# taz.de -- Prekäre Beschäftigung an Musikschulen: Der Sound der Ausbeutung
       
       > Der Berliner Senat will mehr Musikschullehrer fest anstellen. Das könnte
       > allerdings auf Kosten der ohnehin mies bezahlten Honorarkräfte gehen.
       
 (IMG) Bild: An Berlins Musikschulen wird schon lange gespart: Protest im Jahr 1997
       
       In Tränen aufgelöst sei die freie Musiklehrerin gewesen, die kürzlich bei
       ihr im Büro saß. Das erzählt Franziska Stoff, Generalsekretärin des
       Landesmusikrats. Grund zur Sorge bereitete der Frau ausgerechnet ein
       Umstand, der sich eigentlich toll anhört: Rot-Rot-Grün will immerhin 20
       Prozent der prekär bezahlten Honorarkräfte an den bezirklichen Musikschulen
       bis 2020 fest anstellen, derzeit sind es nur sieben Prozent.
       
       So steht es im Koalitionsvertrag, und im Doppelhaushalt ist dafür Geld
       vorgesehen. Doch die Verbesserungen für einige werden für viele andere
       einen hohen Preis bedeuten, fürchtet nun der Landesmusikrat, der die
       Interessen der Berliner MusikerInnen vertritt.
       
       Konkret warnt man dort vor einem zusammengestrichenen Unterrichtsangebot –
       und davor, „dass es den verbleibenden Honorarkräften dann schlechter gehen
       könnte als zuvor“, sagt Generalsekretärin Stoff.
       
       Warum das? Im Prinzip geht es hier um eine Matheaufgabe, bei der der
       Landesmusikrat am Ende auf ein anderes Ergebnis kommt als die
       Senatsverwaltung für Finanzen. Letztere hatte 2,1 Millionen Euro
       ausgerechnet, die in diesem und dem kommenden Haushaltsjahr für die
       Umsetzung der 20-Prozent-Quote in den Musikschulen nötig sei. Doch diese
       Berechnung geht von einem monatlichen Bruttoverdienst von rund 2.300 Euro
       aus. Tatsächlich steht LehrerInnen an öffentlichen Musikschulen tariflich
       eine höhere Entgeltstufe und damit rund 400 mehr im Monat zu.
       
       Um diese Lücke zu füllen, gab es im Dezember noch einmal eine
       „Nachsteuerung“ von 1,2 Millionen Euro nur für die Musikschulen. Die
       Bezirke haben zudem auch einen flexiblen Geldtopf, mit dem sie Lücken
       stopfen können – die sogenannten nicht zweckgebundenen Mittel. Diese
       Möglichkeit ist aber oft nur theoretischer Natur, denn zu stopfende Lücken
       gibt es in den Bezirken nicht nur bei den Musikschulen.
       
       Der Landesmusikrat fürchtet deshalb: Die Musikschulen könnten gezwungen
       sein, das fehlende Geld bei den verbleibenden Honorarkräften abzuzwacken,
       indem sie Unterricht streichen. Diese wiederum sind eigentlich auf jede
       Stunde angewiesen: Laut der Gewerkschaft Verdi bekommen die rund 1.800
       Honorarkräfte an den öffentlichen Musikschulen im Schnitt 20,86 Euro
       Stundenlohn. Das ist je nach monatlicher Stundenzahl so wenig, dass die
       meisten von ihnen später auf Grundsicherung im Alter angewiesen seien,
       warnt die Gewerkschaft. Jede Stunde weniger verschärft also das Problem.
       
       „Da entsteht bei den Kollegen nun natürlich der Eindruck, dass da auf ihre
       Kosten gespart wird“, sagt Chris Berghäuser, Leiter der bezirklichen
       Musikschule in Pankow und Vorsitzender des Musikschulbeirats bei der
       Senatsverwaltung für Kultur. Zudem sind die Wartelisten für die meisten
       Angebote schon jetzt übervoll: Eine Kürzung des Angebots gehe daher auch zu
       Lasten vieler BerlinerInnen, warnt Stoff vom Landesmusikrat.
       
       ## Einsparungen beim Unterricht drohen
       
       Ein weiteres Problem der 20-Prozent-Feste-Quote: Die Finanzverwaltung sieht
       in ihrer Rechnung keinen Platz für Leitungsstellen und koordinierende Jobs
       vor. Die seien aber ebenfalls dringend nötig für funktionierende
       Musikschulen, sagen Stoff und Berghäuser. Konkret geht es um eine Lücke von
       79 Vollzeitstellen: die Finanzverwaltung hat 105 Stellen finanziert, der
       Landesmusikrat fordert 184 Vollzeitjobs. Wenn koordinierende Aufgaben
       stattdessen von den neuen Festangestellten übernommen werden müssten,
       bliebe noch weniger Zeit zum Unterrichten.
       
       Wie viel Einsparungen es am Ende beim Unterricht und bei den Honorarkräften
       tatsächlich geben wird, werde man nun sehen, sagt Stoff. Sie warte auf
       erste Rückmeldungen aus den Bezirken, wo die Situation sehr unterschiedlich
       sei.
       
       In Pankow etwa werde alles so weiter laufen wie bisher, sagt Schulleiter
       Berghäuser: Die bezirkliche Musikschule Béla Bartók hatte bereits vorher 20
       Prozent Festangestellte. Anders sieht es in Marzahn-Hellersdorf aus: Dort
       müssen fünf Stellen besetzt werden. Kulturstadträtin Juliane Witt (Linke)
       sagt, man könne Kürzungen beim Unterrichtsangebot „nicht ausschließen“, in
       welchem Umfang, sei allerdings noch unklar.
       
       Charlottenburg-Wilmersdorf, wo der Spitzenwert von 18 festen Stellen
       geschaffen werden muss, hat Ende Januar bei einer Anhörung im
       Kulturausschuss bereits angekündigt: Auch die Nachsteuerung des Senats von
       1,2 Millionen Euro reiche nicht. Man werde also bei den Honorarmitteln
       kürzen und deshalb Musikschulplätze abbauen. Kulturstadträtin Heike
       Schmitt-Schmelz (SPD) rudert allerdings auf Nachfrage zurück. Gegenwärtig
       lasse sich noch nicht abschätzen, „ob der aktuelle Umfang der Mittel
       ausreichend“ sei.
       
       Derzeit laufen in den meisten Bezirken noch die Ausschreibungen für die
       zusätzlichen Festanstellungen – übrigens der wesentliche Grund für die
       Tränen der freien Musiklehrerin in Stoffs Büro. Denn sowohl beim
       Landesmusikrat als auch beim Musikschulbeirat der Kulturverwaltung sieht
       man die öffentlichen Ausschreibungen mit Skepsis: „Langjährige
       Honorarkräfte fürchten, dass sie nicht zum Zuge kommen“, sagt Berghäuser.
       Er fordert: Die interessierten Honorarkräfte sollen bevorzugt angestellt
       werden.
       
       Solche „vereinfachten Ausschreibungen“ müsste allerdings die
       Senatsverwaltung für Finanzen regeln. Die mag sich auf Anfrage vorerst
       nicht zur Machbarkeit eines solchen Verfahrens äußern.
       
       11 Feb 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anna Klöpper
       
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