# taz.de -- Regierungsbildung in Italien: Jetzt kommen doch Neuwahlen
       
       > Die Regierungsbildung in Italien ist gescheitert. Präsident Mattarella
       > hat den von M5S und Lega vorgeschlagenen Finanzminister abgelehnt.
       
 (IMG) Bild: Staatspräsident Sergio Mattarella am Sonntagabend in Rom
       
       Italiens neue Regierung ist geplatzt, ehe sie überhaupt zustande kam. Mehr
       noch: Das Land steht vor einer schweren institutionellen Krise, vor einem
       beispiellosen Zusammenstoß zwischen den beiden verhinderten
       Regierungsparteien Movimento5Stelle (M5S, 5-SterneBewegung) und der Lega
       einerseits, dem Staatspräsidenten Sergio Mattarella andererseits. Und statt
       einer von einer Mehrheit im Parlament getragenen Regierung werden die
       Italiener jetzt Neuwahlen erhalten.
       
       Der Startschuss zu dieser Krise fiel am Sonntag gegen 20 Uhr, als der
       designierte Ministerpräsident, der parteilose Juraprofessor Giuseppe Conte,
       nach einem letzten Gespräch mit Mattarella erklärte, er habe den Auftrag
       zur Regierungsbildung zurückgegeben. Zuvor hatte der Staatspräsident die
       ihm von Conte vorgelegte Kabinettsliste beinahe komplett abgesegnet – mit
       einer gewichtigen Ausnahme allerdings. Er erteilte sein Veto gegen die
       Berufung des Ökonomen Paolo Savona zum Finanzminister, im vollen
       Bewusstsein, dass Lega und Fünf Sterne ihrerseits dieses Veto nie und
       nimmer akzeptieren würden.
       
       Die beiden Parteien werfen Mattarella vor, mit seinem Machtwort seine
       verfassungsmäßigen Rechte zu missbrauchen und die inhaltliche Ausrichtung
       ihrer Regierung beeinflussen zu wollen. Das M5S und die Lega hatten die
       Parlamentswahlen vom 4. März mit 32,7% bzw. 17,4% klar gewonnen und sich in
       langen Verhandlungen auf ein Regierungsprogramm ebenso wie auf den
       parteilosen Conte als Regierungschef verständigt. Bis zu diesem Zeitpunkt
       war der Dialog der beiden Anti-Establishment-Parteien mit Mattarella
       einigermaßen spannungsfrei verlaufen, und vor allem das Verhältnis des
       jungen M5S-Chefs Di Maio zum Staatschef wurde als geradezu harmonisch
       beschrieben.
       
       Doch mit der Harmonie war es spätestens am Donnerstag vorbei, als
       durchsickerte, dass der Vorsitzende der stramm rechtspopulistischen, ebenso
       fremden- wie EU-feindlichen Lega, Matteo Salvini, den 81-jährigen
       Wirtschaftsprofessor Paolo Savona zum Finanzminister ernannt sehen wollte.
       Savona ist eigentlich durch und durch ein Mann des italienischen
       Establishments, der Ökonom genießt in seiner Zunft hohe Anerkennung, er war
       schon einmal in den Jahren 1993-1994 in dem Technikerkabinett unter Carlo
       Azeglio Ciampi Minister, er hatte Großunternehmen genauso wie den
       Einlagensicherungsfonds der Banken geleitet.
       
       ## Kategorische Ablehnung
       
       Dennoch hat der alte Herr in Mattarellas Augen einen entscheidenden Makel.
       Er fiel in der Vergangenheit mit äußerst kritischen Tönen zum Euro auf, in
       seinen Augen eine Fehlkonstruktion, in der Deutschland den Nutzen, Italien
       den Schaden davonträgt. In einem jetzt wieder ausgestrahlten
       Fernsehinterview von 2010 ist allerdings keineswegs ein geifernder
       Anti-Europäer zu sehen, sondern ein Mann, der für den Ausbau der EU zur
       politischen Union plädiert, da nur so der Euro auf Dauer tragfähig sei.
       
