# taz.de -- Kolumne Russia Today: Warum China die WM rettet
       
       > Viele halten die chinesischen Fans für wenig wählerisch. Doch ohne sie
       > wäre die Umsetzung der WM in Russland schwierig geworden.
       
 (IMG) Bild: Man kann sie wohl doch nicht zu den typischen Erfolgsfans zählen – chinesische Stadionbesucherin
       
       Abwechselnd grün und rot hat die eine Chinesin ihre Fingernägel lackiert:
       die portugiesischen Nationalfarben. Die andere aus dem Reich der Mitte hält
       ein kleines Fähnchen des südwesteuropäischen Landes in der Hand und
       zwirbelt es hin und her.
       
       Die beiden sitzen in Moskau am Flughafen und sind auf dem Weg nach Sotschi
       zum Achtelfinale. Uruguay ist ihnen egal, aber das portugiesische Team
       verfolgen sie bereits das gesamte Turnier auf Schritt und Tritt. Diese
       Anhänglichkeit hat Portugal [1][Fußballtitan Cristiano Ronaldo] zu
       verdanken. „Er ist unser Idol“, sagt die eine so ernsthaft wie andächtig.
       
       Für Menschen, die das nicht verstehen können, muss erwähnt werden, dass die
       Chinesinnen durchaus flexibel sind – und man sie aber wohl doch nicht zu
       den typischen Erfolgsfans zählen kann. Wenn Portugal pausierte,
       unterstützten sie auch mal andere Teams, beispielsweise das deutsche.
       
       Auf ihrem Handy zeigen sie mir die Fotos von der Schmach der Schweden, bei
       der sie mit Deutschlandfahne auf der Stadiontribüne posieren. Miroslav
       Klose, der Ronaldo nicht gerade zum Verwechseln ähnlich sieht, war auch mal
       eines ihrer Idole.
       
       ## Chinesiche Offenheit ist Wohltat für die WM
       
       Die Chinesen, das geht bei dieser Weltmeisterschaft leider etwas unter,
       spielen bei dem Turnier sowieso eine sehr hilfreiche Rolle. Der Fifa
       retteten sie bereits vor dessen Beginn den Arsch: Zwar waren dem
       Weltverband im Zuge des Korruptionsskandals 2015 potente westliche
       Sponsoren abhandengekommen. Aber nun gehören zu den wichtigsten zwölf
       WM-Förderern in Russland vier große chinesische Konzerne, darunter ein
       Speiseeishersteller.
       
       Das 1,4-Milliarden-Volk gehört zudem zu den wichtigsten Abnehmern von
       WM-Tickets. Dabei hat sich sein Team gar nicht qualifiziert. Laut dem
       Kreditkartenkonzern Visa geben sie gemeinsam mit den ebenfalls teamlosen
       Amerikanern am meisten Geld in Russland aus. Und jetzt suchen sie sich
       neben schönen Andenken und gutem Essen eben auch ihre Lieblingsteams aus:
       heute dies, morgen mal das.
       
       Diejenigen, die sich für richtige Fußballfans halten, spotten gern über
       derlei wankelmütige Loyalitäten. Doch dem Turnier kann die chinesische
       Offenheit nur guttun. Dessen völkerverbindendes Potenzial wird ohnehin
       zunehmend von nationalistischen Nebengeräuschen wie spaltendem Torjubel und
       scheinheiligen Integrationsdebatten gestört.
       
       Ich habe keine Ahnung, in welchem Zustand die beiden asiatischen
       Ronaldo-Anhängerinnen das Stadion verlassen haben. Wahrscheinlich mit
       hängenden Köpfen, wahrscheinlich haben sie es ihrem großen Idol
       gleichgetan. Aber: Das Gift der Niederlage wird sie nicht versauern lassen.
       Irgendwen werden sie gewiss im Viertelfinale anfeuern. Ich tippe mal auf
       Frankreich und Kylian Mbappé.
       
       2 Jul 2018
       
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