# taz.de -- Musikkritik mit Ex-Minister: Popsalon mit DJ Dosenpfand
       
       > Von Black Music über New Wave bis zum skandalösen Echo-Preis: Jürgen
       > Trittin diskutiert in Berlin mit Jens Balzer und Tobi Müller.
       
 (IMG) Bild: Grünenpolitiker Jürgen Trittin alias DJ-Dosenpfand
       
       Es gibt sie noch, die gepflegte Popkritik. Am Dienstagabend zu erleben im
       Deutschen Theater zu Berlin. Und erstaunlicherweise versteht auch Jürgen
       Trittin etwas davon. Von 1998 bis 2005 war der Grünen-Politiker
       Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, machte sich
       nebenher aber auch einen Namen als DJ Dosenpfand. So gelabelt, legte der
       gebürtige Bremer hin und wieder Musik auf. „DJ Dosenpfand“, eine polemische
       Anspielung auf den Hass, der ihm als Minister von Teilen des Boulevards
       entgegenschlug, als er – revolutionär! – das Pfand auf metallene
       Getränkedosen durchsetzte.
       
       Nun war DJ Dosenpfand also zu Gast bei den Autoren Jens Balzer und Tobi
       Müller im Deutschen Theater Berlin. Und wie es sich für Kritiker und einen
       Popsalon gehört, wurde er dort mit Respekt, aber auch mit wohldosierter
       Häme empfangen. Die Linken hätten doch immer etwas gegen Popkultur und die
       Konzepte aus Großbritannien und den USA gehabt. Was habe er denn so in
       seiner Jugend gehört, Ougenweide oder die „Proletenpassion“ der
       Schmetterlinge? Raunen im Publikum, Gekicher.
       
       Trittin kontert und pariert keineswegs überheblich, wie man es von einem
       Spitzenpolitiker vielleicht erwartet hätte. Musikalisch habe er sich nicht
       am AK (Arbeiterkampf), der damaligen Zeitschrift des KB (Kommunistischer
       Bund) orientiert. Eher an den Frankfurter Spontis und deren Illustrierte
       Pflasterstrand. Klar, eine Band wie Ton Steine Scherben sei auch dabei
       gewesen. Doch wichtiger wurden dann Punk (Sex Pistols), Kraftwerk und New
       Wave (Trio).
       
       ## Prince versus Zwerggangster
       
       Seine offene popkulturelle Haltung macht Trittin mit dem Auftakt des
       Abends, „Cream“ einem Stück von Prince, deutlich. Das Musikvideo von 1991,
       extrem opulent und lustig komponiert, ist ein Spiel mit
       Schwarz-Weiß-Zuschreibungen und solchen von heterosexueller Sexualität.
       Hinreißend, und aus einer Zeit, als das Musikfernsehen (MTV) noch
       stilprägend war und nebenbei in den Bars der popkulturellen Subkultur lief.
       
       In hartem Kontrast standen „Cream“ sowie ein Video der Talking Heads („Road
       to Nowhere“ von 1985) zu anderen Einspielern, mit denen Balzer und Müller
       Gast und Publikum konfrontierten.
       
       Darunter auch eine Aufzeichnung des Auftritts von Farid Bang und Kollegah
       beim deutschen Musikpreis Echo. Sehr sachlich besprachen die beiden
       Popkritiker eine von Farid Bang und Kollegah bewusst in faschistischen
       Symbolzitaten eingespielte Choreografie. Was für ein Kontrast zu Prince und
       anderen. Die populären deutschen Rapper beherrschen, wie Trittin anmerkte,
       das popkulturelle Spiel mit den Rollen nicht. Stattdessen machen sie eins
       zu eins auf stumpfen männlichen Authentizitätskult.
       
       Der Abend mit Balzer, Müller und Trittin hatte alles, was gute Popkritik
       heute auszeichnet. Eine Beschäftigung mit den Niederungen des Genres, aber
       zum Ausklang auch klasse Songs und Videos von Vizediktator oder der
       wunderbaren Tracey Thorn („Sister“).
       
       16 May 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Fanizadeh
       
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