       Savona allerdings nahm sich auch das Recht heraus, über einen „Plan B“ für
       Italien nachzudenken, sollte die Gemeinschaftswährung scheitern. Zuviel für
       Mattarella, der seinerseits fürchtete, von ihm als Finanzminister könne das
       fatale Signal Richtung Europa ausgehen, Italien habe jetzt dieses
       Schlüsselamt mit einer Person besetzt, die dem Euro mit großer Skepsis
       gegenübersteht. Doch bei Lega-Chef Salvini biss der Staatspräsident auf
       Granit. Salvini machte schon letzte Woche umgehend klar, die Lega habe für
       die Besetzung des Finanzministeriums keinen Plan B. Stattdessen werde die
       gesamte Regierungsbildung platzen, werde das Land notgedrungen zu Neuwahlen
       schreiten, wenn Mattarella bei seinem Nein zu Savona bleibe.
       
       Da nützte es wenig, dass Luigi Di Maio vom M5S bis zur letzten Minute zu
       vermitteln suchte, wenig auch, dass Savona selbst am Sonntag eine Erklärung
       veröffentlichte, in der es hieß, „ich möchte ein anderes Europa, ein
       stärkeres, aber auch ein gerechteres Europa“, wenig auch, dass das M5S auf
       den Koalitionsvertrag hinwies, in dem sich die beiden Partner darauf
       festgelegt hatten, die europäischen Vertragsverpflichtungen einhalten zu
       wollen.
       
       Doch Mattarella blieb bei seiner kategorischen Ablehnung Savonas. Am
       Sonntagabend hatte er sein letztes fruchtloses Gespräch mit Conte. Er habe
       die „Unsicherheit unserer Position im Euro“, die „bei italienischen und
       ausländischen Investoren Alarm ausgelöst“ habe, nicht hinnehmen können,
       führte er aus, ihm obliege „der Schutz der italienischen Sparer“ führte er
       sein Nein zu Savona aus.
       
       ## Techniker für Regierungsbildung
       
       Dieses Nein trug ihm umgehend äußerst harsche Reaktionen der Lega und des
       M5S ein. Di Maio äußerte sich empört darüber, dass man in Italien als
       Vorbestrafter Minister werden könne, nicht aber , „wenn du den Euro
       kritisiert hast“, und legte nach: „Dann sagen wir es doch klar, dass es
       unnütz ist, wählen zu gehen, die Regierungen werden von den
       Ratingagenturen, von den Bank- und Finanzlobbies entschieden“. Auf einer
       M5S-Kundgebung ging er noch einen Schritt weiter und forderte, das
       Parlament solle ein Impeachment-Verfahren gegen Mattarella einleiten, auch
       um „Reaktionen der Bevölkerung zu vermeiden“. Er selbst habe sich loyal zur
       Verfassung verhalten, „nicht ich habe sie heute Abend verraten“, fügte er
       in offener Anspielung auf den Staatschef hinzu.
       
       Drohende Töne ließ auch Lega-Chef Salvini vernehmen, der zwar nicht von
       Impeachment redete, aber sagte, „morgen wollen wir ein Datum für die
       Neuwahlen, sonst kommen wir nach Rom“, und damit unverhohlen
       Straßenproteste ankündigte. Was für ein Wahlkampf dann auf Italien zukäme,
       lässt sich sich schon jetzt absehen. Während in der letzten Wahlkampagne
       das Thema Europa keinerlei Rolle spielte, dürfte es in der nächsten Runde
       zentral werden, zusammen mit dem Frontalangriff der beiden
       Antisystemparteien auf den Staatspräsidenten, der in ihren Augen die Wähler
       um eine von ihnen mehrheitlich getragene Regierung betrogen hat.
       
       Zunächst einmal aber will Mattarella am Montag einem Techniker den Auftrag
       zur Regierungsbildung erteilen, dem früheren IWF-Direktor und früheren
       Regierungskommissar für Einsparungen im Staatshaushalt Carlo Cottarelli.
       Ihm dürfte es kaum gelingen, eine Mehrheit im Parlament zu finden, damit
       bliebe ihm die Aufgabe, das Land zu Neuwahlen im September oder Oktober zu
       führen. Davon verspricht sich vor allem die Lega viel. Sie konnte in den
       letzten Wochen in den Meinungsumfragen auf bis zu 25 Prozent zulegen, und
       mit einiger Sicherheit hätten die Anti-Establishment-Parteien auch im neuen
       Parlament wieder eine Mehrheit.
       
       28 May 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Michael Braun
       
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