# taz.de -- Kolumne Press-Schlag: Seit wann haben Fans Bürgerrechte?
       
       > Russland wird von deutschen Behörden mit Daten der Datei „Gewalttäter
       > Sport“ gefüttert. Und diese enthält nicht nur Infos über Hooligans.
       
 (IMG) Bild: Die triste Realität: In der Auseinandersetzung mit Fans geht es wahrlich nicht besonders rechtsstaatlich zu
       
       Geht’s noch? Deutsche Behörden liefern dem russischen Staat Daten deutscher
       Staatsbürger frei Haus. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf
       eine parlamentarische Anfrage hervor. Es geht um die Sicherheit der
       Fußball-WM, die im Juni und Juli in Russland stattfindet. Vor solchen
       Turnieren ist es üblich, dass deutsche Sicherheitsbehörden mit denen des
       Gastlandes zusammenarbeiten. Aber Daten der Datei „Gewalttäter Sport“, die
       in Duisburg geführt wird, nach Frankreich zu übermitteln, wie bei der EM
       2016 geschehen, ist eben etwas anderes, als sie nach Russland zu schicken.
       Sportpolitiker empören sich und die Bundesdatenschutzbeauftragte warnt vor
       einer präventiven Weitergabe von Daten nach Russland. Die grüne
       Bundestagsabgeordnete Monika Lazar sagt: „Auch Fußballfans haben
       Bürgerrechte.“
       
       Das dürfte vielen Beobachtern der Fanszene neu sein. In der
       Auseinandersetzung mit Fans geht es wahrlich nicht besonders
       rechtsstaatlich zu. Als die Datei „Gewalttäter Sport“ 1994 angelegt wurde,
       fehlte dieser Datensammlung jegliche Rechtsgrundlage. Als mehrere Gerichte
       die Rechtswidrigkeit festgestellt hatten, erließ das Bundesinnenministerium
       flugs eine Verordnung, mit der die Datei nicht weiter niedergeklagt werden
       konnte. Als vorbildliches rechtsstaatliches Handeln wird das niemand
       bezeichenen können. Die Aufregung über dieses Vorgehen hielt sich indes in
       Grenzen. Im Kampf gegen Hooligans wird dem Staat offenbar zugestanden, die
       Grenzen des Rechtsstaats zumindest auszutesten.
       
       Opfer dieses Austestens werden nicht nur Hooligans. Auch wer dabei erwischt
       wird, wie er den Sticker seines Lieblingsklubs auf die Klotür im Stadion
       klebt, wird schnell als Gewalttäter erfasst. Mit Reiseverboten zu Spielen
       im Ausland werden nicht nur Gewalttäter belegt, sondern bisweilen auch
       Fanbetreuer, die man doch eigentlich bräuchte, um präventiv gegen Gewalt im
       Fußballumfeld arbeiten zu können. Fanprojekte, die vom Vertrauen der
       Problemanhänger leben, werden von der Polizei durchsucht und deren
       Mitarbeiter zu Aussagen gegen Fans gedrängt, mit denen sie
       sozialpädagogisch arbeiten. Einen großen Aufschrei von den selbst ernannten
       Bürgerrechtlern in der deutschen Politik hat so etwas selten zur Folge.
       
       Als die Bundesliga ein Sicherheitskonzept vorgestellt hat, zu dem auch das
       Ausleuchten der Poritze zwecks Auffindens dort möglicherweise versteckter
       pyrotechnischer Erzeugnisse gehörte, blieb die Aufregung weitgehend auf die
       aktive Fanszene beschränkt. Während harmlose Ganzkörperscanner an Flughäfen
       von den deutschen katholischen Bischöfen zum Teufelszeug erklärt wurden,
       schert sich kaum jemand um echte Nacktkontrollen vor deutschen Stadien.
       
       ## Die Rechte der Fans
       
       Eine nennenswerte gesellschaftliche Debatte setzte nicht einmal ein, als
       der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Ende vergangenen Jahres die
       Bundesrepublik Deutschland verurteilt hat, weil die Gewalttätigkeiten von
       Polizeibeamten, die auf Fans des TSV 1860 München eingedroschen hatten,
       nicht hinreichend untersucht worden sind. Und auch wenn die Polizei wieder
       einmal Fans drangsaliert, indem sie sie so lange auf einem Parkplatz
       festhält, bis das Spiel, das sie besuchen wollen, abgepfiffen ist, regt
       sich wenig Protest im Fußballrechtsstaaat Deutschland. Kein Wunder, wenn
       Fans den Eindruck haben müssen, ihre Rechte seien weniger wert als die
       anderer Bürger.
       
       Wenn nun also die Debatte um die Weitergabe von Datensätzen aus Deutschland
       nach Russland dazu führt, die Gültigkeit von Bürgerrechten in Deutschland
       auf Kurvengänger zu erweitern, kann das dem Rechtsstaat Deutschland nur gut
       tun. Wenn es nur darum geht, in der Auseinandersetzung mit Russland
       Rechtsstaats-PR für die Bundesrepublik zu betreiben, dann kann man die
       Debatte getrost wieder beenden.
       
       18 Mar 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Rüttenauer
       
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