# taz.de -- Das Ende eines Facebook-Accounts: Tschüss!
       
       > Daten sind Facebooks liebstes Ding. Das Netzwerk sammelt, analysiert,
       > verkauft. Davon hat unser Autor jetzt genug. Ein Abschiedsbrief.
       
 (IMG) Bild: Dieses Icon wird bald vom Smartphone-Dislplay des Autors verschwinden
       
       Liebe Freund*innen. Dieses Jahr mache ich mir ein besonders
       Weihnachtsgeschenk: Ich verlasse Facebook. Es liegt nicht an euch. Es liegt
       an Facebook. Und an mir. Ich habe etwas zu verbergen. Wäre dem nicht so,
       würde ich meine privaten Nachrichten in der taz-Tee-Lounge aufhängen und
       dem Polizeipräsidenten alles über mein Sexualleben erzählen. Mache ich aber
       nicht. Stattdessen gebe ich all diese Dinge seit mindestens zehn Jahren an
       Facebook.
       
       Und was macht Facebook? Es [1][baut eine Lauschfunktion in seinen Messenger
       ein] und möchte auch sonst [2][außerhalb des Internets] Daten sammeln. Es
       will die [3][Whatsapp-Kontaktdaten meiner Kinder] haben. Es scannt die
       [4][privaten Nachrichten] und die öffentlichen sowieso, verwendet eine
       [5][Bilderkennung, um die Dinge auf meinen Fotos zu erkennen] und weiß dann
       zum Beispiel, dass ich Sonnenbrillen mag. Es [6][zensiert Inhalte nach
       undurchsichtigen Regeln]; Nippel müssen weg, Gewalt darf oft bleiben und
       [7][Türkei-Kritiker haben unerklärlichen Follower-Schwund].
       
       Neuerdings will Facebook nicht nur alles über seine Benutzer, ihre
       [8][Finanzen] und ihre Verhaltensmuster wissen, sondern auch aktiv etwas
       tun; und zwar dank künstlicher Intelligenz [9][suizidgefährdete] und
       potentiell für [10][terroristisches Gedankengut] empfängliche Menschen
       erkennen und Gegenmaßnahmen einleiten. Facebook als Gedankenpolizei? Manche
       dieser Methoden sind in Deutschland gesetzlich untersagt. Aber Facebook
       wird hartnäckig bleiben und weiter versuchen, an diese Daten zu kommen. Die
       auch Geheimdiensten zugänglich gemacht werden und allen zur Verfügung
       gestellt werden, die dafür bezahlen.
       
       Und auch dazu verwendet werden können, gezielt [11][spezielle
       Benutzergruppen] zu manipulieren, wie [12][während der letzten
       US-amerikanischen Präsidentschaftswahl] geschehen. Natürlich, Facebook ist
       ein Konzern und will Geld verdienen. Aber wenn ich in Zukunft bezahlen
       muss, dann von jetzt an lieber mit Euro als mit meinen Daten.
       
       ## Nicht mal mehr die Email-Adresse
       
       Tatjana hat auf meinen Facebook-Abschiedspost geantwortet: „Ich verdanke
       Facebook das Wiederfinden vieler alter Schulkameraden und bleibe daher.“
       Auch Erdoğans Anhänger sind ihm immer noch dankbar dafür, dass er
       irgendwann mal Waschmaschinen verschenkt hat. Freundlichkeit ist nicht
       immer ein Zeichen von Nächstenliebe.
       
       Facebook zu verlassen ist nicht einfach. Ich habe mich abhängig gemacht.
       Von manch einem habe ich nicht einmal mehr die Email-Adresse. Es gibt eine
       ganze Reihe von Dingen, die mir fehlen werden, liebe Freund*innen: Eure
       Diskussionsgruppen und inspirierenden Seiten, Veranstaltungshinweise, die
       Geburtstagserinnerungen, die qualitativ hochwertigen Posts von einigen von
       euch. Ein bisschen auch die Möglichkeiten zur Selbstvermarktung und die
       Gamification: andere mit Aufmerksamkeit belohnen zu dürfen und selbst
       belohnt zu werden. Die kleinen Gehilfen beim Versuch, der eigenen Existenz
       scheinbare Bedeutung zu verleihen.
       
       Nicht alle diese Dinge werden mir fehlen, denn ich bin schon seit
       [13][einer Weile bei Diaspora], einer kleinen Facebook-Alternative ohne
       Werbung und Zensur, bei der jeder selbst bestimmen kann, wo er seine Daten
       ablegt. Die von ihren Erfindern an die Open-Source-Gemeinde übergeben
       wurde, also niemandem gehört. Und deren Software von jeder Benutzerin
       weiterentwickelt werden kann. Bei der es viele nette Leute gibt. Nur euch
       nicht. Ein paar haben mich dort zwar besucht, sind aber wieder zurück
       gegangen.
       
       Da ist sie, die Macht der Masse und die Angst, nicht mehr dazuzugehören.
       Denn alle sind bei Facebook. Facebooks größtes Potenzial: der soziale
       Druck. Genau dies ist der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt: Wie
       soll ich bei Facebook bleiben und meinen Kindern erklären, dass man Dinge,
       die man für grundlegend falsch hält, nicht tun soll – nur, weil man
       dazugehören möchte? Wie soll ich glaubwürdig sein, wenn ich ihnen erkläre,
       dass es keine gute Idee ist, Whatsapp zu benutzen? Deshalb gehe ich.
       
       Aber ich verlasse ja nur Facebook, nicht das Internet! Schreibt mir Emails
       und setzt mich auf Eure Newsletter. Und feiert schön.
       
       23 Dec 2017
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.forbes.com/sites/kashmirhill/2014/05/22/facebook-wants-to-listen-in-on-what-youre-doing/
 (DIR) [2] https://t3n.de/news/facebook-offline-einkaufst-716983/
 (DIR) [3] https://www.heise.de/newsticker/meldung/Austausch-deutscher-Nutzerdaten-zwischen-WhatsApp-und-Facebook-bleibt-verboten-3695463.html
 (DIR) [4] https://www.heise.de/newsticker/meldung/Klage-gegen-Facebook-wegen-Scans-privater-Nachrichten-3212927.html
 (DIR) [5] https://github.com/ageitgey/show-facebook-computer-vision-tags#readme
 (DIR) [6] https://www.heise.de/newsticker/meldung/Facebook-Interne-Regeln-fuer-Inhaltsloeschung-oeffentlich-3719452.html
 (DIR) [7] /!5461899/
 (DIR) [8] https://www.wired.de/collection/business/facebook-hat-eine-technologie-patentiert-die-die-bonitat-seiner-nutzer-ermittelt
 (DIR) [9] https://techcrunch.com/2017/11/27/facebook-ai-suicide-prevention/
 (DIR) [10] http://www.deutschlandfunkkultur.de/nudging-bei-facebook-subtiles-stupsen-gegen-den-terror.1005.de.html?dram%3Aarticle_id=379729
 (DIR) [11] /!5447584/
 (DIR) [12] /!5359725/
 (DIR) [13] /!5007589
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ulf Schleth
       
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