# taz.de -- US-Einwanderungspolitik unter Trump: In Ketten in McAllen, Texas
       
       > 90 Minuten bleiben Richter Ormsby für die Verurteilung von 27 jungen
       > Menschen. Ihr Vergehen: illegaler Grenzübertritt. Ihre Zukunft: ungewiss.
       
 (IMG) Bild: Fußketten für die nächsten Illegalen: Ein Mann in McAllen auf dem Weg ins Gericht
       
       McAllen taz | Lautes Scheppern aufeinanderstoßender Metallteile durchbricht
       die Stille, als Richter Peter Ormsby in den Saal kommt. Wie ein einziger
       Körper erheben sich 27 junge Leute von den Holzbänken. Alle sind
       dunkelhäutig, schwarzhaarig und zierlich. Alle haben den Blick nach unten
       gerichtet, tragen Kopfhörer im Ohr und sind mit Ketten an beiden
       Fußgelenken gefesselt, daher das Scheppern. An den meisten ihrer Schuhe
       fehlen die Schnürsenkel.
       
       In den folgenden 90 Minuten werden die 23 jungen Männer und 4 jungen Frauen
       immer wieder im Chor „si“ und „no“ sagen, was ein amtlicher Übersetzer mit
       „yes“ und „no“ zu Gerichtsprotokoll geben wird. Sie kommen aus
       verschiedenen Ländern, die sie aus unterschiedlichen Gründen verlassen
       haben. Aber ihre individuelle Geschichten spielen bei diesem Verfahren
       keine Rolle. Staatsangehörigkeiten und Lebensumstände kommen nicht einmal
       zur Sprache. Richter Ormsby macht die jungen Leute in Ketten, die sich
       gerade erst kennengelernt haben, zu einem Kollektiv von Gesetzesbrechern.
       Und lässt sie im Chor antworten.
       
       „Ja“, sagen die 27 gemeinsam, sie seien über ihre Rechte informiert worden.
       Und: „Nein“, sie seien weder psychisch krank noch stünden sie unter Drogen
       noch habe jemand Druck auf sie ausgeübt. Am Ende wird jeder von ihnen
       einzeln aufstehen, um die entscheidende Frage des Richters zu beantworten.
       Doch auch in diesem kurzen Moment geben alle die identische
       Ein-Wort-Antwort, die ihnen vorab als der beste Weg nahegelegt worden ist,
       um schnell aus dem Gefängnis entlassen zu werden. „Culpable“ – „schuldig“,
       die Grenze zu den USA illegal überschritten zu haben.
       
       Acht Stockwerke unterhalb des Fensters des Gerichtssaals liegt das weite,
       flache Land des Rio Grande Valley, das die Sonne in dieser Jahreszeit auf
       40 Grad im Schatten erhitzt. Vor wenigen Tagen erst haben die jungen Leute
       den Fluss in der Mitte des Tals durchquert. Viele von ihnen tragen noch die
       staubigen und löchrigen Pullis, mit denen sie gekommen sind. Manche sind zu
       Fuß durch das brusthohe Wasser gewatet, andere haben es auf Flößen
       durchquert.
       
       ## Mit Asylantrag vorläufig in den USA – aber vorbestraft
       
       Um auf der Nordseite des Flusses ein neues Leben zu beginnen, mussten sie
       den Schleppern, Coyotes genannt, schon in ihren Heimatländern Honduras,
       Guatemala und El Salvador mindestens achttausend Dollar versprechen und oft
       schon anzahlen. Doch am Ziel der gefährlichen Reise liefen sie den
       wartenden Grenzschützern von der Border Patrol in die Arme, die sie in
       eines der vier Zentren für „illegale Grenzüberquerer“ in McAllen brachten.
       
