# taz.de -- Kolumne Lügenleser: Hallo, Victimshaming!
       
       > Eine „Zeit“-Autorin rät Frauen, sich abzuschminken, um sexueller Gewalt
       > vorzubeugen. Am besten schlüpfen sie gleich noch in Mao-Uniformen.
       
 (IMG) Bild: Ursprung allen Übels: Make-Up
       
       Ich liege im Bett und massiere mir die Kissenfalten aus dem Gesicht,
       während es im Nebenzimmer schon geschäftig klappert. Meine Freundin muss
       früher aufstehen, Tag für Tag.
       
       Nicht etwa weil sie dauernd trödelt oder immer alles verlegt (Biete diese
       Klischees plus dazugehöriger Gags allerdings gerne Mario Barth für sein
       nächstes, saudummes Bühnenprogramm an), sondern weil sie sich schminkt. Das
       mag unfair erscheinen. Ginge es nach einem [1][jüngst erschienenen Text in
       der Zeit], ist damit aber eh Schluss.
       
       In dem Artikel fordert die Soziologin Barbara Kuchler: Frauen, lasst das
       Schminken sein. Aus der #metoo-Debatte soll ein #ohnemich-Diskurs werden.
       Ich lese laut vor, während vor dem Spiegel nebenan die Wimperntusche
       eingesetzt wird: „Wer morgens vorm Spiegel den Eyeliner zückt, malt mit an
       der schönen Seite einer gesellschaftlichen Ordnung, deren hässliche Seite
       das Grapschen und Einsammeln von Frauen als Jagdtrophäe ist“ (Hallo,
       Victimshaming!).
       
       Oder: „Modemacher: Symmetrisiert die Frauen- und Männermode!“ (Hallo,
       Mao-Uniform!). „Politiker, Frauenminister: Droht mit der Regulierung der
       Modeindustrie“ (Hallo, Diktatur!). Aus dem Wohnzimmer schnaubt es erstmals
       empört.
       
       ## Die Journalistin übernimmt
       
       Unpassender als ein Mann, der Frauen erklärt, was Feminismus ist und was
       nicht oder wie sich Frauen zu fühlen haben, ist höchstens ein Pitbull auf
       dem Kinderspielplatz (Empörte Hundeliebhaber in 3, 2, 1 …). Also wird nun
       die Journalistin die Feder übernehmen, die sich soeben fertig geschminkt
       hat und nebenbei noch meine Partnerin ist.
       
       Dank eines Exklusivvertrags mit einem anderen Medium darf ihr Name hier
       nicht erscheinen. Trotzdem eine Win-win-Situation, sie ist jetzt eh schon
       wütend, ich dagegen bin fein raus und kassiere auch noch die volle Summe
       für diese Kolumne. Los geht’s.
       
       Auch wenn ich emotionalisierte Debatten für schwachsinnig halte, kam ich
       nicht umhin, emotional zu werden und im folgenden auch emotional zu
       schreiben – bin halt eben auch eine Frau, die auch noch dazu gerade ihre
       Periode hat (Hallo, Mario Barth!).
       
       ## Frauen sollen handeln
       
       Es sind Positionen wie die von Frau Kuchler, die ein gesellschaftliches
       Klima befördern, das es Frauen doppelt schwer macht, sich zu wehren. Ich
       bin es leid, dass jedes Mal, wenn es darum geht, männliches Fehlverhalten
       zu ändern, es die Frauen sind, die zum Aktionismus aufgerufen werden.
       „Kleidet euch so und so“, „Geht doch zur Polizei“ oder jetzt eben „Schminkt
       euch nicht mehr, dann wird alles gut.“
       
       „Die deutsche Frau schminkt sich nicht“ war früher schon keine gute Idee
       (Hallo, Nationalsozialismus!) und ich bezweifle, dass ein Make-up-freies
       Gesicht auch nur eine Frau damals vor männlichen Übergriffen bewahrt hat
       (Hallo, Rote Armee Fraktion!), Statistiken bezüglich sexueller Übergriffe,
       etwa von Frauen im Mao-Regime, zu finden wird schwierig.
       
       Das einzige Mittel, das in der Zukunft eine #metoo-Kampagne überflüssig
       machen wird, ist, unsere Männer, Brüder, Söhne dazu zu erziehen, Frauen als
       Menschen zu betrachten und nicht als eine Biomasse, die eine Uniform oder
       Mascara trägt.
       
       14 Nov 2017
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.zeit.de/kultur/2017-11/sexismus-metoo-sexuelle-uebergriffe-aussehen
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Juri Sternburg
       
       ## TAGS
       
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