# taz.de -- Berliner Schulbauoffensive: Weddinger Wirklichkeiten
       
       > In der Anna-Lindh-Schule hält man die Schulbauoffensive des Senats vor
       > allem für einen guten Witz: Auf Schultour mit dem SPD-Fraktionschef Raed
       > Saleh.
       
 (IMG) Bild: Die Schulbauoffensive kommt nicht so recht in Schwung
       
       Um Wunsch und Wirklichkeit auseinanderhalten zu können, erscheinen
       Politiker gern mal „vor Ort“. Dort sollen ihnen die Menschen erzählen, wie
       es wirklich ist, damit die Politiker gegebenenfalls ihre Wünsche
       entsprechend zurechtruckeln können. Am Mittwochmorgen sitzt Raed Saleh,
       SPD-Fraktionschef mit einer ausgewiesenen Schwäche für Bildungspolitik, im
       Lehrerzimmer der Anna-Lindh-Grundschule im Wedding und hört Schulleiter
       Matthias Hörold zu. Es geht um dringende Sanierungen, die nicht passieren –
       trotz des minutiösen Fahrplans für die Schulbauoffensive, die der Senat
       gerade erst am Dienstag beschlossen hat. Es geht um steigende
       SchülerInnenzahlen, die Hörolds Schule zu schaffen machen, weil zwar neu
       gebaut wird, aber nicht genug.
       
       Schulleiter Hörold erzählt dem politischen Besuch also von der völlig
       verschimmelten Turnhalle: „Messungen können Sie sich sparen, den Schimmel
       können Sie mit bloßem Auge wachsen sehen.“ Ja, aber stehe die Turnhalle
       denn nicht auf der langen, langen Liste der Sanierungsvorhaben, die der
       Senat vorgelegt habe?, will Saleh wissen, der an diesem Vormittag gemeinsam
       mit seiner Kollegin Maja Lasić, die hier ihren Wahlkreis hat, „vor Ort“
       ist, auf Schultour im Wedding.
       
       Allgemeiner Heiterkeitsausbruch unter dem anwesenden Schulpersonal. Nein,
       die Turnhalle finde sich da nicht wieder, auch nicht perspektivisch, „dafür
       sind angeblich bereits letztes Jahr die Toiletten fertig saniert worden“,
       sagt eine Elternvertreterin. Offenbar auch ein guter Witz, wieder lachen
       alle, denn die Klos in der Anna-Lindh-Schule stinken immer noch.
       
       Keine Fragen mehr seitens des Fraktionschefs. Dafür die Ahnung unter den
       Anwesenden: Die milliardenschwere Schulbauoffensive dürfte in Wirklichkeit
       weitaus komplizierter werden, als sich der rot-rot-grüne Senat das in
       seinem gerade stolz vorgestellten offiziellen „Sanierungsfahrplan“
       vorstellt. Der Vertreter der bezirklichen Schulaufsicht erklärt das am
       Mittwoch so: Man müsse ja auch sehen, dass der Bezirk, saniert er die
       Turnhalle, irgendwo eine andere Maßnahme streichen müsse.
       
       Im Klartext: Von Notfallsanierungen, für die die Bezirke zum Beispiel
       durchaus Mittel aus dem baulichen Unterhalt abzwacken können, müssen die
       Schulen den Bezirk nach wie vor überzeugen – Wunschliste des Senats hin
       oder her. Und das dauert in den überlasteten Bezirksämtern wie eh und je
       offenbar seine Zeit. Im Schulamt Mitte sei das vor einem Jahr eingereichte
       Schimmelgutachten für die Turnhalle jedenfalls kürzlich noch unbekannt
       gewesen, sagt der Schulleiter.
       
       ## Container auf dem Bolzplatz
       
       In der Anna-Lindh-Schule wird an diesem Morgen auch klar: Was da an
       Schulneubau geplant ist, reicht nicht. Zwar bekommt die benachbarte
       Möwensee-Grundschule einen Ergänzungsbau für rund 150 SchülerInnen. Doch
       weil der erst frühestens 2020 fertig wird, könnte die Anna-Lindh-Schule
       schon im kommenden Sommer mehr also 100 ErstklässlerInnen zusätzlich
       aufnehmen müssen.
       
       Die will das Schulamt in einem Container auf dem Bolzplatz unterbringen.
       Den Verlust von Pausenhoffläche könnte Hörold sogar noch verschmerzen –
       weitaus mehr Sorge bereitet dem Schulleiter allerdings die Ankündigung des
       Schulamts, seine Grundschule dürfe künftig keine SchülerInnen von außerhalb
       des Einschulungsbereichs im Kiez mehr aufnehmen.
       
       Das ist dramatischer, als es klingt. Denn die Anna-Lindh-Schule hat ein
       spezielles Förderkonzept für Hochbegabte. So interessierten sich auch
       Eltern aus Alt-Mitte und Charlottenburg für die Schule im Brennpunktkiez,
       sagt Hörold. Deshalb funktioniere es hier, eine Mischung in der
       Schülerschaft zu erreichen, etwas, woran viele Schulen in vergleichbarer
       Lage scheiterten. Und daher habe die Schule wiederum auch keine
       Schwierigkeiten, gute Fachkräfte zu finden. Am Ende profitiere von alldem
       gerade auch der Großteil der SchülerInnen mit von Haus aus weniger guten
       Bildungschancen.
       
       Die Abgeordnete Lasić sagt, sie wünsche sich eine „pragmatische Lösung“ mit
       dem Bezirksamt. Bleibt für die Schule zu hoffen, dass das Wirklichkeit
       wird.
       
       25 Apr 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anna Klöpper
       
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