       Die 27 sind die letzten von 100 Personen, über deren Schicksal Richter
       Ormsby an diesem Tag entscheidet. Die meisten verurteilt er nur zu so
       vielen Tagen Haft, wie sie ohnehin schon hinter Gittern verbracht haben.
       Zusätzlich erteilt er ihnen die Mindestgeldstrafe von 10 Dollar. Nur jene,
       die bereits zum wiederholten Mal unerlaubt in die USA gekommen sind,
       müssen 20 oder 30 Tage im Gefängnis bleiben. Zum Auftakt jedes
       Schnellverfahrens hat Richter Ormsby auch an diesem Nachmittag gesagt,
       dass er nur für die illegale Grenzüberschreitung zuständig ist und dass es
       jedem freistehe, anschließend Asyl in den USA zu beantragen. Dieser
       Asylantrag ermöglicht es, vorläufig in den USA zu verbleiben – mit stark
       eingeschränkten Rechten. Die meisten Menschen beschreiten diesen Weg. Wer
       kein Asyl beantragt, wird abgeschoben. Doch in jedem Fall hat fortan jeder
       der von Richter Ormsby Verurteilten einen Eintrag im Strafregister, der die
       Chance, jemals legal in den USA zu leben, dramatisch verringert.
       
       Seit dem Beginn der Null-Toleranz-Politik im April, als unerlaubte
       Grenzüberschreitungen von Ordnungswidrigkeiten zu Straftaten wurden, finden
       in dem schwarz verspiegelten Hochhaus im Zentrum von McAllen fünfmal die
       Woche morgens und nachmittags solche Schnellverfahren statt. Richter Ormsby
       spricht hastig, seine Stimme klingt wie die eines Roboters. Aber er sagt
       auch Worte von Mitgefühl. Er dankt den Verurteilten dafür, dass sie das
       Verfahren leicht gemacht und dadurch der Regierung Kosten erspart hätten.
       Er bedauert, dass sie eine „schwierige Zeit“ hinter sich haben. Er wünscht
       ihnen eine „sichere Zukunft“. Und er versichert, dass er als „privater
       Bürger“ froh wäre, wenn sie in seinem Land bleiben und es bereichern
       würden. Zuletzt, bevor er den Raum verlässt, während erneut das Scheppern
       von Metall von den Holzbänken ertönt, mahnt er die jungen Leute in Ketten
       eindringlich: „Bitte kommt nicht wieder illegal hierher.“
       
       Was folgt, sind routinierte Handgriffe. Ein Mann in einer blauen Uniform
       trägt ein dickes Bündel Handschellen in den Gerichtssaal. Zwei Männer in
       grauen Uniformen legen sie den 27 an und führen sie zu dem weißen Bus mit
       vergitterten Fenstern, der am Hinterausgang des Gerichts an der
       abgesperrten Austin Avenue wartet. Beim Einsteigen müssen sich mehrere
       junge Leute an die Bustür lehnen, um trotz der Ketten zwischen ihren Händen
       und Füßen und trotz der Schuhe ohne Schnürsenkel, die an ihren Füßen
       baumeln, nicht zu stolpern.
       
       ## McAllen, Zentrum von Trumps Null-Toleranz-Politik
       
       Von den weißen Bussen des privaten Gefängnisbetreibers Geo gibt es so
       viele, dass sie im Rio Grande Valley zum Straßenbild gehören. Auf ihrer
       Außenwand prangt eine Weltkarte, die aussieht, als wäre Geo ein Reisebüro
       und als führten die Transporte nicht in Gefängnisse, sondern hinaus in die
       Welt.
       
       Pflichtverteidiger Miguel Nogueras ist in Puerto Rico geboren, spricht
       Spanisch und plädiert in McAllen von Berufs wegen für Milde. An diesem
       Freitagnachmittag legt er gute Worte für die „Wiederholungstäter“ ein. Sagt
       über einen: „Er will nur für seine Familie sorgen“, über einen anderen: „Er
       arbeitet hart.“
       
       Die 140.000-Einwohner-Stadt McAllen ist ins Zentrum der
       Null-Toleranz-Politik von Präsident Trump gerückt. In den Käfigen des
       „Verarbeitungszentrums“ der Grenzpolizei an der Ursula Avenue wurden
       zwischen April und Juni mehr als 1.000 Kinder von ihren Eltern getrennt.
       Oft überlisteten die Grenzpolizisten dabei die Mütter. Sie sagten ihnen,
       sie würden die Kinder baden. Oder sie riefen sie zu einem Gespräch, während
       sie die Kinder abführten. Manche Mütter hörten als Letztes, wie ihre Kinder
       nach ihnen riefen.
       
