# taz.de -- Präsidentschaftswahl in Russland: Alexej Nawalny darf nicht kandidieren
       
       > Die Wahlkommission untersagt Nawalny, Wladimir Putin 2018
       > herauszufordern. Der Amtsinhaber hat derweil noch kein Wahlprogramm.
       
 (IMG) Bild: „Jetzt wählen zu gehen bedeutet, für Lügen und Korruption zu stimmen,“ sagt Alexej Nawalny
       
       Moskau taz | Nun ist es amtlich. Moskaus Zentrale Wahlkommission (ZIK) hat
       den Antrag des russischen Oppositionspolitikers Alexei Nawalny, sich für
       die Präsidentschaftswahlen am 18. März registrieren zu lassen, mit zwölf
       von dreizehn Stimmen zurück gewiesen. Am Wochenende hatte der
       Herausforderer des Kremlchefs landesweit 15 000 Unterstützer mobilisiert
       und die Wahlunterlagen eigenhändig bei der ZIK eingereicht. Die Kommission
       blieb indes bei der offiziellen Lesart.
       
       Da der 41jährige wegen vermeintlicher Unterschlagung vorbestraft sei, könne
       er bis 2028 für kein Amt mehr kandidieren. „Ich habe im Gericht bewiesen,
       dass mein Fall konstruiert war“, sagte Nawalny in einem Wortgefecht mit der
       ZIK-Vorsitzenden Ella Pamfilowa. „Ich versichere Ihnen, viele Menschen
       werden nicht zur Wahl gehen und die Wahl boykottieren“, sagte Nawalny. Der
       Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte das Urteil aufgehoben. In
       einem neu aufgerollten Verfahren erhielt der Oppositionelle jedoch noch
       einmal dasselbe Urteil im gleichen Wortlaut und das alte Strafmaß von fünf
       Jahren auf Bewährung.
       
       Am vergangenen Wochenende machten sich auch andere russische Parteien
       startklar für die Präsidentschaftswahlen. Die wichtigste Aufgabe der
       Kremlpartei „Einiges Russland“ (ER) bestand darin, sich hinter Kandidat
       Wladimir Putin zu stellen, ohne ihn aber als ihren Vertreter ins Rennen zu
       schicken. Sie machen sich nur für ihn stark. Mehr dürfen sie nicht.
       
       Denn Wladimir Putin geht als Wladimir Putin in die Wahl. Er brachte sich
       selbst als Kandidat ins Gespräch und will sich von niemandem vereinnahmen
       lassen. Der Kremlchef ist bedacht darauf, über den Parteien zu stehen und
       für alle Bürger wählbar zu sein.
       
       Dass er gewinnt, steht außer Frage. Nur wird die Wahlbeteiligung auch
       ausreichend sein, um aus dem Sieg einen Triumph zu machen? Wahlforscher
       bezweifeln dies. Der Kreml ließ daher schon das ursprüngliche Ziel fallen,
       den Urnengang zum Vertrauensreferendum für den „lider“ der Nation
       aufzuwerten.
       
       ## Skurrile Blüten des Wahlkampfs
       
       Nach der gefälschten Duma-Wahl 2011 und Massenprotesten sagte sich der
       Präsident schon vom Kremlwahlverein „ER“ los. Damals zog die Opposition
       gegen die Kremlpartei mit dem Slogan zu Felde: „Partei der Diebe und
       Gauner“. Putin distanzierte sich erstmals von der herrschenden
       Kreml-Camarilla. Im darauf folgenden Jahr gründete er in Anlehnung an die
       DDR eine Nationale Front – eine Sammlungsbewegung aller Parteien und
       Bewegungen. In der DDR machte sie sich vor allem um die Austragung von
       Wettbewerben wie die „Goldene Hausnummer“ oder „Schöner unsere Städte und
       Gemeinden“ verdient. Das russische Pendant war vornehmlich zur
       Massenmobilisierung gedacht.
       
       Für die Wahl 2018 dachte sich der Kreml etwas Neues aus: Eine
       Initiativgruppe, der 600 Honoratioren aus Sport, Kultur und Politik
       angehören und Putin auf ihre Fahne heben. Jedoch auch nicht exklusiv als
       ihren Kandidaten.
       
       Die Vorhersehbarkeit des Ausgangs treibt skurrile Blüten. Selbst überzeugte
       Parteigänger des Präsidenten ziehen es vor, nicht zur Wahl gehen zu müssen.
       Auch altgediente Sparingspartner sind inzwischen der Rolle überdrüssig. So
       lässt der Generalsekretär der Kommunistischen Partei Russlands, Gennadij
       Sjuganow, nach 25 Jahren erstmals einen jüngeren Kandidaten zum Schaukampf
       auflaufen.
       
       Die meisten Bewerber warteten bis zuletzt mit der Bekanntgabe der
       Kandidatur. Auch Putin zierte sich. Als sei die Wahl ein unangenehmer
       medizinischer Eingriff. Ob er sich überhaupt noch eine Kampagne antun
       müsse, schien der Kremlchef zu überlegen. Der russische
       Politikwissenschaftler Sergei Medwedjew verglich den Urnengang hingegen mit
       den Spielen der „Nächtlichen Hockeyliga“, in der Putin gegen Untergebene
       antritt und selten unter acht Pucks ins Netz schiebt.
       
       ## Warum erst jetzt?
       
       Bislang fehlt jedoch auch noch ein Wahlprogramm. Es wird nachgereicht. Mehr
       als ein Aufguss früherer Verheißungen ist jedoch nicht zu erwarten.
       Verbesserungen im Gesundheits- und Bildungswesen sprach der Präsident an.
       Reicht das?, fragen russische Beobachter. Putin steckt als Wahlkämpfer
       ohnehin in einem Dilemma. Sollte er notwendige Verbesserungen nach 18
       Jahren Amtszeit ankündigen, wird manch einer fragen, warum erst jetzt und
       ob die Zeit denn noch ausreicht? 2024 dürfte Putin – eigentlich – nicht
       noch einmal antreten.
       
       Die Elite beschwört die Vergangenheit und verteufelt die 1990er Jahre. Ihr
       fehlen Zukunftsgewissheit und -visionen. Wie einst der UdSSR, als Moskaus
       Machthaber die eigene Politik der der USA unterordneten. Ob in Syrien,
       China, Europa oder dem postsowjetischen Raum, auch heute bleibt der Kreml
       auf Washington fixiert.
       
       Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion hatte das schwere Traumata zufolge:
       Wofür stand der Sowjetmensch ein Leben lang in der Schlange, übte Verzicht?
       Doch um es mit den USA aufnehmen zu können! All das wurde damals über Nacht
       entwertet.
       
       Entspannung würde Russland wieder in Turbulenzen stürzen und das
       Herrschaftssystem infrage stellen.
       
       26 Dec 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Klaus-Helge Donath
       
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