# taz.de -- Schrottimmobilie im Wedding: Eine unerträgliche Situation
       
       > Am Montag räumt die Polizei im Wedding ein verwahrlostes Haus. 42
       > Menschen stehen nun vor der Frage, wo sie unterkommen
       
 (IMG) Bild: Wegen Schimmel und Rattenbefall tragen die PolizistInnen bei der Räumung Schutzanzüge
       
       Der Einsatz war geheim gehalten worden. Dann, Montag um 9 Uhr, beginnt die
       Räumung. 120 PolizistInnen stellen die Kreuzung der Kameruner Straße und
       Lüderitzstraße im Wedding von allen Seiten mit Einsatzwagen zu. Sie
       betreten das Eckgebäude in weißen Schutzanzügen und begleiten 42
       BewohnerInnen, darunter zwei Kinder, aus dem Haus und nahmen ihre
       Personalien auf. Viele von ihnen kommen aus Bulgarien, Albanien und
       Rumänien.
       
       Seit Monaten hatte der Zustand des Hauses bei AnwohnerInnen und in
       Medienberichten für Entrüstung gesorgt. Es gibt weder Wasser- noch
       Stromversorgung. BewohnerInnen klagten über Ratten, nicht abgeholten Müll
       und Schimmel. „Eine unerträgliche Situation“, findet Bezirksbürgermeister
       Stephan von Dassel (Grüne). Bereits zu einem früheren Zeitpunkt habe man
       Familien mit Kindern über die Kältehilfe in andere Unterkünfte bringen
       können.
       
       Die Räumung diene dem Gesundheitsschutz, betont Bezirksstadtrat für
       Stadtentwicklung, Soziales und Gesundheit, Ephraim Gothe (SPD). Auch ein
       Polizeisprecher berichtet von „Unrat und Ungeziefer“ in den Wohnungen. Die
       Eingänge des Hauses wurden nun mit Holzplatten versiegelt.
       
       NachbarInnen beobachten das Geschehen. „Der Eigentümer hat noch mehr
       Häuser, aber der unternimmt nichts“, klagt eine Passantin. „Ja, aber die
       fette Miete kassieren“, wirft eine andere ein.
       
       Ganz so viel dürfte das in letzter Zeit nicht gewesen sein. „Hier hat am
       Ende keiner mehr Miete gezahlt“, erzählt ein Bewohner des geräumten Hauses
       auf Bulgarisch. Eine Freundin übersetzt für ihn. Sie wolle ihm in der
       Kommunikation mit der Polizei helfen. Beide sind sich einig, das Haus sei
       unbewohnbar. Auf seinem Handy zeigt er Fotos von überfüllten Müllcontainern
       im Innenhof und verwüsteten Wohnungen.
       
       Der Eigentümer, der mehrere Schrottimmobilien in Berlin besitzt, wollte das
       Haus nicht verkaufen. Eine Enteignung kommt laut Bezirksamt jedoch nicht
       infrage. Trotz der prekären Umstände hatten die BewohnerInnen für einzelne
       Zimmer bis zu 700 Euro im Monat gezahlt – oftmals bar über einen
       Mittelsmann. Von Dassel sieht die Räumung daher auch als Zeichen gegen
       verantwortungslose EigentümerInnen. Es müsse klar sein: „Mit so einer
       Immobilie kann man kein Geld verdienen.“
       
       Während über den Zustand des Gebäudes Einigkeit zwischen Bezirk und
       BewohnerInnen zu herrschen scheint, stehen letztere nun vor der Frage, wie
       es weitergeht. „Ich weiß es nicht“, sagt die junge Frau und ihr Bekannter
       zuckt lächelnd die Schultern. Sie hoffe nur, dass die Leute nicht auf der
       Straße übernachten müssen.
       
       Diese Frage scheint auch der Bezirksbürgermeister, dessen Bezirksamt den
       Einsatz anordnete, nicht beantworten zu können. Es sei ungeklärt, so von
       Dassel, ob die Menschen nach dem Allgemeinen Sicherheits- und
       Ordnungsgesetz (Asog) einen Anspruch auf Unterbringung hätten.
       
       Um Kinder werde sich gekümmert, gegebenenfalls in Form von Inobhutnahme
       durch das Jugendamt, sagte von Dassel weiter. Aus seiner Sicht aber haben
       diejenigen, die im Rahmen der Freizügigkeit nach Berlin gekommen seien, nur
       wenige Optionen: „eine reguläre Unterkunft oder wieder ins Heimatland“.
       
       Von Dassel argumentiert damit im Sinne der Berliner Sozialämter: Wer keinen
       Anspruch auf Sozialleistungen hat, wird bei Obdachlosigkeit dort im Zweifel
       abgewiesen. Dabei sei die Rechtsnorm des Allgemeinen Sicherheits- und
       Ordnungsgesetzes weder auf Nationalitäten noch auf den Aufenthaltsstatus
       eingeschränkt, sagt Susanne Gerull. Für die Professorin für Soziale Arbeit
       an der Alice-Salomon-Hochschule ist das Abweisen obdachloser Menschen aus
       Osteuropa ein täglicher Rechtsbruch seitens der Ämter.
       
       16 Apr 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniel Stoecker
       
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