# taz.de -- Ressourcenexperte über Plastik-Zukunft: „Die Rohstoffgrundlage bricht weg“
       
       > Rüsten wir auf E-Mobilität um, gibt es langfristig nicht genug Erdöl für
       > die Chemiebranche, sagt der Ressourcenexperte Horst Fehrenbach.
       
 (IMG) Bild: Ohne das ganze Plastik kämen Strand und Katze jedenfalls besser zur Geltung
       
       taz: Herr Fehrenbach, die EU will mit einer „Plastikstrategie“ bis 2030 für
       weniger Abfall sorgen. Gibt es dann überhaupt noch so viel Plastik aus
       Erdöl wie heute? 
       
       Horst Fehrenbach: Wohl nicht, wenn man die Klimaziele im Verkehr und
       Energiesektor ernst nimmt. Die Rohstoffe, die die Kunststoffindustrie
       nutzt, sind Kuppelprodukte der Kraftstoffherstellung. Sie fallen quasi als
       Produktionsrest an. In Europa werden etwa 90 Prozent des Erdöls zu Benzin,
       Diesel und Heizöl verarbeitet, 10 Prozent gehen an die chemische Industrie.
       Das kann man in den großen Chemieparks in Leuna, Rotterdam oder Tarragona
       beobachten: Die liegen alle an riesigen Erdölraffinerien.
       
       Produzieren sie weniger Kraftstoffe, erledigt sich das Plastikproblem
       selbst? 
       
       Das wäre der konsequente Nebeneffekt. Allerdings ist schwer zu berechnen,
       wann das passiert. Kurzfristig profitiert die Kunststoffindustrie erst
       einmal von der sinkenden Nachfrage nach Benzin. Das lässt sich in
       Deutschland jetzt schon am Trend zum Diesel beobachten.
       
       Wieso? 
       
       Beim Raffinieren von Erdöl fallen immer sowohl Benzin als auch Diesel an.
       Weil die Nachfrage nach Diesel in den vergangenen Jahren stark gestiegen
       ist, gab es zu viel Benzin auf dem Markt. Für die Industrie bedeutet das
       eine gute Verhandlungsposition. Sie braucht vor allem Benzin und leichtes
       Erdöl. Schwere Öle mit einem hohen Schwefelgehalt, etwa aus Teersanden,
       kann die Chemie nur schlecht verarbeiten. Langfristig bricht den
       Unternehmen die Rohstoffgrundlage weg. Oder sie wird deutlich teurer, weil
       die Chemieindustrie die Kosten für die Förderung und Verarbeitung von Erdöl
       nicht mehr mit der Kraftstoffindustrie teilen kann.
       
       Wie reagiert die Industrie? 
       
       Da ist zum einen der Trend zu biobasierten Produkten, die Bioökonomie. Oder
       die chemische Industrie muss sich räumlich stark konzentrieren, um an
       wenigen Standorten noch an Erdölprodukte zu gelangen. In der Forschung
       genießt gerade Kohlenstoffdioxid als Rohstoff eine große Aufmerksamkeit:
       Aus CO2 können Kunststoffe hergestellt werden. Dazu ist allerdings sehr
       viel Energie nötig. Vielleicht entsteht eine solche Industrie im Maghreb,
       wo durch die starke Sonneneinstrahlung quasi unendlich viel Energie zur
       Verfügung steht.
       
       Gibt es einen Königsweg? 
       
       Ja, mehrere. Wenn wir mit dem Maghreb kooperativ zusammenarbeiten und dort
       zu Fortschritt und Entwicklung beitragen, dann wäre das gut. Wenn
       biobasierte Rohstoffe mittels nachhaltiger Landwirtschaft erzeugt werden –
       auch nicht schlecht. Es kann aber auch zu einem neokolonialen Modell führen
       und zu einer noch größeren Übernutzung der Agrarflächen. Kommt drauf an,
       wie wir es machen.
       
       18 Jan 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Heike Holdinghausen
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Plastik
 (DIR) Erdöl
 (DIR) Umweltschutz
 (DIR) Erdöl
 (DIR) Denkhaus Bremen
 (DIR) Nachhaltigkeit
 (DIR) Beirut
 (DIR) Müll
 (DIR) Plastikmüll
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Täglicher Verbrauch auf Rekordhoch: Ungebrochener Öldurst
       
       Der weltweite Verbrauch hat die Marke von 100 Millionen Barrel täglich
       überschritten. Die Zahl der neuen Ölfunde nimmt drastisch ab.
       
 (DIR) Nebenwirkungen der Bioökonomie: Ökologisch fragwürdig
       
       Nicht alles, was unter den Begriff Bioökonomie fällt, ist auch gut für die
       Umwelt. Ökologen fordern eine kritische Debatte.
       
 (DIR) Biologisierung der Wirtschaft: Der große Wurf blieb aus
       
       Mit der Bioökonomie soll die Wirtschaft nachhaltiger werden. Ziel ist die
       Nutzung nachwachsender Rohstoffe und erneuerbarer Energien.
       
 (DIR) Müllproblem im Libanon: Recycling an der Quelle
       
       Ein kleines Unternehmen kämpft in Beirut gegen den Müll. Eine absolute
       Ausnahme im Libanon, wo sich der Abfall in den Straßen türmt.
       
 (DIR) Neues Buch über müllfreies Leben: Richtig leben – mit Fehlstarts
       
       Die Gründerin des Berliner „Unverpackt“-Ladens hat ein Buch über ihren Weg
       in die Müllfreiheit geschrieben. Es liefert gute Ideen für Nachahmer.
       
 (DIR) Müllregulierung in US-Nationalparks: Bald wieder wildes Plastik
       
       Um in Nationalparks Müll zu vermeiden, gab es in der Obama-Zeit ein
       Plastikflaschenverbot. Das wurde nun aufgehoben.