# taz.de -- Sich die Stadt zurückkaufen: Nicht überall guter Ausblick
       
       > Bereits zum zehnten Mal hat Friedrichshain-Kreuzberg ein Haus vor
       > Spekulation gerettet. Warum nutzen andere Bezirke das kommunale
       > Vorkaufsrecht nicht?
       
 (IMG) Bild: Außer in Friedrichshain-Kreuzberg muss man mit der Lupe suchen
       
       Er hat es wieder getan. Am vergangenen Freitag gab Florian Schmidt, grüner
       Baustadtrat in Friedrichshain-Kreuzberg, bekannt, in der Eckertstraße 15
       zum zehnten Mal das bezirkliche Vorkaufsrecht angewandt zu haben. „Damit
       wurden 17 Wohnungen dem aufgeheizten Immobilienmarkt entzogen, um eine
       Verdrängung der Wohnbevölkerung zu vermeiden“, schrieb Schmidt auf
       Facebook. Aktuell werde für zwei weitere Häuser in der Straßmannstraße und
       in der Schönleinstraße das Vorkaufsrecht geprüft.
       
       Wir kaufen uns unsern Kiez zurück, lautet die Parole von Schmidt. Doch
       eigentlich ist das „Wir“ übertrieben. Denn außer einem Fall in Neukölln hat
       bislang nur Friedrichshain-Kreuzberg von der Möglichkeit Gebrauch gemacht,
       in einem Milieuschutzgebiet dem Käufer eines Wohnhauses die Immobilie
       wegzuschnappen. Voraussetzung dabei ist, dass sich der Käufer weigert, die
       sozialen Ziele des Milieuschutzes in einer so genannten Abwendungserklärung
       zu akzeptieren. In diesem Fall kann der Bezirk zugunsten eines dritten,
       meist einer landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft, in den Kaufvertrag
       eintreten.
       
       Warum aber immer nur Florian Schmidt? Warum Friedrichshain-Kreuzberg und
       nicht Pankow, Charlottenburg oder Wedding? Noch im Sommer zeigte sich
       Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke) davon überzeugt, „dass schnell auch
       andere Bezirke vom Vorkaufsrecht Gebrauch machen werden“. Ähnlich äußerte
       sich Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD).
       
       ## Pankow noch bei Null
       
       Grund für den Optimismus war ein „Konzept zur Ausübung von
       Vorkaufsrechten“, das der Senat am 15. August beschlossen hatte und das für
       alle Berliner Bezirke eine Handreichung sein sollte. Demnach können die
       Bezirke dann ein Vorkaufsrecht prüfen, wenn das zum Verkauf stehende
       Gebäude mindestens acht Wohnungen hat und die Wohnungen noch nicht in
       Eigentum umgewandelt sind. Außerdem dürfen die Mieten nicht mehr als zehn
       Prozent über dem Quartiersdurchschnitt liegen. Sind diese Voraussetzungen
       erfüllt, können die Bezirke Kontakt mit dem Finanzsenator und einer
       Wohnungsbaugesellschaft aufnehmen.
       
       Soweit die Theorie, in der Praxis aber läuft es anders. Gegenüber der taz
       erklärte Vollrad Kuhn, grüner Baustadtrat in Pankow, dass in seinem Bezirk
       erst drei Objekte geprüft worden seien. „Eines davon war zu teuer, ein
       zweites war bereits in Eigentum umgewandelt, bei einem dritten laufen die
       Verhandlungen“, so Kuhn. Allerdings landet in Pankow auch nicht jeder Fall
       auf dem Tisch des Baustadtrats. „Erst wenn meine Verwaltung meint, dass das
       ein Fall für ein Vorkaufsrecht ist, kommt das zu mir“, so Kuhn. Außerdem
       habe man in Pankow erst einmal abwarten wollen, bis der Senatsbeschluss
       vorlag.
       
       Anders dagegen läuft es in Friedrichshain-Kreuzberg. „Meine Mitarbeiter
       legen mir jeden Fall auf den Tisch, der die Kriterien erfüllt“, so Florian
       Schmidt. Anschließend trifft sich der Stadtrat mit den betroffenen
       Mieterinnen und Mietern, auch wenn das, so Schmidt, „sehr zeitaufwendig
       sein kann“.
       
       Parallel dazu laufen erste Gespräche mit der Finanzverwaltung und der
       Wohnungsbaugesellschaft, im Falle der Eckertstraße war es die WBM. Dann
       wird das Verfahren offiziell eröffnet. Die Vorgespräche sind laut Schmidt
       wichtig, denn ist der Kaufvertrag zwischen Verkäufer und Käufer erst einmal
       unterschrieben, haben Bezirk, Senat und Wohnungsbaugesellschaft gerade
       einmal zwei Monate Zeit, um alles in trockene Tücher zu bringen. Doch der
       Aufwand lohne sich, so Schmidt. „Ich lass mir kein Haus durch die Lappen
       gehen.“
       
       Nicht nur Pankow hat in Sachen kommunales Vorkaufsrecht bislang eine Null
       auf der Habenseite, sondern auch Mitte. Eine Tatsache, die auch Baustadtrat
       Ephraim Gothe (SPD) erstaunt. Ähnlich wie in Friedrichshain-Kreuzberg
       landen auch in Mitte alle Verkaufsvorgänge auf dem Schreibtisch des
       Stadtrats. Selbst eine Expertin aus Friedrichshain-Kreuzberg sei schon
       einmal da gewesen, um ihre Erfahrung weiterzugeben. „Doch bislang war da
       nichts auffälliges“, so Gothe zur taz. „Es gab nichts, das nach dem Verkauf
       auf eine mögliche Verdrängung der Mieter hinweist.“
       
       Immerhin hat die WBM am Leopoldplatz gerade ein Haus mit 101 Wohnungen
       gekauft. „Die sind nun gesichert“, so Gothe. Der Bezirk musste in diesem
       Fall aber gar nicht eingreifen. „Der Verkäufer und die WBM waren bereits im
       Gespräch miteinander.“
       
       In anderen Bezirken scheitert das Vorkaufsrecht daran, dass es noch keine
       Milieuschutzgebiete gibt. „Wir haben zwei Gebiete identifiziert, die
       derzeit noch im Verfahren sind“, sagt der Baustadtrat von
       Charlottenburg-Wilmersdorf, Oliver Schruoffeneger (Grüne). Ende des Jahres
       sollen die Gebiete am Mierendorffplatz und am Richard-Wagner-Platz förmlich
       festgelegt sein. Dann kann der Bezirk auch vom Vorkaufsrecht Gebrauch
       machen.
       
       Insgesamt gibt es 42 Milieuschutzgebiete in Berlin, die meisten in
       Friedrichshain-Kreuzberg und in Pankow. Vor diesem Hintergrund gibt es
       keinen Grund, warum Pankow nicht auch zum „Rückkauf der Stadt“ beitragen
       könnte. Baustadtrat Kuhn hat aber eine Vermutung, warum es dennoch nicht so
       ist. „In Prenzlauer Berg wurde in den Sanierungsgebieten schon alles
       durchmodernisiert“, sagt er. „Es gibt also gar nicht so viele Häuser, die
       man kaufen, modernisieren und in Eigentum aufteilen kann.“
       
       31 Oct 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Uwe Rada
       
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