# taz.de -- Kolumne Mithulogie: Falsche Fakten über Prostitution
       
       > Therapeutin Ingeborg Kraus sagt, Sexarbeit sei genauso traumatisch wie in
       > den Krieg zu ziehen. Das ist doch Quatsch!
       
 (IMG) Bild: Nicht nur Soldaten, auch Polizisten oder Feuerwehrleute können Traumatisches bei der Arbeit erleben
       
       Synchronizität ist, wenn man plötzlich immer dasselbe hört. Die Aussage der
       Therapeutin Ingeborg Kraus, dass „die körperlichen und seelischen
       Verheerungen“ von [1][Sexarbeit] „vergleichbar“ mit denen von
       „traumatisierten Soldaten“ und „Folteropfern“ sind, waren in den letzten
       Monaten überall präsent. Von der ZDF-Doku „Bordell Deutschland“ bis hin zu
       einer Veranstaltung in der Urania in Berlin. Wozu also noch foltern und
       Krieg führen, wenn es reicht, in ein fremdes Land zu reisen und möglichst
       viele Sexarbeiter*innen zu besuchen?
       
       Die Antwort kann nur die Bundeswehr wissen. So schrieb eine Kollegin von
       mir an das Psychotraumazentrum der BW und fragte an, ob sie Frau Kraus
       beraten hätten. Oberstarzt Dr. Peter Zimmermann, stellvertretender Leiter
       des Arbeitskreises Einsatztraumatologie der deutschsprachigen Gesellschaft
       für Psychotraumatologie, war zwar schon in den Medien über den Namen
       Ingeborg Kraus gestolpert, aber noch nie in einer Fachpublikation und
       entsprechend empört, dass sich das ZDF nicht zur Verifizierung an ihn
       gewendet hatte. Schließlich ist das ein sensibles Thema, bei dem es wichtig
       ist, lieber doppelt zu recherchieren als … gar nicht.
       
       Sobald man anfängt, zu der unauflöslichen Verbindung von [2][Sexarbeit] und
       Trauma zu forschen, führen alle Publikationen zu einer einzigen Quelle,
       nämlich Melissa Farleys Buch „Prostitution, Trafficking and Traumatic
       Stress“ von 2003, das in Fachkreisen inzwischen nicht nur umstritten,
       sondern schlicht widerlegt ist.
       
       ## Sexarbeit kann traumatisch sein, Polizeiarbeit auch
       
       Das soll nicht heißen, dass Sexarbeit nicht traumatisch sein kann. Oder
       dass man Trauma auf die leichte Schulter nehmen sollte. Genau so empfand
       „Angriff-auf-die-Seele e. V. – Psychosoziale Hilfe für Angehörige der
       Bundeswehr“ jedoch Kraus’ Ausführungen und verwehrte sich dagegen, dass
       ihre Probleme mit Prostitution verglichen wurden. Sie erklärten, dass
       natürlich nicht nur Soldaten in Kriegseinsätzen gefährdet sind: „Es gibt
       einige Berufsgruppen, die eine erhöhte Gefahr mit sich bringen (z. B.
       Polizei, Feuerwehr, THW, Zugführer …).“
       
       Trotzdem gibt es keine Petition: [3][Polizei, Feuerwehr, das Technische
       Hilfswerk oder Zugführer zu verbieten.] Doch fordert Ingeborg Kraus eben
       das für Sexarbeit und mit ihr „Terre des Femmes“ und zahlreiche weitere
       NGOs, die sich für den Schutz von Frauen einsetzen (und wenn es um
       Sexarbeit geht, geht es in der Regel nur um Frauen als Anbieterinnen und
       Männer als Käufer, und andere Geschlechter gibt es nicht).
       
       Nun glaube ich fest daran, dass das fälschlicherweise Voltaire
       zugeschriebene Zitat „Madame, ich missbillige, was Sie sagen, aber ich
       werde bis zum Tod Ihr Recht verteidigen, es sagen zu dürfen“ die Grundlage
       von Demokratie ist. Gleichzeitig ist aber auch saubere Recherche die
       Grundlage von Presse und das Überprüfen von Zitaten die Grundlage von
       Wissenschaft.
       
       23 Jan 2018
       
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       ## AUTOREN
       
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