# taz.de -- Abgesagtes Vor-WM-Spiel in Israel: Jerusalem fürchtet Nachahmer
       
       > Die argentinischen Kicker haben das Freundschaftsspiel in Israel
       > abgesagt. Nun hat man vor Ort Sorge, dass dies Nachahmer findet.
       
 (IMG) Bild: Im Vorfeld hatte es Protest gegeben – und wohl auch Morddrohungen gegen Messi
       
       Jerusalem taz | Im Kibutz Or HaNer ist die Enttäuschung groß. Mit zwei
       Bussen wollten 70 Leute aus der einst von argentinischen Juden gegründeten
       Landwirtschaftskooperative am Samstag zum Freundschaftsspiel gegen
       Argentinien nach Jerusalem fahren. „Ein Jahr haben wir darauf gewartet“,
       sagt der Endsechziger Marcello, der Karten für sich und seine Enkel
       ergattert hatte und nun die T-Shirts vom FC Barcelona mit der Nummer 10
       wieder im Schrank verstaut.
       
       Politik und Sport dürfe nicht vermischt werden, findet er. Dass Fußballstar
       Lionel Messi dem politischen Druck der Palästinenser nicht standgehalten
       habe, sei ein schwerer Schlag. Erst am Dienstag kam die offizielle Absage.
       Aus Sorge um die Spieler wolle man auf die Reise nach Jerusalem verzichten.
       Gegen Messi habe es Morddrohungen gegeben.
       
       So recht mag man in Israel der argentinischen Ausrede nicht trauen. „Wie
       schade, dass die Fußball-Edelmänner Argentiniens dem Druck der
       Israel-Hasser nicht standhalten konnten“, twitterte Verteidigungsminister
       Avigdor Lieberman. Messi und seine Teamkameraden sind nicht die ersten
       Weltstars, die kurzfristig Auftritte in Israel absagten. Drahtzieher des
       Boykotts war diesmal Dschibril Radschoub, Chef des Palästinensischen
       Fußballverbandes. „Unter den gegebenen Umständen“, so meinte er, sei das
       Freundschaftsspiel „entschieden zu verurteilen“.
       
       Wütend war der palästinensische Fußballfunktionär vor allem darüber, dass
       das Spiel in Jerusalem stattfinden sollte. Geplant war es zunächst in
       Haifa. Schon im Vorfeld der Absage forderten Palästinenser auf Schildern:
       „Zeigt Israel die rote Karte!“ Sollte Messi in Jerusalem spielen, werden in
       Ramallah Fotos von ihm brennen, die Trikots Barcelonas und der argentischen
       Nationalmannschaft, so warnte Radschoub.
       
       ## An Jerusalem erhitzen sich die Gemüter
       
       An Jerusalem, der „ewig ungeteilten Hauptstadt“, wie Israels Regierungschef
       Benjamin Netanjahu meint, erhitzen sich die Gemüter. Auch die
       Palästinensern fordern „Al Kuds“, die „Heilige“, als Hauptstadt ihres
       künftigen Staates. Präsident Mahmud Abbas kündigte gar komplett den Dialog
       mit den USA auf, nachdem sein Amtskollege in Washington Donald Trump
       Jerusalem als israelische Hauptstadt anerkannte und jüngst aus Anlass von
       Israels 70. Gründungsjubiläum auch noch die US-Botschaft dorthin verlegte.
       
       Die Palästinenser setzen sich auf der diplomatischen Bühne per BDS-Kampagne
       (Boykott, Deinvestition und Sanktionen) zur Wehr, indem sie weltweit
       Stimmung gegen Israels Besatzungspolitik machen. Zuletzt hatte die in
       Israel geborene Schauspielerin Natalie Portman aus Protest gegen die
       Politik Netanjahus ihr Kommen verweigert. Sie hätte in Jerusalem einen
       Preis entgegen nehmen sollen. Die Absage des argentinischen Fußballteams
       ist bislang der größte Erfolg der BDS-Kampagne.
       
       Hätte man das Spiel nur wie geplant in Haifa stattfinden lassen, so wettert
       Israels Opposition, dann wäre vermutlich gar nichts passiert. Eine Umfrage
       von „Channel 10“ zeigt, dass 61 Prozent der Befragten die Entscheidung, das
       Spiel in Jerusalem stattfinden zu lassen, für einen Fehler halten.
       
       Laut Netanjahu war auf Druck von Kultur- und Sportministerin Miri Regev im
       Mai für die Verlegung ins Teddy-Stadion im jüdischen Westjerusalem
       entschieden worden. Regev steht rechts-außen im Likud und gilt in weiten
       Kreisen als radikale Kulturbanausin. Die Sportministerin habe sich im Spiel
       gegen BDS ein „spektakuläres Eigentor“ geleistet, kommentierte
       Oppositionsführer Izhak Herzog.
       
       ## Man fürchtet nun Nachahmer
       
       Regev wies die Vorwürfe von sich. Die Unterstellung, das Spiel finde
       aufgrund der Ortsverlegung nicht statt, sei „eine jämmerliche Lüge“. Hier
       ginge es um „denselben Terror, der zum Mord an den elf Athleten in München
       führte“, zog sie einen Bogen zur Olympiade 1972. Zudem habe nicht sie
       selbst, sondern Regierungschef Netanjahu bereits vor vier Monaten die
       argentinische Mannschaft nach Jerusalem eingeladen. „Netanjahus Regierung
       zieht vielleicht Trump auf seine Seite, aber er verliert den Rest der
       Welt“, frohlockte der israelisch-arabische Knesset-Abgeordnete Ayman Odeh.
       Zum Sieg führe allein ein Weg: „das Ende der Besatzung und ein echter
       Friedensvertrag“.
       
       In Jerusalem fürchtet man nun, dass die argentinischen Kicker Nachahmer
       finden könnten. „Entweder in Jerusalem oder gar nicht“, kündigte
       Kulturministerin Regev forsch an, den Eurovision Song Contest nächstes Jahr
       in der „ewig ungeteilten Hauptstadt“ auszurichten. Vor vier Wochen gewann
       die Israelin Neta Barzilai den Song Contest mit ihrem Schlager „Toy“.
       
       8 Jun 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Susanne Knaul
       
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