       Anschließend kamen die Eltern in Gefängnisse, und die Kinder – von denen
       die jüngsten Säuglinge waren – verschwanden in Institutionen, die über das
       ganze große Land verteilt sind. Die Familientrennungen verliefen so brutal,
       chaotisch und undurchsichtig, dass auch jetzt noch mehr als 2.000 Kinder
       von ihren Eltern getrennt sind und diese weiterhin nicht einmal wissen, wo
       ihre Sprösslinge leben, geschweige denn Kontakt zu ihnen haben. Manche
       Erwachsene sind schon wieder dorthin abgeschoben worden, von wo sie
       geflohen waren. Sie müssen nun aus Dörfern in Mittelamerika über
       überlastete Telefonhotlines versuchen, ihre verschwundenen Kinder in den
       USA zu finden, ohne Englischkenntnisse, ohne Geld und ohne Unterstützung
       des Landes, das ihnen die Kinder entzogen hat. Zugleich wurden in den USA
       bereits mehrere getrennte Kinder, darunter Fünfjährige, allein vor Gericht
       geladen, wo sie erklären sollten, weshalb sie Asyl benötigen.
       
       Nachdem die Entrüstung über die Familientrennungen quer durch das Land
       gegangen war und zuletzt fast alle Kirchen und selbst einzelne Repulikaner
       im Kongress erfasst hatte, machte Trump einen Rückzieher. Am 20. Juni
       beendete er per Dekret die von seiner Regierung verfügten
       Familientrennungen, von denen er noch am Vortag wahrheitswidrig behauptet
       hatte, sie seien eine gesetzliche Verpflichtung. Aber zugleich bestätigte
       er, dass er an seiner Null-Toleranz-Politik an der Grenze festhalten und
       sie verschärfen werde und dass Familien künftig zwar nicht mehr getrennt
       werden, aber dafür gemeinsam hinter Gitter kommen.
       
       ## In die Freiheit, mit Fußfesseln und Arbeitsverbot
       
       Neu ankommende Erwachsene und unbegleitete Minderjährige füllen nun
       weiterhin die geschlossenen Einrichtungen, die längs der Südgrenze der USA
       in ehemaligen Supermärkten und Zeltstädten entstanden sind. Sie werden in
       Schnellverfahren für ihre Straftat der illegalen Grenzüberschreitung
       verurteilt. Kinder, die gemeinsam mit ihren Eltern kommen, werden nur noch
       in Ausnahmefällen von diesen getrennt. Da die Grenzbehörden noch nicht über
       genug Betten verfügen, um alle Familien gemeinsam hinter Gitter zu bringen,
       kommen die meisten nach wenigen Tagen frei. Sie dürfen zu Angehörigen in
       den USA weiterreisen. Zuvor müssen die Erwachsenen unterschreiben, dass
       sie ihre Zielorte nicht verlassen und nicht arbeiten werden. Und an ihren
       Fußgelenken werden elektronische Fesseln angebracht, mit denen ihre
       Bewegungen aus der Ferne überwacht werden.
       
       „Ich bin gespannt, wann ich dieses Dings loswerde“, sagt ein Salvadorianer,
       der mit seiner 15-jährigen Tochter in die USA gekommen ist. Er sitzt mit
       einem Dutzend anderer Immigranten aus Mittelamerika vor einem Knäuel von
       Kabeln in der katholischen Wohlfahrt von McAllen. Die Kabel führen zu den
       Fußfesseln, deren Batterien jeden Tag drei Stunden lang geladen werden
       müssen, damit sie funktionieren. „Wie soll ich meinen drei Kindern zu Hause
       die 100 Dollar pro Woche schicken, die sie brauchen, um zu essen und in die
       Schule zu gehen, wenn ich nicht arbeiten darf?“, fragt eine
       alleinerziehende Mutter aus Honduras, die mit einem 16-jährigen Sohn
       gekommen ist: „Und wovon sollen wir leben?“
       
