# taz.de -- Doping-Experte über neue Nachtests: „Das Vertrauen hat abgenommen“
       
       > Der Erfolg der Nachkontrollen ist auch auf die Weiterentwicklung von
       > Testmethoden zurückzuführen, sagt Dopinganalytiker Mario Thevis.
       
 (IMG) Bild: Gut verschlossen? A-Probe und B-Probe vom Urin eines Athleten nach der Entnahme
       
       taz: Herr Thevis, Sie sind seit geraumer Zeit in den Antidopingkampf
       involviert. Rennen die Dopinganalytiker wieder einmal nur hoffnungslos
       hinterher? 
       
       Mario Thevis: Nein, die Weiterentwicklungen im Bereich der Analytik sind
       beachtlich. So kann der Gebrauch verbotener Substanzen deutlich länger
       nachgewiesen werden, Analysen erlauben das Erfassen zuvor unbekannter
       Verbindungen, und Testverfahren können schneller und mit geringerem
       Probenvolumen durchgeführt werden. Dies stellt zudem die Grundlage für
       sogenannte minimalinvasive Probennahmen wie zum Beispiel Blutstropfen, die
       zukünftig die Dopingkontrollen ergänzen können. Die rein methodischen
       Verbesserungen sind nicht zuletzt durch die Nachtests langzeitgelagerter
       Dopingkontroll-Proben der vergangenen Olympischen Spiele untermauert
       worden. Dennoch bleiben einige Problemstellungen offen.
       
       Wie zum Beispiel die Fläschchen für den Urintest von der Firma Berlinger.
       Die liefert laut Eigenauskunft „manipulationssichere“ Flaschen. Aber die
       lassen sich unter bestimmten Bedingungen eben doch öffnen. Wie groß ist das
       Problem? 
       
       Derzeit wird das Ausmaß des Problems noch geprüft und mögliche Lösungen
       werden diskutiert.
       
       Welche neue Methoden und Wundermittel sind auf dem Markt? 
       
       Diese namentlich zu nennen wäre nicht zweckdienlich. Es werden in der Tat
       regelmäßig Substanzen und Methoden erkannt und diskutiert, deren Einsatz im
       Sport wahrscheinlich als nicht zulässig eingestuft werden würden. Diese
       Substanzen und Methoden zielen in medizinischer Hinsicht meist auf Erhalt
       und Aufbau der Muskelmasse oder roter Blutkörperchen ab, was aber im
       Missbrauchsfall bedeuten würde, dass ein gesunder Sportler medikamentös
       Kraftzuwachs oder verbesserte Ausdauerleistungsfähigkeit erreichen möchte.
       
       Bei Nachtests von Dopingproben, die man bei Olympischen Spielen in Peking,
       Vancouver, London und Sotschi genommen hatte, sind viele Sportler
       aufgeflogen. Über 70 Athleten mussten ihre Medaillen zurückgeben. Wie ist
       man den Sportlern auf die Schliche gekommen? 
       
       Der Erfolg der Nachtests ist zum einen auf Forschungsergebnisse
       zurückzuführen, welche zur Identifizierung von Abbauprodukten anaboler
       Steroide geführt haben, die zuvor nicht bekannt waren. Diese Abbauprodukte
       zeigten eine deutlich längere Verweildauer im Organismus der Sportler als
       früher für den Nachweis genutzte Abbauprodukte. Im Kombination mit
       instrumentellen Neuerungen, welche eine deutlich verbesserte analytische
       Empfindlichkeit erlauben, konnten Nachweisfenster um viele Wochen erweitert
       werden.
       
       Ist die sportinteressierte Öffentlichkeit, die nahezu monatlich mit einem
       Dopingskandal konfrontiert wird, nicht völlig desillusioniert, wenn wieder
       einmal mit „sauberem“ Sport geworben wird, insbesondere nach dem russischen
       Sportbetrug? 
       
