# taz.de -- Theater mit Jugendlichen aus Südafrika: Tanz in die Zukunft
       
       > Die Choreografin Constanza Macras blickt nach Südafrika und macht Theater
       > mit Jugendlichen. Jetzt kommt „Hillbrowfication“ nach Berlin.
       
 (IMG) Bild: Afrofuturismus ist auch eine Frage der Kostüme, von Roman Handt in Zusammenarbeit mit Boitumelo Project entworfen
       
       „Als ich 14 war, hasste ich meinen Körper. Es kam vor, dass ich auf Partys
       ging und mich den ganzen Abend über im Klo einschloss. Bis mein Vater mich
       abholen kam.“ Die Frau, die das erzählt, machte den Körper zu ihrem Beruf.
       Die in Buenos Aires aufgewachsene Constanza Macras gehört zur Basis der
       Berliner Postwende-Tanzszene, ihre Kompanie Dorky Park ist bekannt für ihre
       explosive urbane Energie, mit der sie gesellschaftliche Randgruppen in
       innerstädtische Leerräume einfallen ließ. Unterdruck und Überdruck können
       bei ihr als choreografische Prinzipien gelten. Verschleiß als
       unvermeidlich.
       
       In ihrem jüngsten Projekt ist das anders. Die vulkanische Energie ist da,
       der selbstzerstörerische Drall dagegen nicht. Der Grund, warum sie im
       Gespräch auf ihre Teenie-Zeit zurückblendet, ist der aktuelle Cast für ihre
       Afrofuturismus-Produktion „Hillbrowfication“: 20 südafrikanische
       Jugendliche im Alter von 10 bis 19.
       
       Fasziniert beobachtete Macras, wie die auf die Kostümprobe mit den so
       figurbetonten wie skulpturalen Out-cut-Outfits von Modedesiger Roman Handt
       reagierten. Kooperative Begeisterung! Kurviger oder drahtiger Körper?
       Beides gut.
       
       ## Pubertätsuniversum aus Konflikt und Hormonen
       
       Wenn Constanza Macras von ihren jugendlichen Tänzer*innen spricht, kommt
       sie aus dem Schwärmen nicht mehr heraus. Wie immer spricht sie in
       Vorspultasten-Geschwindigkeit: „Ich liebe dieses Pubertätsuniversum aus
       Konflikt und Hormonen. Aber das Besondere ist, dass ich mit den
       Jugendlichen vollkommen auf Augenhöhe arbeiten kann. Sie sind präsent,
       pünktlich, verantwortungsvoll. Sie haben Respekt voreinander, es gibt keine
       Geschlechtertrennung, und sie machen sogar unterwegs auf Tour ihre
       Hausaufgaben!“
       
       Hinzugefügt kann werden: Die Schüler*innen bewegen sich in der Choreografie
       von Macras und ihrer Kollegin Lisi Estarás auf der Bühne wie Profis. In
       voller Präsenz kombinieren sie Elemente aus Street- und Show-Dance mit
       panafrikanischen Tanzelementen, sprachliches mit tänzerischem Storytelling.
       
       Geprobt wurde in Hillbrow, einem Stadtteil von Johannesburg, der zu
       WM-Zeiten 2010 von Journalist*innen wie Künstler*innen gern als das wahre
       Gesicht hinter der Hochglanz-World-Cup-Fassade dargestellt wurde: arm,
       gefährlich, von HIV, Drogen und xenophober Gewalt gegen
       Einwanderungsgruppen aus anderen afrikanischen Ländern geprägt.
       
       Dennoch sei, meint Macras, die Armut nicht zu vergleichen mit derjenigen in
       den Favelas von Buenos Aires. Das Hillbrow Theatre, in dem das neue Stück
       entstand, ist ein Community-Projekt, das den Jugendlichen als Freizeithort
       gilt. Hier hatte Constanza Macras 2015 ihr zweites Südafrika-Stück, „On
       Fire“, geprobt. Die Jugendlichen kamen zum Zuschauen. So entstand der
       Wunsch, ein Stück für sie zu kreieren.
       
       ## Künstlerische Entscheidung
       
       Dass dies keine philanthropische, sondern eine künstlerische Entscheidung
       war, ist Macras wichtig: „Vor 25 Jahren kam ich wegen der Kunstszene nach
       Europa. Zurzeit zieht mich die Dringlichkeit der vitalen Szene in
       Johannesburg an. Und ich glaube, es ist wichtig, dass wir hinschauen, was
       dort passiert. Europa ist so sehr verstrickt in seinen Konflikt, sich
       abzuschotten, dass es leicht den Anschluss verlieren kann.“
       
       Für ihre zu WM-Zeiten entstandene Choreografie „The Offside Rules“
       überblendete Macras ihre Erfahrungen aus argentinischer Militärdiktatur und
       Apartheid. In ihrem zweiten Südafrika-Stück, „On Fire“, widmete sie sich
       mit einem genderdiversen Cast den gesellschaftlichen Folgen von
       Kolonialismus- wie Neokolonialismus-Politik und reflektierte dabei im
       Arbeitsprozess auch ihre eigenen Erfahrungen als „weiße“ Argentinierin. Ein
       Essay des Philosophen Achille Mbembe und Ayana V. Jacksons
       Gegeninszenierung von ethnografischen, kategorisierenden Fotografien bilden
       das Material zu einer Choreografie, die aus postkolonialer Position heraus
       so dekadente wie dynamische Kulturhybriden schafft.
       
       Für das futuristische Stück „Hillbrowfication“ mit einem anspielungsreichen
       Musikmix und psychodelischen Farbsamples liegt nun der Sci-Fi-Roman
       „Mindscape“ der afro-amerikanischen Autorin Andrea Hairstone zugrunde.
       Aliens haben die Erde darin in drei Zonen mit unüberwindbaren Barrieren und
       komplett unterschiedlichen Gesellschaftsentwürfen geteilt.
       
       Die Barrieren der Gegenwart konnten dagegen diesmal gut überwunden werden.
       Anders als für die Berliner „On Fire“-Residenzen lief bei der Visa-Vergabe
       alles glatt. Fast. Letztlich stellte sich eine Lehrerin quer, drei ihrer
       Schüler*innen für zwei Wochen zu beurlauben. Macras’ Team arbeitete sich
       bis zum Erziehungsminister durch. Nach vielen, vielen Überstunden kann die
       Zukunft nun losgehen.
       
       31 May 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Astrid Kaminski
       
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