# taz.de -- Der Brexit und die Europäische Union: „Phrasen und Plattitüden“
       
       > Mit ihrer Grundsatzrede erntet die britische Regierungschefin Theresa May
       > viel Kritik. Eine Baustelle ist nach wie vor die irische Grenze.
       
 (IMG) Bild: Anti-Brexit-Tafel an der Straße nach Newry, einer Stadt in Nordirland
       
       Dublin taz | In ihrer Grundsatzrede zum Austritt aus der Europäischen Union
       habe die britische Premierministerin Theresa May lediglich „Phrasen,
       Verallgemeinerungen und Plattitüden“ verbreitet. Das sagte der ehemalige
       stellvertretende Tory-Chef Michael Heseltine am Sonntag. Der 84-Jährige,
       der 1990 eine Schlüsselrolle beim Sturz Margaret Thatchers spielte, war
       schon immer europhil. „Sie hat die Rosinen benannt, die Großbritannien
       herauspicken will, aber sie ignoriert die Tatsache, dass die EU erklärt
       hat, es gebe keine Rosinenpickerei.“
       
       May hatte in ihrer Rede am Freitag die Hoffnung geäußert, dass das
       gespaltene Land wieder zusammenfinden möge. Gemeint war aber vor allem ihre
       eigene Partei: Die Tories sind beim Brexit tief zerstritten. Ihre Rede hat
       daran nichts geändert.
       
       Warum, so fragte Heseltine, sei man 18 Monate nach dem Referendum immer
       noch nicht weiter? „Weil niemand weiß, wie es gemacht werden soll.“
       Britische Unternehmen sehen sich gezwungen, Investitionen zu verschieben
       oder gleich auf dem europäischen Festland zu investieren. „Wir haben uns
       von der am schnellsten wachsenden Wirtschaft zur langsamsten in Europa
       gewandelt“, sagte er.
       
       Weder May noch ihr Kabinett hätten Fortschritte bei den zentralen
       Brexit-Fragen, zum Beispiel der irischen Grenze, gemacht, meint Heseltine.
       „Diese Probleme sind nicht zu lösen, es sei denn, das Vereinigte Königreich
       bleibt in der EU.“
       
       ## Schwerwiegende Konflikte
       
       Der frühere US-Senator George Mitchell, der bei den nordirischen
       Friedensverhandlungen in den neunziger Jahren vermittelt hat, warnte
       ebenfalls davor, in Irland Grenzkontrollen einzuführen. Das könnte „zu
       schwerwiegenden Konflikten führen“.
       
       Das alles sei nicht ihre Schuld, sagen Mays Anhänger. Mit dem Blatt, das
       man ihr ausgeteilt habe, könne sie gar nicht anders handeln. Bei ihren
       Gegnern hält sich das Mitleid dagegen in Grenzen. Sie muss sich vorwerfen
       lassen, sich die Sache selbst eingebrockt zu haben.
       
       Warum, so fragte ein Brexit-Gegner, hat sie den Artikel 50 über den
       Austritt aus der EU vor einem Jahr ausgelöst? Sie hätte warten und zunächst
       eine kohärente Verhandlungsposition entwickeln können. Durch ihr voreiliges
       Handeln habe sie sich selbst unter Zeitdruck gesetzt.
       
       Der zweite Punkt ist offensichtlich: Berauscht von den Umfragen rief sie
       2017 Neuwahlen aus, um die oppositionelle Labour Party so zu schwächen,
       dass die Tories für lange Zeit unangefochten regieren können. Das Ergebnis
       ist bekannt.
       
       ## Die Hände gebunden
       
       Nun sind May auch in Nordirland die Hände gebunden, weil die
       protestantisch-unionistische Democratic Unionist Party (DUP), von der die
       Tory-Mehrheit im Unterhaus abhängt, die Politik in diesem Bereich diktiert.
       Dass sie zur Zeit nicht befürchten muss, von ihrer Partei gestürzt zu
       werden, liegt daran, dass niemand ihren Job will.
       
       Im Parlament drohen May demnächst einige Niederlagen. Die Brexit-Gegner bei
       den Tories führen derzeit Gespräche mit der Labour Party über gemeinsame
       Zusatzanträge zu den Brexit-Gesetzen, die der Premierministerin das Leben
       noch schwerer machen werden.
       
       Im Mai finden in vielen Gemeinden in England und Wales Regionalwahlen
       statt. Die Lokalpolitiker der Tories befürchten, dass sie bestraft werden,
       weil der Brexit sie zwingt, die Gemeindesteuer zu erhöhen und
       Dienstleistungen zu kürzen.
       
       May verteidigte sich am Sonntag in einem BBC-Interview. Sie habe eine
       „ambitionierte Vision“ dargelegt, die „praktikabel und glaubwürdig“ sei.
       May will am Montag im Parlament weitere Erläuterungen zu ihrer
       Brexit-Vision abgeben.
       
       4 Mar 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Sotscheck
       
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