       Die beiden Erwachsenen warten in McAllen darauf, dass legal in den USA
       lebende Angehörige ihnen Tickets für Greyhound-Busse schicken – die
       einzigen Verkehrsmittel, mit denen sie weiterreisen dürfen. Sie gehören zu
       den ersten Immigranten, die nach der Aufhebung der Familientrennung
       gekommen sind. Mit ihnen im Halbkreis vor den Steckdosen sitzt ein junger
       Vater aus Honduras, der es einem Zufall verdankt, dass er es in die USA
       geschafft hat. Elder und seine Frau waren in der Opposition aktiv, wurden
       nach eigenen Angaben bedroht und fürchteten um ihr Leben. Sie floh als
       Erste, um Asyl in den USA zu beantragen. Er wollte mit der dreijährigen
       Tochter folgen. Doch das Vorhaben drohte auf einer Brücke zwischen Mexiko
       und den USA zu scheitern. Auf halber Strecke zwischen Matamoros und
       Bronxville versperrten US-Grenzer ihm den Weg. „Wir haben kein Asyl mehr“,
       sagten sie ihm: „Wir haben jetzt Präsident Trump.“ Vater und Tochter
       warteten tagelang auf dem glühend heißen Asphalt. Dann kam Cory Booker, ein
       demokratischer Senator aus New Jersey, auf die Brücke, um das
       Grenzgeschehen mit eigenen Augen anzuschauen. Die Präsenz des Senators war
       nötig, damit Elder Asyl beantragen durfte.
       
       Die Stadt McAllen hat nichts mit den apokalyptischen Verhältnissen zu tun,
       die Donald Trump schildert, wenn er über die Grenze spricht. Während der
       Präsident Mexikaner als Vergewaltiger und Dealer beschreibt, für
       Einwanderer das Synonym „Tiere“ verwendet und behauptet, sie „verseuchten“
       sein Land, ziehen die Einwohner von McAllen vor allem ihren Nutzen aus der
       Grenzlage. Seit Inkrafttreten eines Freihandelsvertrags vor 14 Jahren hat
       sich die Stadt auf die Logistik für Produkte spezialisiert, die jenseits
       der Grenze in Mexiko produziert werden. Im selben Zeitrum ist die
       Bevölkerung von McAllen um ein Drittel gewachsen. Die Stadt bietet neben
       Jobs ein mildes Klima im Winter, niedrige Lebenshaltungskosten und eine
       hohe Freizeitqualität; Meer, Wüste und Gebirge sind in Tagesausflügen zu
       erreichen. Anders als das mexikanische Reynosa, die Metropole auf der
       Südseite des Rio Grande, die ständig neue Rekorde an Entführungen,
       Vergewaltigungen und Morden aufstellt, ist McAllen eine der sichersten
       Städte in Texas. Das Straßenleben ist eine typische Tex-Mex-Symbiose – mit
       mehr spanischen als englischen Worten und mehr Chili- als Ketchup-Geruch.
       
       ## Härte beweisen: Eine Tradition von US-Präsidenten
       
       Das Rio Grande Valley hat schon früheren US-Präsidenten als Kulisse
       gedient, um Härte zu beweisen. George W. Bush ließ im Süden von McAllen
       einen Zaun errichten, der an manchen Stellen fast zehn Meter hoch ist und
       das Gebiet zwischen dem mäandernden Rio Grande und der Stadt de facto zu
       einem Niemandsland gemacht hat, in das fast nur noch Grenzschützer aus dem
       Norden und Immigranten aus dem Süden hineingehen. Barack Obama versprach
       2014 eine Einwanderungsreform, aber er ließ zugleich Abschiebegefängnisse
       für unbegleitete Minderjährige bauen. Trump will seine Mauer an die Stelle
       des Zauns setzen und die Abschiebungen beschleunigen.
       
       In McAllen hat keines dieser Grenzsicherungsprojekte die Anwohner
       überzeugen können. Umweltschützer beklagen, dass eine Mauer Biotope
       zerstören würde. Alteingesessene Bewohner des Valley erinnern sich daran,
       wie sie in ihrer Jugend zu Partys auf der anderen Seite gefahren sind und
       dass sie die Feuerwehr angerufen haben, wenn sie Immigranten sahen, die
       durstig oder verloren wirkten. Solche Anrufe würden heute unweigerlich zur
       Abschiebung führen, weshalb viele Menschen sie nicht mehr tätigen.
       
