# taz.de -- Biologin über Wolfangriff in Polen: „Die erste Attacke seit 1945“
       
       > In Polen hat ein Wolf Kinder leicht verletzt: Für die Wolfsexpertin
       > Sabina Pierużek-Nowak kein Grund, die Tiere abzuknallen.
       
 (IMG) Bild: Sie haben es überlebt: Wölfe im Wald
       
       taz: Frau Pierużek-Nowak, ein Wolf hat zwei kleine Kinder im
       südostpolnischen Bieszczady-Gebirge angegriffen. Wie soll man auf den
       Vorfall reagieren? Die Wölfe in Polen abschießen?
       
       Sabina Pierużek-Nowak: Nein. Erst mal müssen wir herausfinden, woher dieser
       sehr junge Wolf kam. Ob er aus einem Wolfsrudel aus den Bieszczady stammt –
       und noch nie Menschen angegriffen hat? Oder ob er möglicherweise vorher
       Kontakt mit Menschen hatte und im Wald ausgesetzt wurde? Man kann ja nicht
       alle wilden Wölfe für das seltsame Verhalten dieses einen Wolfs
       verantwortlich machen. Seit Kriegsende gab es keine einzige Wolfsattacke
       auf Menschen in Polen.
       
       Da Wölfe regelmäßig Schafe, Ziegen und manchmal sogar Kühe reißen, fordern
       Bauern dennoch ihren Abschuss. Was bringt das? 
       
       Wenig. Es sind hier jährlich gerade mal 1.000 Weidetiere, die von Wölfen
       gerissen werden. Die Bauern melden das und bekommen dann pro Tier eine
       Entschädigung. Umgerechnet sind das 180.000 Euro jährlich – oder 3,6
       Prozent aller Entschädigungszahlungen. Die Hauptschäden durch Tiere, die
       unter Naturschutz stehen, werden durch Biber verursacht. Der natürliche
       Feind der Biber ist der Wolf. Schießt man ihn ab, werden die Schäden durch
       Biber nur noch größer. Zudem wissen die Bauern in den Karpaten, den
       Bieszczady und anderswo, wie sie ihre Weiden sichern müssen. Es sind ja
       auch keineswegs nur Wölfe, die gerne mal ein Lämmchen reißen. In Polen sind
       auch Braunbären unterwegs, Luchse und – nicht zu vergessen – streunende
       Hunde, die der Hunger manchmal nahe an die Dörfer treibt.
       
       Wie viele Wölfe gibt es in Polen? 
       
       Anders als Deutschland, das mit rund 80 Wölfen eine gezählte Zahl angeben
       kann, müssen wir uns auf Schätzungen beschränken. In Polen war der Wolf nie
       ausgerottet, sondern lebte immer in den Wäldern, so dass wir – geschätzt –
       von bis zu 2000 Wölfen ausgehen.
       
       Kann man sagen, dass Wölfe für den Menschen gefährlich werden, sobald ihre
       Zahl ein gewisses Limit überschreitet? 
       
       Wir haben zur Zeit mit dem ersten Fall einer Attacke seit 1945 zu tun. Sie
       scheint aber nichts mit der Zahl der Wölfe insgesamt zu tun zu haben.
       
       Vorgestern hat ein Pitbull ebenfalls zwei Kinder in der Nähe von Warschau
       angefallen – und ihnen lebensgefährliche Verletzungen beigebracht. Sind
       manche Hunde gefährlicher für Menschen als Wölfe? 
       
       Absolut! Wir haben in Polen jedes Jahr mehrere Opfer, Kinder wie
       Erwachsene, die an Hundebissen sterben. Viele tragen entstellende Narben
       davon.
       
       Viele Deutsche haben Angst vor Wölfen. Es gibt Märchen über gefährliche
       Wölfe. Woher kommt das? 
       
       Da sind wohl die Gebrüder Grimm schuld. Der böse Wolf will das Rotkäppchen
       auffressen. Bei uns gibt es keine Märchen über böse Wölfe. An der Grenze
       zur Ukraine gibt es sogar eine Kapelle mit einer Wolfsfigur. Dorthin
       pilgern Frauen, die nicht schwanger werden können. Auch in den Bieszczady,
       wo dieses Jungtier die beiden Kinder angegriffen hat, brach keine Panik
       aus. Dort leben die Menschen sehr naturverbunden. Alle sagten, dass sich
       dieser Wolf seltsam verhalten habe. Ganz anders, als sich normalerweise
       Wölfe verhalten. Also – keine Panik!
       
       30 Jun 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gabriele Lesser
       
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