralf Leonhard
       
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