# taz.de -- Baumschutz in Berlin: Die Säge darf kreischen
       
       > Berliner Bäume können groß, alt und vital sein – wenn sie
       > Investorenplänen weichen sollen, haben Naturschützer kaum etwas dagegen
       > in der Hand.
       
 (IMG) Bild: In Berlin keine besonders schützenswerte Art: die Blutbuche
       
       Wenn Martin Harder aus seiner Wohnung in der Lichterfelder Kurfürstenstraße
       schaut, fällt sein Blick auf zwei mächtige Bäume. Besonders prächtig sind
       die beiden 100-jährigen Riesen auf dem Grundstück nebenan natürlich
       belaubt: sattgrün die Stieleiche, rostrot die Blutbuche. Aber schon im
       kommenden Frühling könnte dort gähnende Leere herrschen. Ein Investor hat
       das Grundstück mit einer alten Stadtvilla aus den 20er Jahren gekauft und
       will dort dem Vernehmen nach Gebäude mit 16 Wohnungen errichten. Die alten
       Bäume sollen gefällt werden.
       
       Nachbar Harder ist empört: „Die Bäume prägen das Umfeld von vielen
       Menschen. Der Block ist schon jetzt dicht bebaut, und jeder Baum zählt für
       das Mikroklima.“ Als der 62-jährige Unternehmensberater vor einem Jahr
       zufällig von dem Vorhaben erfuhr, setzte er sich mit dem Umweltamt
       Steglitz-Zehlendorf in Verbindung, um sich nach dem Erhalt der Bäume zu
       erkundigen. „Damals sagten alle, machen Sie sich keine Sorgen, die sind
       geschützt. Aber je näher die Erteilung einer Baugenehmigung rückt, desto
       mehr löst sich das alles in Luft auf.“ Seine Anrufe beim Umweltamt wurden
       irgendwann mit dem Kommentar abgewürgt: „Wenn Sie sich jede Woche melden,
       wird es bestimmt nicht besser.“ Er fühle sich ohnmächtig, sagt Harder der
       taz.
       
       ## Baumschutz ohne Wirkung
       
       Damit ist er immerhin nicht allein. Eine Liste, die den Erhalt der Bäume
       fordert, kursiert in der Nachbarschaft, zu der auch eine methodistische
       Kirchengemeinde gehört. Es sind schon über 120 Unterschriften
       zusammengekommen, bis zu 200 könnten es werden, schätzt Harder. Ob sie
       etwas bewirken können? Da ist er selbst skeptisch. Denn mit dem
       Schutzstatus ist es nicht weit her. Zwar dürfen Laubbäume ab einer
       bestimmten Größe laut [1][Berliner Baumschutzverordnung] nicht gefällt
       werden – aber die Rechtsvorschrift ist voller Ausnahmen. Vereinfacht
       gesagt: Wenn einem Bauherrn auf einem privaten Grundstück Bäume im Weg
       stehen, zieht der Naturschutz fast immer den Kürzeren.
       
       Martin Harder hat versucht, Buche und Eiche als Naturdenkmäler schützen zu
       lassen – für diese gelten strengere Regeln. Ohne Erfolg: „Beide Gehölze“
       seien zwar als „vital“ und „gut entwickelt“ einzustufen, sie prägten auch
       das „örtliche Landschaftsbild“, teilte das Umwelt- und Naturschutzamt dem
       von Harder beauftragten Gutachter mit. Trotzdem komme der Status
       „Naturdenkmal“ nicht infrage – dafür seien die Arten nicht selten genug,
       und einen „identitätsstiftenden Bezug“ zur Stadtentwicklung gebe es auch
       nicht.
       
       ## Intransparente Behörde
       
       Nach Einschaltung des BUND und eines Anwalts hat Harder immerhin erreicht,
       dass die bezirkliche Baubehörde den Investor jetzt aufgefordert hat, eine
       alternative Anordnung der Gebäude zu prüfen, bei der Bäume stehen bleiben
       könnten. Allerdings, das räumt Anwalt Thorsten Deppner, Experte für
       Umweltrecht, ein: Eine Pflicht zum Umplanen ergibt sich daraus nicht. Wenn
       der Bauherr auf stur schaltet, muss die Baubehörde anhand des vorliegenden
       Antrags prüfen, ob sie die Genehmigung aus Gründen des Baumerhalts
       verweigern kann. Erteilt sie die Genehmigung dennoch, „sind die Bäume meist
       ganz schnell weg“. Deppner kritisiert, die bezirkliche Bauaufsicht habe
       intransparent gehandelt und ihm sogar Unterlagen vorenthalten: „Das
       Zurückhalten von Informationen ist eindeutig rechtswidrig.“
       
       Nach Informationen der taz ist das kein Einzelfall in Berlin: Gerade
       gegenüber Umweltverbänden geben sich die Behörden im Vorfeld von
       Baugenehmigungen gern zugeknöpft und spielen trotz bestehender
       Auskunftsrechte auf Zeit. „Baugenehmigungsverfahren müssen transparenter
       werden“, fordert BUND-Landesgeschäftsführer Tilmann Heuser gegenüber der
       taz. Aber auch Bauherren sollten fairerweise frühzeitig Baumgutachten
       anfertigen lassen. „Sonst kriegen es die Nachbarn erst mit, wenn schon die
       Säge kreischt.“
       
       Grundsätzlich räume das geltende Recht den Umweltverbänden wenig Chancen
       ein, gegen Eingriffe wie Baumfällungen im städtischen bebauten Umfeld aktiv
       zu werden, bedauert Heuser. Allerdings ließe sich mehr erreichen, wenn die
       unteren Naturschutzbehörden in den Umweltämtern der Bezirke besser dastehen
       würden: „Deren Ausstattung hat mit der Ausstattung der Bauämter nicht
       Schritt gehalten“, so Heuser, „die sind völlig überlastet.“
       
       In einer früheren Fassung wurde Anwalt Thorsten Deppner sinngemäß zitiert,
       die Baubehörde habe keine Handlungsmöglichkeit mehr, wenn der Investor sich
       weigere, umzuplanen. Damit hatten wir ihn leider falsch wiedergegeben.
       
       26 Jan 2018
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.berlin.de/senuvk/natur_gruen/naturschutz/downloads/rechtsgrundlagen/landesvo/andere/baumschvo.pdf
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Claudius Prößer
       
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