# taz.de -- Die Rückkehr des Mittelstürmers: Das Comeback der Kantigen
       
       > Es braucht robuste Spieler wie Romelu Lukaku im Angriff, die nicht
       > unbedingt Tore schießen, aber diese anderen ermöglichen.
       
 (IMG) Bild: Olivier Giroud (rechts) ist einer der Kreativen in Frankreichs Équipe
       
       Zehn Jahre ist es her, als sich einem großen Publikum der Fußball der
       Zukunft zeigte. Diese Revolution ging – heute schwer zu glauben – von
       Russland aus. Im Achtelfinale der EM 2008 spielte das nachsowjetische Team,
       gecoacht vom Niederländer Guus Hiddink, ein astreines 5-5-0-System.
       
       Andrej Arschawin, Roman Pawljutschenko und die anderen rannten die
       bedauernswerten Niederländer in Grund und Boden; die Laufwege der Außen
       schnitten fortwährend diagonal durch die Viererkette des Gegners, bis diese
       tiefe Risse bekam; und gerannt sind sie, als hätte sich der Leibhaftige an
       ihre Fersen geheftet.
       
       Die Abschaffung des Mittelstürmers schien nur noch eine Frage der Zeit. Das
       System der Zukunft würde ein 4-6-0 werden, der Fußball der Zukunft käme
       ohne Stürmer aus. Von diesen Voraussagen ist geblieben: der durch sie
       hindurchging, der Wind. Heuer lief Russland immer noch sehr, sehr viel.
       Aber vorne drin stand Artjom Dsjuba, ackerte und rackerte und rannte und
       brannte und drückte und pflückte die Bälle aus der Luft. Schön war das
       nicht immer, aber leidenschaftlich.
       
       Diese WM hat das Comeback des dreckigen Stürmers gesehen, der dahin geht,
       wo es wehtut, am liebsten dem Gegner. Jeder der Halbfinalisten hat ein
       solches Kampfschwein in der Truppe, und oft standen sie auch im
       Mittelpunkt; [1][Romelu Lukaku hat schon vier Tore gemacht], Harry Kane
       sogar sechs, Mario Mandžukić im Achtelfinale die wichtige Führung gegen
       Dänemark.
       
       Olivier Giroud hingegen hat noch kein Tor gemacht. Tore gelten altbackenen
       Reportern für Stürmer noch immer als Münze. Er selbst wies öfters darauf
       hin, dass er drei mehr oder weniger direkte Torbeteiligungen hatte, als
       wäre das das Entscheidende. Das ist es nicht: Giroud bindet die
       Innenverteidiger, damit jene, die besser Fußball spielen als er, etwas Raum
       haben. Er ist ein Ermöglicher, der unspektakuläre Pinsel, den die Farbe
       braucht.
       
       ## Stürmertypen, die fehlen
       
       Das ist eine undankbare Aufgabe, weil sie nicht sehr telegen ist; man sieht
       ihn kaum. Was ihn auszeichnet, ist, dass sich neben ihm die anderen in
       Szene setzen können; das lässt ihn schwächer erscheinen. Entsprechend ist
       er in Frankreich kritisiert worden, zu Unrecht, wie Trainer Didier
       Deschamps klarstellt. „Man sieht, was er bringt, vor allem dann, wenn er
       nicht spielt“, sagte er.
       
       Das zähe Spiel gegen Australien gibt ihm Recht; Giroud saß 70 Minuten auf
       der Bank, und Frankreichs Kreative Antoine Griezmann, Ousmane Dembélé und
       [2][Kylian Mbappé hatten große Probleme, in die Räume zu kommen]. Sie
       standen sich auf den Füßen; es war, als bräuchten sie einen
       Orientierungspunkt. Im zweiten Spiel brachte Deschamps dann Giroud als
       Zaunpfahl, es lief besser, und gegen Argentinien und Uruguay hat er dann
       sagenhaft intensive Spiele abgeliefert.
       
       Es gibt natürlich einen qualitativen Unterschied zwischen Lukaku und Kane
       einerseits und Mandžukić und Giroud andererseits. Erstere sind die
       begnadeteren Spieler, sie sind auf eine Rolle nicht festgelegt. Aber sie
       können diese Rolle – den Vierer im Sturm zu geben – ausfüllen, wenn nötig.
       Deutschland hat ein solcher Spieler gefehlt; Sandro Wagner hätte die Rolle
       der Genannten übernehmen können.
       
       Es gibt diese Stürmertypen auch im Nachwuchs nicht, das ist die schlechte
       Nachricht für den DFB. Die gute ist: Moden vergehen. Was vor zehn Jahren
       als taktischer Weisheit letzter Fingerzeig galt, ist heute schon vergessen.
       
       9 Jul 2018
       
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