       Zahlreiche Schlagzeilen haben bisweilen zu Recht dazu geführt, dass das
       Vertrauen in einen „sauberen“ Sport deutlich abgenommen hat. Es ist aber
       durchaus auch anzuraten, Schlagzeilen kritisch zu hinterfragen, denn nicht
       jeder Befund ist auch zugleich als Verstoß gegen die Antidopingregeln zu
       werten, und gelegentlich wird hier ein adäquates Augenmaß vermisst.
       
       Sie waren selbst während der Olympischen Winterspiele 2014 im
       Dopinganalyselabor in Sotschi tätig, wo der Betrug organisiert wurde,
       hatten aber natürlich keine Ahnung von den Machenschaften. Haben Sie sich,
       als Sie davon erfahren haben, ein bisschen als nützlicher Idiot gefühlt? 
       
       Die zahlreichen internationalen Kolleginnen und Kollegen vor Ort haben,
       offenbar mit Ausnahme einiger russischer Mitarbeiter, nach bestem Wissen
       und Gewissen gearbeitet und für die meisten der getesteten Proben
       belastbare Ergebnisse hervorbringen können. Die Berichte über einen
       systematischen Betrug bezüglich ausgewählter Proben haben natürlich Spuren
       hinterlassen und einen deutlichen Vertrauensverlust zur Folge gehabt. Aber
       kaum ein System ist vollumfänglich gegen Manipulationen sicher, wenn
       ausreichend Ressourcen, Planung und die Beteiligung zentraler Personen
       vorliegen.
       
       Sie arbeiten jetzt auch vor Ort in Pyeongchang mit. Was sind die Lehren aus
       dem Sotschi-Skandal? 
       
       Ich nehme an, dass die Inspektionen des Labors und der Abläufe der
       Dopingkontrollen noch detaillierter durchgeführt wurden.
       
       Wie wird Ihr Tagesablauf im südkoreanischen Labor aussehen? 
       
       Das Team, zu dem ich gehören darf, wird in verschiedenen Bereichen der
       Routineanalytik eingesetzt sein und vom Betrieb analytischer Geräte bis zur
       Prüfung auffälliger oder positiver Befunde zahlreiche Arbeitsgebiete
       betreuen. Regelmäßige Treffen mit den Personen des Ergebnismanagements sind
       ebenfalls vorgesehen. Da das Labor in Seoul ist, werden wir wahrscheinlich
       nur wenig von den Wettkämpfen sehen, aber dennoch unseren Beitrag zu den
       Spielen liefern.
       
       1 Feb 2018
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Markus Völker
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Doping
 (DIR) Wada
 (DIR) Olympische Winterspiele 2022
 (DIR) Anabolika
 (DIR) Doping
 (DIR) Olympische Winterspiele 2022
 (DIR) Fußball
 (DIR) Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Interview nach Doping-Razzia: „Es geht um Identitätsarbeit“
       
       Die Razzia von Europol hat das Ausmaß des Handels mit Dopingmitteln
       gezeigt. Mischa Kläber sieht einen Zusammenhang mit dem Boom von
       Fitness-Studios.
       
 (DIR) Kommentar Doping-Urteil: Im Zweifel für die Angeklagten
       
       28 russische Sportler waren wegen systemischen Dopings verurteilt worden.
       Das Schiedsgericht hebt ihre Strafen auf. Das sollte man wertschätzen.
       
 (DIR) Kolumne Russisch Brot: „Neutrale“ Athleten bei Olympia
       
       Fahnen, Trikots, Wappen – russische Nationalinsignien werden bei Olympia
       allgegenwärtig sein. Ganz legal und trotz der Dopingskandale.
       
 (DIR) Fußball-WM in Russland: Mutko tritt als Cheforganisator zurück
       
       Seit Monaten steht der russische Sportfunktionär Mutko im Doping-Skandal
       unter Druck. Bevor der Schaden für die Fußball-WM 2018 zu groß wird, tritt
       Mutko zurück.
       
 (DIR) Kommentar Olympische Spiele: Nicht ohne Russland
       
       Dem IOC ging es bei seiner Entscheidung weniger um die Integrität des
       Sports, sondern darum, wie man Russland schnell wieder integrieren kann.