       Trumps Null-Toleranz-Politik hat im Rio Grande Valley auch Alteingesessene
       stärker unter Druck gesetzt. Cristela Rocha, eine Mexikanerin, die legal im
       Tal lebt, beschreibt ihre permanente Angst, dass ihre Lieben von einer
       beliebigen Autofahrt nicht zurückkehren könnten, weil sie von
       Grenzschützern abgefangen und abgeschoben worden sind. Sie ist in der
       Organisation LUPE aktiv, die seit Mitte Juni einen rotierenden Hungerstreik
       organisiert, um die an der Grenze getrennten Familien zu unterstützen und
       ihre Wiedervereinigung durchzusetzen. „Lasst uns gemeinsam das Brot
       brechen, nicht die Familien“, lautet ihr Slogan für ihre Aktion, bei der
       jeden Tag um 12 Uhr mittags eine neue Gruppe von Freiwilligen ein
       24-stündiges Fasten beginnt.
       
       McAllens Bürgermeister Jim Darling, ein Unabhängiger mit libertären
       Sympathien, hat seit 2014 Hunderttausende Dollar für die humanitäre Arbeit
       der katholischen Kirche bereitgestellt, die unbegleitete Minderjährige wie
       Familien unterstützt. Der Konsens darüber ist in der Stadt so groß, dass
       das Thema bei seiner Wiederwahl im letzten Jahr keine Rolle spielte. Wie
       die meisten Bewohner von McAllen glaubt auch Bürgermeister Darling nicht,
       dass „Null Toleranz“ potenzielle Immigranten aus Mittelamerika abschrecken
       wird. Stattdessen predigt er eine Kooperation, „denn unser Drogenkonsum und
       die Stärke der Kartelle und die Korruption in Mittelamerika hängen ganz
       einfach zusammen“.
       
       Vor dem Busbahnhof von McAllen hält ein weißer Bus mit vergitterten
       Fenstern an. 30 Personen steigen aus. Es sind vor allem junge Frauen, ein
       paar Männer, und mehr als ein Dutzend Kinder sind auch dabei. Sie sind nach
       tagelanger Haft entlassen worden, wirken erschöpft und verängstigt. Die
       Frauen halten ihr Haar mit Metallpapier zusammen. Ein kleiner Junge wirft
       sich auf den Asphalt und schreit nach Wasser.
       
       ## Applaus für die Neuankömmlinge
       
       Ein braun gebrannter Mann fährt auf einem Elektroscooter auf die Gruppe zu
       und führt sie in den gekühlten Innenraum des Busbahnhofs. Luis Guerrero
       versucht, als Freiwilliger am Busbahnhof Ordnung in die ersten Schritte von
       freigelassenen Migranten zu bringen. Während jemand Schnürsenkel ausgibt,
       damit sie die Schuhe wieder zubinden können, ruft Luis Guerrero die Namen
       von Personen auf, für die bereits Bustickets am Schalter liegen. Verteilt
       große Briefumschläge, auf denen auf Englisch steht: „Ich spreche kein
       Englisch, danke für Hilfe“.
       
       Die Migranten sind seit Wochen in der Hand von Fremden gewesen. Nach den
       Schleppern, die sie zwischen Bussen, Lkws und zu Fuß in Mittelamerika und
       Mexiko versteckt haben, haben sich die Grenzschützer um sie gekümmert, die
       ihnen die Schnürsenkel und Haarspangen abgenommen haben. Jetzt wissen sie
       nicht einmal mehr, ob sie mit einer Fremden reden dürfen. „Ist das
       erlaubt?“, fragt eine junge Frau, die mutig genug war, mit einem Baby die
       gefährliche Reise zu machen.
       
       Dann führt Luis Guerrero die erste Gruppe von freigelassenen Migranten
       dieses Tages zwei Blocks weit zur Beaumont Avenue, wo Schwester Norma
       Pimentel und freiwillige Helfer aus allen Teilen der USA auf sie warten.
       Als sich die Tür öffnet, beginnt für die Migranten der erste erhebende
       Moment im neuen Land. Die Helfer stehen in einer Reihe und applaudieren
       jeder Person, die durch die Tür kommt. „Wir wollen ihnen das Gefühl geben,
       dass sie hier willkommen sind“, sagt der 67-Jährige Mike Holy, den seine
       Schirmmütze als Vietnam-Veteranen ausweist. Ihm geht es darum, so sagt er,
       sowohl dem amerikanischen Präsidenten als auch den Neuankömmlingen eines
       über die Null-Toleranz-Politik deutlich zu machen: „Nicht in meinem Namen.“
       
       5 Jul 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dorothea Hahn
       
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